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Eine unheimliche Gemäldesammlung

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Walther Kabel
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Titel: Eine unheimliche Gemäldesammlung
Untertitel:
aus: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1913, Bd. 9, S. 230–232
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1913
Verlag: Union Deutsche Verlagsgesellschaft
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Erscheinungsort: Stuttgart, Berlin, Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
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[230] Eine unheimliche Gemäldesammlung befindet sich noch heute im Besitze der Herzöge von Waverley, in deren Stammschloß sie seit zweiundsiebzig Jahren aufbewahrt wird. Die Geschichte dieser Bilder enthüllt eines der dunkelsten Kapitel menschlicher Geschmacksverirrung. Sie beginnt zu einer Zeit, da der von ebenso fanatischen wie phantastischen Köpfen aufgestachelte Volksgeist in Paris jede bestehende Ordnung zertrümmerte und das Fallbeil täglich Dutzende von sogenannten „Verrätern“ hinschlachtete.

Damals, während der großen französischen Revolution, war [231] es, als der berüchtigte Wohlfahrtsausschuß eines Tages den Befehl gab, auch die Königsgräber des Geschlechtes der Orleans in der Jesuitenkirche in Paris zu zerstören, damit auch diese Erinnerung an das einst monarchisch regierte Frankreich von der Erde fortgefegt werde. Unter den Leuten, die diesen Auftrag vollzogen, befand sich ein junger Maler, Hektor Olivier, ein begeisterter Republikaner. Als die Urnen mit den einbalsamierten Herzen einstiger französischer Herrscher unter den Kolbenschlägen der Revolutionssoldaten in Trümmer gingen und die verschrumpften, steinhart gewordenen Herzen auf die Fliesen des Grabgewölbes herabrollten, kam dem jungen Maler ein schauerlicher Gedanke. Auf seinen Befehl sammelte man alle die mumifizierten Herzen, die einst unter königlichem Purpur geschlagen hatten, zusammen und warf sie in einen Sack. Es waren nicht weniger als sechzehn, wie der französische Geschichtschreiber Lambert berichtet, und diese sechzehn Herzen nahm Hektor Olivier mit in seine Wohnung, um sie dort zu einem sonderbaren Zwecke zu benützen.

Bekanntlich gebrauchte man schon in alter Zeit die Reste einbalsamierter Körper nicht nur als Heilmittel, sondern verarbeitete sie auch zu einer braunen Farbe, die ihres besonderen Tones wegen sehr begehrt war und die Bezeichnung „Mumie“ führte. Olivier, als Maler mit der Herstellung von Farben gut bewandert, stellte nun aus den Königsherzen ebenfalls „Mumie“ her und malte damit sieben Bilder, Schreckensszenen aus der französischen Revolution darstellend, die sämtlich denselben dunkelbraunen Ton besaßen. Diese Gemälde erregten, als sie im Winter 1799 in Paris ausgestellt wurden, allseitig Bewunderung. Die Angabe des Malers, daß sie in ihrer Farbe die Herzen der Orleans enthielten, wurde jedoch mehr als eine geschickte Reklame denn als Wahrheit hingenommen. Und doch war es Tatsache.

Olivier starb kurz darauf. Er wurde wahnsinnig. Sein Geist hatte den steten Aufregungen der wechselreichen Revolutionszeit nicht standhalten können. „Vielleicht war es auch etwas anderes, das diesem jugendlichen Feuerkopf die Gedanken verwirrte,“ schreibt der erwähnte Chronist Lambert. [232] „Das Bewußtsein, mit menschlichen Herzen einen so freventlichen Unfug getrieben zu haben, mag Olivier dem Irrsinn überantwortet haben. Das einmal erwachte Gewissen ist eine Folter, die schon größere Geister qualvoll zu Tode gemartert hat.“

Nach Oliviers plötzlichem Ende lagerten die sieben Bilder lange Zeit bei einem Pariser Kunsthändler, der sie von den Erben des Malers erworben hatte. Sie wurden auch Napoleon I. angeboten, dem man zugleich eine handschriftliche Erklärung Oliviers vorlegte, daß die zu den Gemälden benützte Farbe tatsächlich aus den zu Pulver zerriebenen Königsherzen gewonnen war. Napoleon besuchte daraufhin auch das Atelier des Kunsthändlers und betrachtete die Bilder lange Zeit sehr nachdenklich. Schon hoffte der Kunsthändler, Bonaparte würde sie käuflich erwerben; aber der Korse sagte nur mit einem verächtlichen Lächeln: „Schade, daß dieser Olivier nicht mehr lebt. Ich würde ihm den Respekt vor solchen Reliquien schon beibringen.“ Damit verließ er ohne Gruß das Atelier.

Zwei Jahre darauf kaufte der Londoner Großkaufmann Shephard die sieben Bilder und brachte sie nach London. Er behielt sie jedoch nur wenige Monate und veräußerte sie mit hohem Gewinn weiter. Nachdem sie noch mehrmals den Besitzer gewechselt hatten, erwarb der Herzog von Waverley sie im Jahre 1841 und verleibte sie seiner Gemäldegalerie ein.

W. K.