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Eine Scene in Afrika

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Textdaten
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Autor:
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Titel: Eine Scene in Afrika
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 38, S. 514
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[516] Eine Scene in Afrika. Ein Beduine kehrte vor Kurzem von einer Reise nach einer fernen Gegend, wo er seinen Stamm besucht hatte, nach Algier zurück, sein Weib und zwei Kinder begleiteten ihn. Er selbst ritt auf einer prächtigen, theuern arabischen Stute, welche ihm ein englischer Reisender für mehrere ausgezeichnete Dienste auf einer gefährlichen Reise geschenkt hatte. Sein Weib ritt auf einem Kameel; ein Kind ruhte in ihrem Arm, das ältere ritt hinter ihr, sich an den ungeheuren Sattel haltend, an dessen Bügeln die großen Koch- und Trinkgeschirre, die steten Begleiter solcher Wanderungen, hingen. Der Stolz des Beduinen bestand in dem Feuer seines Pferdes, in der Gelehrsamkeit und dem Scharfsinn seines Kameels und der Schönheit seines Weibes, welches einem höheren Stamme als dem seinigen angehörte. Die kleine Familie verfolgte eine Zeit lang ihre Reise, ohne einer Gefahr zu begegnen. Sie waren so glücklich, Wasser zu finden, und ungleich dem größten Theil der Beduinen, die so zu sagen durch Erfahrungen nie klug werden, befriedigten sie sich nicht nur durch eine bloße Erquickung bei jeder Oase, sondern füllten ihre Schläuche und Gefäße bis zum Rande. Es war am Nachmittag des sechsten Tages ihrer Reise, als sie von einer großen, wüsten Sandebene in eine Bergkette gelangten, deren Abhänge und Höhen mit verkümmertem Gebüsch und einigen Tamariskensträuchern hier und da bedeckt waren. Jetzt bemerkten sie einen Hügel, welcher ein einladendes Plätzchen und ein passender Zufluchtsort für ihre Abendmahlzeit zu sein schien. Die Kinder waren müde und man beschloß, dort eine Stunde zu verweilen, weshalb die Anhöhe erstiegen wurde. Aber plötzlich bäumte sich das edle Roß von reinem Godolphinstamm und wieherte dermaßen, daß die kleine Familie von Schrecken ergriffen wurde. Fast in demselben Augenblick stieß das Kameel sonderbare, traurige Angsttöne aus, und fiel in die Kniee. Die Mutter und die beiden Kinder wurden durch diese unerwartete Bewegung hinabgeworfen. Der Beduine griff nach seinem Gewehr, ebenfalls ein Geschenk des obenerwähnten englischen Reisenden, als plötzlich ein schreckliches Gebrüll über die Wüste erscholl, dessen Echo von Berg zu Berg bis in die weiteste Ferne getragen wurde. Nur ein paar Schritte von ihnen in einer Höhle, unter deren Abhänge sie gerade ihr Mahl hatten einnehmen wollen, stand ein großer Löwe zum Sprunge auf seine Beute bereit. Ein schrecklicher Schrei ertönte von den Lippen der erschrockenen Mutter, und die Kinder klammerten sich an sie an, in athemloser Angst. Der Beduine verlor jedoch seine Geistesgegenwart nicht. Er hatte kaum sein Gewehr losgelöst, als das schreckliche Ungeheuer schon in der Luft schwebte und auf den Nacken des Kameels fiel. Im Augenblick, noch ehe der Knall der Büchse gehört wurde, färbte sich der Sand mit Blut. Der Löwe hatte seine Zähne in das Fleisch des armen Thieres eingegraben, und ein trauriges Wehklagen, beinah ähnlich dem eines Menschen, kam aus der Kehle des schwachen, geduldigen Geschöpfen. Jetzt leuchtete ein Flammenblitz aus dem Gewehr und fast zu gleicher Zeit wiederhallte das Echo der Wüste zum zweiten Mal gleich dem Donner. Der Löwe fiel von dem Nacken des Kameels und rollte in den Sand. Vom Pferde zu springen, war für den Araber das Werk eines Augenblickes. Sein schnelles Auge hatte bemerkt, daß das Ungeheuer an einer lebensgefährlichen Stelle verwundet war; seinen Dolch ziehend, stürzte er sich auf den König der Thiere. Der Stoß war gut geführt, hätte er gefehlt, so wäre es ihm schlecht ergangen, denn der Löwe besaß noch die Kraft, auf ihn loszugehen. Er war gerade zwischen den Rippen, die eine zarte Stelle bedecken, tief hineingegangen und das Ungeheuer fiel mit schrecklichem Geheul zu Boden und starb. Der Leser kann sich die Freude der geängstigten Familie über ihre Befreiung vorstellen, doch wurde ihre Freude durch den Verlust des theueren Kameels getrübt, denn es mußte, trotz aller Aufmerksamkeit, die man auf dasselbe verwandte, sich verbluten, während es langsam sterbend seinem Herrn die Hand leckte. Es ist noch zu bemerken, daß der Beduine Frau und Kinder auf sein Pferd setzte und dasselbe während des übrigen Theils der Reise durch die Wüste führte, deren Ende sie sicher erreichten.