Eine Streitfrage
[144] Eine Streitfrage. Vor länger als zehn Jahren bildete sich in Berlin ein Comité zur Errichtung einer Goethe-Statue; dasselbe nahm Gelder in Empfang, veranstaltete Sammlungen etc. Zu diesem Zwecke gab der Theaterdirector Franz Wallner ein Benefiz, bei welchem er sich der Mitwirkung Dawison’s versicherte, bei dem er die Kosten aus eigenen Mitteln trug und vermittelst dessen er ein ganz namhaftes Capital an das Comité zur Herstellung einer Goethe-Statue ablieferte. Seit einem Decennium aber hat das Comité nicht das geringste Lebenszeichen von sich gegeben, von einem Goethe-Monument ist keine Rede und die Verwendung des Geldes ist ein tiefes Geheimniß, da alle Aufforderungen an die Empfänger desselben fruchtlos blieben. Unter diesen Umständen hält sich Herr Director Wallner vollkommen berechtigt, über die Summe nebst aufgelaufenen Zinsen, die er zu einem bestimmten Zwecke gegeben, der nicht eingehalten wurde, anderweitig zu verfügen, und hat den Unterstützungsverein der „Berliner Presse“ ermächtigt, das Capital zu Gunsten seiner hilfsbedürftigen Mitglieder zurückzufordern, und namentlich zweihundert Thaler davon für einen braven, durch langwierige Krankheit erwerbsunfähigen tüchtigen Schriftsteller bestimmt. Es fragt sich nun:
1) Hat der Geber das Recht, nach zehn Jahren das Geld zurückzufordern, wenn es nicht nur zu dem gegebenen Zwecke nicht verwendet wurde, sondern wenn auch nicht die geringste Aussicht vorhanden ist, daß dies je geschehen wird?
2) Ist das Comité verpflichtet, diese für einen bestimmt ausgesprochenen Zweck in Empfang genommenen Gelder zurückzustellen, eventuell darüber Rechenschaft abzulegen?
Da im Verein „Berliner Presse“ darüber verschiedene Ansichten obwalten, das sogenannte „Goethe-Comité“ aber sich in hartnäckige Auskunftsverweigerung hüllt, so wäre eine Beantwortung obiger Fragen von competenter Seite im Interesse des oben genannten Unterstützungsfonds sehr wünschenswerth.