Eine chinesische Seeräubergeschichte
Eine chinesische Seeräubergeschichte.
Vor Kurzem brachten die Zeitungen ausführliche Berichte über die Plünderung, welche die Söhne des himmlischen Reiches wieder einmal in Canton an europäischen, namentlich aber an deutschen Einwohnern glücklich ausgeführt hatten, und fast zu derselben Zeit gelangte in unsere Hände ein leider etwas verspäteter Bericht eines Hamburger Capitains, welchem chinesische Fischer sein Schiff nach allen Regeln des Piratenhandwerks ausgeraubt hatten. Der schlichte Bericht giebt ein so lebenswahres Bild der traurigen Verhältnisse, die in den chinesischen Gewässern herrschen, daß er ohne Zweifel das Interesse unserer Leser erwecken wird.
Die Brigantine „Mataram“, Capitain Robert Hertzberg aus Hamburg, ging am 26. April dieses Jahres unter holländischer Flagge von Hongkong nach Amoy und hatte außer dem genannten Capitaine folgende Besatzung an Bord: den Steuermann M. Lindner aus Fehmern, zwei malayische Bootsleute mit ihren Frauen, einen chinesischen und einen malayischen Koch, sowie acht malayische Matrosen. In Folge eines Sturmes gerieth dieselbe am 1. Mai in der Nähe der Pratasinsel auf Untiefen und blieb auf einem gesunkenen Korallenriff festsitzen.
„Damit das Schiff bei etwa steigendem Wasser nicht höher auftreiben konnte,“ schreibt uns Robert Hertzberg, „ließ ich beide Anker fallen. Die Luft klärte sich auf, doch blieb der Himmel bewölkt und hatte ein drohendes Aussehen. Deshalb befahl ich, all meinen schönen Kajütenproviant und unser Zeug in die Boote zu packen, um dies vorläufig an Land in Sicherheit zu bringen, im Falle wir etwa das Schiff über Nacht verlassen müßten. Blieb das Wetter gut und bekamen wir das Schiff wieder flott und in tiefes Wasser, so konnten wir dies immer wieder leicht an Bord nehmen. Ich wollte den Steuermann mit den Booten an Land schicken und selbst mit drei Mann an Bord bleiben, um das Ausschleudern des Wurfankers vorzubereiten. Das Schiff war zur Zeit noch unversehrt und völlig dicht, Masten, Segel, Takelwerk, Alles in guter, seetüchtiger Ordnung. Als die Boote fertig waren, ließ ich noch den Proviant, die Reis-, Fisch- und Fleischfässer aus dem Unterraume, wo sie mit als Ballast dienten, nehmen und in’s Zwischendeck setzen, damit sie beim etwaigen Leckwerden des Schiffes nicht beschädigt werden konnten.
Als wir noch hierbei beschäftigt waren, sahen wir plötzlich sechs Sampans (Boote), voller Chinesen, von der Insel aus auf’s Schiff zugerudert kommen. Die Malayen fingen an, sehr ängstlich zu werden, während ich, der ich die Piratentage längst vorüber wähnte, mich schon freute, nun wahrscheinlich kräftige Hülfe zu bekommen. Bald waren die Chinesen längsseit, sie prüften Alles mit wilden, gierigen Augen, beriethen sich kurz, dann, meines Zurufens ungeachtet, kletterten sie wie die Katzen an den Rüsten in die Höhe und an Bord und begannen, sämmtlich mit Aexten und mit großen Hackmessern bewaffnet, die raffinirteste Plünderung. Die erschreckten Malayen stürzten sofort, bis auf die drei Mann, die ich zum Hierbleiben bestimmt, in die bereitliegenden Boote, und gab ich dem Steuermann Ordre zum Abstoßen. Ich sah die Chinesen auf den Raaen mit ihren scharfen Beilen die neuen, schönen Segel herunterhauen, hörte das Krachen der Axthiebe in der Kajüte und versuchte nochmals durch Zeichen und Zurufe sie zurückzuhalten. Da kamen die drei Malayen und weigerten sich, länger an Bord zu bleiben, da die Chinesen drohten, sie zu tödten. Zu gleicher Zeit sprang ein Bandit mit erhobener Axt auf mich los, mit augenscheinlich nicht sehr freundlicher Absicht; ich fiel ihm noch eben rechtzeitig in den Arm und einer der chinesischen Anführer kam hinzu und war so vernünftig, den Kerl und seine herbeistürzenden Collegen zurückzuhalten; doch bedeutete man uns, daß wir uns schleunigst zu entfernen hätten. Ich sah das völlig Nutzlose des Widerstandes, und da das dritte der Boote noch nicht abgestoßen war, schickte ich erst die drei Malayen hinein und folgte dann, mit bitterschweren Gefühlen – als Letzter selbst nach.
Ich ließ die Boote nach der uns zugekehrten Südseite der Insel rudern. Wir landeten unbeschädigt etwa dreiviertel Seemeilen vom Westende derselben, schleppten alles Zeug und Proviant auf die Dünen in die niedrigen Büsche und zogen die Boote hoch auf den Strand; dann schlugen wir, so gut es ging, ein Lager auf und richteten uns ein, aus den Bootsegeln und einigen mitgenommenen Persenningen (in der Seemannssprache getheertes Segeltuch) kleine Zelte aufbauend. Pratasinsel ist von Hufeisenform, zwar nur niedrig, doch ziemlich ausgedehnt; auf der uns gegenüber liegenden Nordseite schienen einzelne Bäume zu stehen, sonst ist der Rücken der Insel nur mit niedrigem, krüppligem Buschwerk bewachsen, während der ganze Strand, so weit das Auge reicht, mit alten Schiffstrümmern bedeckt ist. Die Malayen griffen sich Seemöven (die gerade Brutzeit hatten und überall mit Eiern und Jungen in Massen herumsaßen), dann schleppten sie von den alten Wrackstücken zusammen, und bald hatten sie mehrere tüchtige Lagerfeuer im Gange. Vor dem Lager, auf der höchsten Stelle der Düne, ließ ich den längsten Bootsmast aufrichten und dann die holländische Flagge aufhissen.
Abends erschienen etwa ein Dutzend Chinesen und verlangten das Großboot. Ich hätte es ihnen abschlagen können, doch wäre dies, sobald sie, wie vorauszusehen, in Masse erschienen, nicht länger möglich gewesen, daher machte ich gute Miene zum bösen Spiel und ließ es ihnen schließlich nach langem Unterhandeln gegen die Bedingung, daß man uns die Hälfte der Reis-, Fisch- und Wasservorräthe, sowie zwei größere Segel zu Zelten abgeben und das Boot zurückbringen sollte, sobald sie es nicht mehr brauchten. Die ganze Nacht hielten wir Wache und ließen ein mächtiges Feuer brennen. Die Chinesen schlichen beständig um’s Lager herum, stahlen allerlei Kleinigkeiten, doch der erwartete Ueberfall erfolgte glücklicher Weise nicht.
Am Morgen (2. Mai) verlangte ich von den Chinesen die Erfüllung der gestern Abend vereinbarten Bedingung, doch wurde dies rundweg abgeschlagen und mir bedeutet, daß sie den Proviant selbst nöthig hätten, nur Wasser wollte man uns erlauben, selbst von Bord zu holen. Durch unseren chinesischen Kajütenkoch, der als Dolmetscher fungirte, erfuhren wir, daß von einer Flotte von sechs großen Fischerdjunken drei Stück an der Ostseite der Insel verankert lägen. Die drei anderen wären im letzten Teifun[1] an der Südseite gestrandet, die Mannschaften jedoch gerettet. Zusammen wären gegenwärtig sechsundachtzig Mann auf der Insel, und blieben sie vorläufig mindestens so lange hier, bis Eintritt beständig schönen Wetters erfolgte – unsere Proviantvorräthe wären ihnen daher sehr willkommen.
Unsere Lage war nun sehr ernst, nur die Kajüten-Proviantvorräthe hatten wir mitbekommen, dieselben konnten für alle Mann höchstens vierzehn Tage ausreichen – was dann? Daß ein Schiff ansegeln sollte, stand nicht zu erwarten, wohl aber, daß die Piraten uns täglich überfallen und uns noch das wenige Gerettete rauben konnten. Hier galt es einen Entschluß zu fassen. Als gegen acht Uhr gerade kein Chinese herumlungerte, rief ich alle Mann zusammen und stellte ihnen die Sache vor. Keiner wußte Rath. Da bot ich ihnen an: mit dem Steuermann und einem Malayen zu versuchen, in der Schaluppe die chinesische Küste zu erreichen, um Hülfe zu holen. Ich bewies [747] ihnen, daß dies das einzige Mittel zu unser Aller Rettung sei, und daß es am besten sei, diesen Plan sofort auszuführen, so lange wir noch im Besitz des Bootes uns befänden. Da das Unternehmen ein sehr riskantes war, mußte ich den Steuermann, als einzigen den voraussichtlichen Strapatzen gewachsenen Europäer, zu zuverlässiger Hülfe in Nothfällen mithaben, den Malayen wollte ich nur zum Wasserausschöpfen gebrauchen, da das Boot leckte. Zuletzt stimmten Alle bei, nur Einer behauptete hartnäckig: ‚wenn Einer ginge, müßten Alle gehen oder Alle müßten dableiben,‘ deshalb wählten die anderen Matrosen selbst diesen Einen, daß er mit uns gehe.
Als die Sache soweit erledigt und beschlossen, ließ ich sofort die Schaluppe launschen und klar machen, Mast, Segel, Ruder, Steuer, Compaß etc. hineinbringen, meine Kiste mit Chronometer, Sextant, nautischen Büchern, Karten, den Schiffspapieren, holländische Flagge etc. als Ballast, und an Proviant eine Kiste mit Biscuit, 6 Dosen präservirtes Fleisch, 2 Flaschen Rothwein und 10 Flaschen Bier hineinsetzen. Dann nahmen wir Abschied, und bei munterer südlicher Brise, klarem, schönem Wetter und ruhiger See schifften wir uns ein.
Da die Piraten nichts merken durften (sie hätten uns vom Schiff aus noch leicht den Weg abschneiden können), ruderten wir erst direct auf’s Schiff los. Als wir endlich ziemlich nahe gekommen waren, sodaß der Wind uns günstig war, hörten wir plötzlich mit Rudern auf, setzten schnell den Mast auf, hißten das Segel und fort ging’s – in’s chinesische weite Meer hinein!
Als die Chinesen an Bord sich enttäuscht fanden und sahen, daß wir am Schiffe vorbei und in’s offene Meer hinaus segelten, erhoben sie ein großes Geschrei, doch wir spotteten bereits aller Verfolgung.
Wie wir später erfuhren, bekamen sie doch eine große Angst, als sie die beiden Europäer also entwischt sahen, verließen bald darauf insgesammt das Schiff und hielten große Berathung an Land. Den nächsten Tag fuhren sie wieder an Bord, richteten von vorn bis hinten mit ihren Beilen die größtmöglichste Verwüstung an, kappten dann den Fockmast halb durch, den Klüverbaum herunter, sägten das Ruder durch und hoben es aus, schlippten die Ankerketten und fuhren wieder an Land. Das arme Schiff aber wurde von einer Ebbesteigung seewärts geführt. Die Malayen konnten es noch am nächsten Tage – ein hülfloses Spielzeug von Wind und Wellen – weit ab am nordwestlichen Horizonte treiben sehen und bemerkten auch, daß über Nacht die Masten gefallen waren.
Unsere Bootreise verlief die beiden ersten Tage ziemlich glücklich, wir hatten mäßige Südwestbrise, mäßigen Seegang und schönes Wetter. Nur Nachts war es mißlich mit dem Steuern, da wir keine Laterne hatten und bei der bewölkten, nebeligen Luft die Neumondnächte pechdunkel waren, sodaß wir weder Sterne noch Compaß sehen konnten. Dennoch bekamen wir am Nachmittag des zweiten Tages die Berge der chinesischen Küste in Sicht, und Abends bei Dunkelwerden hatten wir das Feuer von Breaker-Point im Norden, bei etwa 10 Seemeilen Distanz.
Da wurde es gegen 9 Uhr windstill und eine Stunde später sprang ein steifer Nordoster auf. Der Wind steigerte sich in heftigen Böen rasch zum Sturm, und die See ging nach kaum einer halben Stunde schon so hoch, daß wir[WS 1] uns mit dem Boote nicht mehr bergen konnten. Ich ließ den Mast, das Segel mit Raae und Baum und ein paar Ruder zusammenlaschen, steckte das Ende der Fangleine mitten darauf, und wir warfen dies über Bord als schwimmenden Anker, worauf der Steuermann vorn, ich hinten, das Boot mit den zwei übrigen Rudern möglichst mit dem Kopfe auf der See hielten. Doch Sturm und See nahmen bald in einer Weise zu, daß all unsere Kraft und das schärfste Aufpassen kaum hinreichten, das Boot zu halten; der malayische Matrose hatte beständig zu thun, das hineinschlagende Wasser auszuschöpfen. Es war eine lange und traurige Nacht, und ich werde jene Stunden so leicht nicht vergessen, namentlich als das endlich anbrechende Tageslicht unsere verzweifelte Nothlage uns erst in ihrer ganzen nackten Schrecklichkeit erkennen ließ. Die See war gar zu hoch und wild, jede einzelne Woge ein Brecher, jeder Augenblick konnte unser letzter sein und ringsum nirgends Hülfe oder Rettung – wir waren allein in der weiten Meereswüste, allein auf uns selbst angewiesen. Schwere Böen brausten über uns dahin, Regen und Hagelschauer schlugen uns abwechselnd in’s Gesicht (wir hatten längst unsere Kopfbedeckungen verloren und waren nur leicht angezogen), doch mit hartnäckiger Ausdauer und höchster Anstrengung im Gebrauch unserer Ruder gelang es, uns selbst warm und das Boot flott zu erhalten, und wenn auch zuweilen ein gar zu wilder Brecher das Boot theilweise mit Wasser füllte, so gaben wir doch die Hoffnung nicht auf, schöpften rasch das Wasser aus und arbeiteten und ruderten weiter.
So ging es den ganzen Tag hindurch, es wurde Abend, und wieder brach die Nacht herein ohne irgend welche Veränderung im Wetter. Wir waren auf’s Aeußerste erschöpft; wie wir die Nacht überstanden, ist mir heute noch ein Räthsel. Zuweilen schien es, als wenn der Sturm etwas nachlassen wollte, und dann war die Gewalt der sich brechenden und überstürzenden Wogen um so schlimmer; dann wieder brauste der Wind mit neuer Wuth über uns dahin, und wir konnten nur mit Aufbietung aller noch übrigen Kräfte das Boot flott erhalten. Zuweilen wurde das Boot mit solcher Wucht von einem Brecher fortgerissen, daß die am schwimmenden Anker befestigte Fangleine mit schwerem Ruck und Krach sich spannte und wir stetig befürchten mußten, entweder das Tau reißen oder den Steven des Bootes herausbrechen zu sehen. Mehrere Male, da wir in einer unbezwingbaren Schlafsucht befangen waren, fielen uns die Ruder aus der Hand – der Körper verlangte sein Recht – bis nach wenigen Minuten eine See das Boot nahezu umwarf und uns immer auf’s Neue bis auf die Haut durchbadete. Zitternd vor Kälte griffen wir dann rasch auf’s Neue zu den (glücklicher Weise vorsichtshalber festgebundenen) Rudern, schöpften schnell das Wasser aus und nahmen den Kampf auf’s Neue auf. Der malayische Matrose war gar nicht mehr zu gebrauchen.
Endlich – endlich – endlich! graute der Morgen, doch die See war toller als je zuvor, der Sturm wüthete ungeschwächt weiter. Mehrere Male wollten wir schon den nutzlosen Kampf aufgeben – da sahen wir plötzlich etwa gegen 7 Uhr einen großen Dampfer auf uns zukommen. Rasch wurde die holländische Flagge an eins der Ruder gebunden, und ich ließ den Steuermann damit winken, während wir unsere Stimmen zu lautem Hülferuf vereinten und ich selbst mit dem anderen Ruder das Boot möglichst stetig hielt. Doch der Dampfer fuhr nahe vorüber, ohne von uns die mindeste Notiz zu nehmen. Man hatte uns zwar gesehen (wie ich später vom dritten Ingenieur des Schiffes in Hongkong erfuhr), doch man sprach: ‚das sind nur dumme Chinesen!‘ und fuhr weiter.
Bitter enttäuscht, doch ohne ein Wort zu sprechen, nahmen wir den Kampf gegen die Wogen auf’s Neue auf. Doch wir waren auf’s Höchste ermattet; der Wein war ausgetrunken, das Bier machte uns nur durstiger – die Noth fing an kritisch zu werden. Da nahmen Wind und See von etwa 10 Uhr an rasch ab; mit neu erwachender Hoffnung bemerkten wir es. Mittags konnten wir schon die Ruder einlegen, der Wind ging südöstlich. Gegen 2 Uhr war die See schon so nieder, daß wir das treibende Anker wieder einholen, den Mast aufsetzen und das Segel gerefft aufhissen konnten, dann steuerten wir vor dem Winde der Küste zu, die wir deutlich vor uns liegen sahen. Wir waren im Sturm, wie ich bald erkannte, von Breaker-Point bis Chelang-Point heruntergetrieben. Noch Abends liefen wir Fokai-Point vorbei und wollten dann in Lee, an der Nordseite von Mendoza-Eiland landen; doch als wir gegen 10 Uhr dorthin kamen, fanden wir nur steile Küste, Klippen und schwere Brandung. Schon wollten wir die Hoffnung aufgeben, da stießen wir auf ein großes Fischnetz, rasch wurde die Fangleine daran fest gemacht, Mast und Segel niedergenommen, und bald lagen wir im tiefsten Schlafe, dem ersten seit gut 90 Stunden.
Als wir am nächsten Morgen durch Stimmengeschrei geweckt wurden, war es bereits heller Tag; ein chinesischer Sampan lag neben uns mit etwa 8 Mann darin (wahrscheinlich die Eigner des Fischnetzes). Wir baten um etwas Wasser, doch statt dessen begannen die Chinesen unser Boot zu überholen und wollten sich Alles zueignen, wollten mir sogar den Ring vom Finger und den Rock vom Leibe ziehen, als ich indeß mit dem Steuermann Miene zu energischer Vertheidigung machte, entfernten sie sich rasch, wahrscheinlich in der Absicht, Verstärkung zu holen. So wie sie fort waren, schnitt ich die Fangleine des Bootes durch, wir setzten den Mast auf, hißten das Segel und bei frischer Ostbrise steuerten [748] wir wieder seewärts, um Single-Eiland herum auf Hongkong zu, wo wir, nach 5 Tagen und 4 Nächten, wohlbehalten anlangten.
Ich ließ das Boot bei einem deutschen Schiffe und begab mich sofort zum Bericht an Land zum Consul, der uns, mich und den Steuermann, vorläufig in einem Hôtel unterbrachte. – Den nächsten Tag war ich mit Briefen vom Consul bei dem englischen Commodore und dem amerikanischen Admiral und erhielt von dem Ersteren endlich am nächsten Tage Antwort: daß das Kanonenboot ‚Swift‘, augenblicklich in Swatow stationirt, nach Pratas beordert werden sollte. Am 10. Mai ging ich mit dem Dampfer ‚Kwangtung‘, die Ordres für den ‚Swift‘ in der Tasche, nach Swatow, und am 11. Mai Vormittags 10 Uhr ging ich mit dem ‚Swift‘ von Swatow in See. Eben als wir absegeln wollten, traf der Dampfer ‚Ferntower‘ von Saigun ein und berichtete, daß er den ‚Mataram‘ ohne Masten und verlassen 30 Meilen südostwärts von Pedro blanco treiben gesehen habe.
Am 12. Mai langten wir nach zehntägiger Abwesenheit wieder bei Pratas-Eiland an, wo wir die malayische Mannschaft glücklicher Weise noch gesund und wohlauf vorfanden. Sie waren überglücklich und beteten mich fast an, daß ich ihnen Wort gehalten.
Aber der ‚Swift‘ hatte sehr große Eile –! und so wurde uns nur erlaubt, etwa die Hälfte unserer Effecten mitzunehmen, der chinesische Koch (der sich wahrscheinlich verspätet hatte), sowie sämmtliches geraubtes Inventar des ‚Mataram‘, das von den Chinesen alles auf einen Haufen gepeilt war, und unsere anderen Sachen wurden zurückgelassen. Die Boote landeten weit ab vom Lager, sie waren keine Stunde an Land, dann ging’s in größter „hurry“ wieder an Bord und fort in See.
Die Malayen erzählten, daß sie die ganze Zeit von den Chinesen sehr belästigt worden seien, jedoch durch die Vermittelung des chinesischen Kochs zwei Segel zu Zelten und ein Faß Wasser erhalten hätten. Aller Proviant und Wasser seien gerade denselben Morgen, als der ‚Swift‘ ankam, zu Ende gewesen. Außerdem erzählten sie vom Schiffe das schon Erwähnte, daß die Chinesen die Ketten geschlippt hätten und ‚Mataram‘ seewärts getrieben wäre. –
Am 13. Mai, Nachmittags 3 Uhr (Pfingstsonntag) erreichten wir Hongkong und verließen den ‚Swift‘ und am 16., nachdem Verklärung abgelegt und Protest unterzeichnet war, wurden alle Mann vor’m holländischen Consul abgemustert und entlassen. Noch denselben Tag lief die Nachricht von Swatow ein, daß das Dampfboot ‚Tamsui‘ den ‚Mataram‘ in See, unweit Breaker-Point treibend getroffen und in den Hafen von Swatow eingeschleppt habe. Sofort segelte ich in dem Dampfer ‚Killarney‘ ab und langte am folgenden Mittag in Swatow an, wo ich vom holländischen Consul im ‚German home‘ untergebracht wurde, dann fuhr ich an Bord des ‚Mataram‘. Doch das Herz blutete mir, als ich das gute, brave Schiff betrat und es in diesem schrecklich verwüsteten Zustande fand. Ich hatte es überall so schön in Ordnung gehabt, nach so manchem vergossenen Schweißtropfen und angestrengtester Mühe, und nun hatten es ruchlose Piratenhände in wenigen Stunden in ein ödes, trauriges Wrack verwandelt!
Das Schiff wäre fast unbeschädigt gewesen, wenn es die Chinesen nicht in Besitz genommen; es war allerdings auf Grund gewesen, doch das kann sehr leicht passiren, damit ist es noch lange nicht verloren. Die meisten Schiffe, die auf See fahren, haben das schon ein-, viele mehrmals durchgemacht. Wie zum Hohn hatten die Chinesen die weiße hintere Kajütenwand mittels der aufgefundenen Farben mit Dankwörtern an ihre Götter beschmiert; die eine Sudelei bedeutete: ‚Tausend Dank, Gott! schöner Tag, viel Beute, kein Kampf‘ etc.
Schade, daß kein holländisches Kriegsschiff in der Nähe war: so werden die Piraten auf Pratas nach Belieben mit ihrem Raube schalten und walten können und ungestraft davon kommen. Das Benehmen des ‚auf Ordre‘ handelnden ‚Swift‘ kann den Piraten nur zur Ermuthigung dienen; daher würde ich es nicht ungerecht nennen, wenn das nächste Schiff, das dort von den Chinesen geplündert wird, ein englisches wäre.“
- ↑ Wirbelstürme im chinesischen Meere.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: mir