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Eine Säcularfeier eigener Art

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Textdaten
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Titel: Eine Säcularfeier eigener Art
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aus: Die Gartenlaube, Heft 10, S. 168
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[168] Eine Säcularfeier eigener Art wird am 4. März in der Stadt Magdeburg stattfinden. An diesem Tage begeht daselbst der Buchhändler Wilhelm Heinrichshofen in seltener Frische und Rüstigkeit seinen hundertsten Geburtstag, der auch weit über die Grenzen der Stadt Magdeburg hinaus, zumal in buchhändlerischen und künstlerischen Kreisen, rege Theilnahme finden wird.

Der Säculargreis wurde am 4. März 1782 zu Müllverstädt bei Mühlhausen in Thüringen geboren und stammt aus einer ursprünglich österreichischen Adelsfamilie. Einer seiner Vorfahren verließ im Anfang des vorigen Jahrhunderts Heimath und Besitz, um nach Sachsen auszuwandern und daselbst zu Luther’s Lehre überzutreten. Seitdem wandten sich die Vorfahren des Jubilars ausschließlich dem geistlichen Stande zu. Auch er selbst wurde dazu bestimmt, als ein Brief des dem Vater befreundeten Buchhändlers G. C. Keil in Magdeburg eine plötzliche Wendung in seinem Leben herbeiführte. „Wilhelm mag nur,“ heißt es in diesem Briefe aus dem März 1797, unverzüglich nach Magdeburg kommen. Er wird auf dem Wege des Buchhandels leicht mehr finden, als ihm die Laufbahn des Theologen je gewähren kann.“ Der Vorschlag wurde angenommen, und nach einer sechstägigen Reise auf einem mit Leinwand überzogenen Karren gelangte der fünfzehnjährige Knabe mit zehn Thalern in der Tasche mehr todt als lebendig in Magdeburg an. Daselbst stieg er im Gasthof zum „Großen Christoph“ ab, welcher später sein Eigenthum und von ihm zur Buchhandlung umgewandelt wurde.

Im Jahre 1807 kam er nach dem Tode G. C. Keil’s in den Besitz der Buchhandlung und hat dieselbe bis 1876, seit 1840 im Verein mit seinem Sohne Theodor, verwaltet. Sein Hauptfeld buchhändlerischer Verlagsthätigkeit war das theologische. Predigten von Ahlfeld, Schleiermacher, Arnd, Dräseke, Eylert, Theremin, Westermeyer, Krummacher, Tholuck und Andern sind bei ihm erschienen. Auf seinen Betrieb entstand das große Handwörterbuch der deutschen Sprache von Heyse, sowie die „Encyklopädie der classischen Alterthumskunde“ von Schaaff. Die „Betrachtungen über die trostvollen Wahrheiten des Christenthums bei der letzten Trennung von den Unsrigen“ von Eylert, dem Biographen Friedrich Wilhelm’s des Dritten, erlebten fünf Auflagen und machten die Königin Luise zuerst mit dem Verfasser bekannt. Auch der dritte Band von Goethe’s Gesprächen mit Eckermann erschien anfangs bei ihm. Ebenso trugen die pädagogischen Schriften von Probst Zerenner, sowie gute Uebersetzungen Plutarch’s, Tibull’s und Anderer, die Werke Delbrück’s, des Erziehers des Königs Friedrich Wilhelm’s des Vierten, wesentlich dazu bei, seine Firma zu einer der geachtetsten in Deutschland zu machen.

Eine Reihe Buchhändler ist aus seiner Schule hervorgegangen, unter Anderen Brockhaus (Korn) in Breslau, Weber in Bonn, Büchting in Nordhausen, Al. Cosmar in Berlin, Hänel in Berlin, Morin in Stettin, Jul. Schuberth in Hamburg, G. Schlawitz in Berlin, Otto Meißner in Hamburg, G. Reusche in Leipzig, E. Focke in Chemnitz, Th. Kay in Cassel. Dazu machte sein regelmäßiger Besuch der Leipziger Messe den alten Herrn mit der Zeit zu einem wahren Mittelpunkt der deutschen Buchhändler. Das Vertrauen, welches ihm entgegengebracht wurde, beweist seine vielmalige Wiederwahl in den Vergleichsausschuß, sowie eine große Anzahl von Anerkennungsschreiben. „Wir haben in die Tafeln der Geschichte unseres Handelsplatzes.“ heißt es in einem derselben, welches der Rath der Stadt Leipzig den 1. Januar 1858 an Heinrichshofen richtete, als dieser die Leipziger Messe zum fünfzigsten Male besuchte, „die seltene Thatsache einzutragen, daß Sie ein halbes Jahrhundert hindurch die Buchhändlermessen unserer Stadt besucht und während dieses langen Zeitraumes durch den Umfang wie die Ehrenhaftigkeit Ihres Geschäftsbetriebes zur Erhöhung der Bedeutsamkeit dieser alljährlichen Vereinigung deutscher Buchhändler wesentlich mit beigetragen haben.“ Seitdem ist er noch achtzehnmal in Leipzig gewesen.

Trotz dieser großen Thätigkeit im Geschäft wußte er sich zu einem Hauptförderer der Kunst aufzuschwingen. Sein Haus war lange Jahre hindurch der Mittelpunkt des musikalischen Lebens der Stadt, und fast alle Künstler, welche unser Jahrhundert auf diesem Gebiete hervorgebracht hat, sind, soweit sie sich vorübergehend in Magdeburg aufhielten, in seinem Hause eingekehrt: in seiner Autographensammlung finden sich Namen wie Iffland, Holtei, Immermann, Henriette Sontag, Catalani, Schroeder-Devrient, Paganini, Lortzing, Marschner, Liszt, Spohr, R. Wagner, Rubinstein, Hummel und andere. Diese Vorliebe des Vaters für die Musik gab auch dem Sohne den Anstoß, den Verlag mehr der musikalischen Seite zuzuwenden.

Was aber den Greis Allen, welche ihn näher kennen, lieb und werth macht, ist sein wohlthätiger Sinn und eine seltene Bescheidenheit. Abgesehen davon, daß er von dem Adel seiner Vorfahren nie Gebrauch gemacht hat, lehnte er auch den Titel eines Commerzienrathes ab, und der Adlerorden, welcher ihm darnach verliehen wurde, hat nie seine Brust geziert. Ein Armer aber, der ihn ansprach, fand stets eine offene Hand. Ehre dem wackeren Alten!