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Eine Max Liebermann-Ausstellung

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Textdaten
Autor: Max Linde
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Titel: Eine Max Liebermann-Ausstellung
Untertitel:
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Herausgeber: Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit
Auflage:
Entstehungsdatum: 1899
Erscheinungsdatum: 17. September 1899
Verlag:
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Erscheinungsort: Lübeck
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft: Lübeckische Blätter 41 (1899) Heft 38 vom 17. September 1899, S. 460 und Beilage zu Heft 38 S. 1
Quelle: Exemplar der Harvard University digitalisiert von Google
Kurzbeschreibung: Bericht des Kunstsammlers Max Linde über eine Ausstellung der Sammlung Albert Kollmann mit Werken Max Liebermanns in der Lübecker Katharinenkirche 1899.
Linde und Kollmann kamen über Liebermann in Kontakt und wurden zu großen Förderern des Malers Edvard Munch
Eintrag in der GND: [1]
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Eine Max Liebermann-Ausstellung.

In der Catharinenkirche ist jetzt neben den fleißigen Werken von Fräulein E. Reuter, die ein ernstes Eingehen in die Natur und großes Talent verraten, und dem etwas akademischen Bilde Fugels eine kleine, aber bedeutende Sammlung eines Lübecker Privatmannes ausgestellt, die wohl eines Besuches wert ist.

Wir Lübecker beklagen uns oft, daß so wenig bedeutende Kunstwerke in unsere abseits von den großen Kunstzentren gelegene Stadt verschlagen werden. Wird aber wirklich einmal große Kunst hierher gebracht, so leiden die Ausstellungen unter Mangel an Besuch, wie z. B. auch jetzt wieder die im Kunstgewerbemuseum neu ausgestellte herrliche Collection von Keller und Reiner. Vergeblich ist das Hoffen, daß von den Sachen einige in Lübeck gekauft werden. Nein, das Publikum hält es nicht einmal für der Mühe wert, sich dieselben anzusehen.

Wenn wir trotzdem den Mut nicht sinken lassen dürfen und immer und immer wieder Werke zeigen und auf sie aufmerksam machen müssen, die Kunstwert und damit Kulturwert besitzen, so geschieht es in dem Glauben und der Hoffnung, daß nur durch immerwährendes Sehen und Betrachten großer Kunstwerke der Geschmack geläutert werden kann und damit der Zerstörung und unschönen Modernisierung unserer herrlichen Vaterstadt Einhalt gethan werden kann. Wie alte Kunst sich mit moderner verträgt, zeigt die Ausstellung in der Catharinenkirche. Sie bedarf noch einige Worte der Erklärung.

Im ersten Momente mag der Künstler Max Liebermann in seinen Werken etwas Ungewohntes, allzu Kräftiges haben. Jedoch nur einen Augenblick. Vertiefen wir uns in dieselben, so erkennen wir, daß seine Kraft nicht brutal, sondern lebendig, schöpferisch gestaltend ist, daß sein Temperament lebhaft, sich ganz erschöpfend in den Werken ausspricht, daß sein Empfinden ohne weichlich, elegisch oder rührsam zu sein, von edelster, reinster Wahrheit ist. Es ist ein Hauch der Natur selbst, der über diesen Kunstwerken liegt.

Gleich rechts vom Eingang hängt das charaktervolle, markige Porträt des Künstlers, von dem bedeutenden Maler Anders Zorn radiert. Die nervös emporgezogenen Augenbrauen, der durchdringende und doch sinnende Blick, die ganze rastlose Energie des Künstlers Liebermann, die elegante Mache geben in diesem Blatte eine Paraphrase der ganzen Liebermann'schen Kunst.

Denn nervös wie der Mensch Liebermann ist seine Kunst und besonders seine Radierungen, in denen sich der Künstler am wahrsten ausgesprochen hat. Wunderbar ist die Einfachheit seiner Mittel. Wann je hat ein Künstler seit Rembrandt mit so wenig Mitteln solch zauberische Wirkung erreicht? Man muß schon Rembrandt's Radierungen „das Landgut des Goldwägers" oder „die drei Eichen" heranziehen, um einen Vergleich zu diesen Liebermann'schen Radierungen zu bekommen. Liebermann verbindet wie Rembrandt warmes Naturempfinden, echte aufrichtige Wahrheit mit vornehmem Geschmack. Er ist kein brutaler Künstler, als welchen Leute, die sich nicht Mühe geben, ihn kennen zu lernen, ihn gerne hinstellen möchten. Er copiert nie die Natur, sondern formt und gestaltet sie. Bald ist es die leicht geschwungene Silhouette eines in den Dünen vergrabenen holländischen Dorfes, bald ist es das Motiv einer Dorfstraße mit dem Spiel des Lichtes auf den alten zerfallenen Giebeln, bald eine Magd mit der weidenden Kuh. Überall fesselt das schöpferische Gestalten, fesselt der geniale Strich der Nadel, fesselt vor allen Dingen der an Millet gemahnende Ernst des Lebens. Seine Gestalten leben und sind Fleisch und Blut. Da ist nichts von Pose, von Berechnung, von Akademie. Wenn je ein Künstler eine Beziehung zur Natur gehabt hat, jener großen Natur, an deren Brüsten, seitdem es überhaupt gestaltende Menschen giebt, die Künstler sehnsüchtig gesogen, so hat Max Liebermann sie gehabt. Und dieselbe Unmittelbarkeit, das Drangeben seiner ganzen Person, wie es sich in seinen Radierungen ausspricht, findet sich auch noch in seinen Gemälden. Liebermann ist auch ein großer Colorist. Welch vornehme Tonscala findet sich in der ausgestellten Dorfstraße. Die Skizze des Mannes mit den Papageien, eine Scene aus irgend einem zoologischen Garten, ist ein Non plus ultra an lebhafter Farbengebung. Zwei kleine Aquarelle sind von entzückender Feinheit.

Ferner sind zwei Gemälde von Alfred Stevens ausgestellt, jenem kühnen Bahnbrecher, welcher schon in den siebziger Jahren die Probleme der Lichtbrechung studierte und sogar dem großen Edouard Manet den Weg wies. Das eine Bildchen, ein Cabinetstück, das seiner Zeit die Bewunderung vieler Maler erregte, stammt aus dem Ende der siebziger Jahre und zeigt, mit welcher Sicherheit bereits damals Stevens das „Double lumiere" und die schwierigsten Lichtprobleme spielend überwand. Eine junge Dame, aus dem Garten in das Atelier des Künstlers tretend, in der Hand einen Strauß frisch gepflückter Blumen haltend, lehnt sich plaudernd an die offene Thürumrahmung. Die Sonne spielt in den roten Haaren, die ganze interessante Erscheinung ist von Licht umflutet, das sich hundertfältig an ihr bricht. Das andere Gemälde, ein Köpfchen, zeigt Stevens als den liebenswürdigen Maler schöner Frauen, worin er später Weltruhm erlangen sollte. Besonders fein ist das wunderbar gemalte Haar gelungen.

Ein kleines Meisterwerk von Gabriel Max reiht sich daran. Es ist trotz der skizzenhaften Behandlung einer der glücklichsten Würfe des Künstlers, aus jener Zeit, wo derselbe noch nicht in spiritistischen Mummenschanz versunken war. Die Composition ist reizend. Ein Amor steht mit verbundenen Augen auf einem Caroussel, in dem Liebende sitzen. Die Paare stechen nach einem Herzen, während der blinde Gott die Geige spielt. Die ganze Natur scheint sich im wilden Taumel mitzudrehen. Die glühend sinnlichen Farben der Palette lassen uns das Ganze als ein seltsames, vielleicht erlebtes Traumbild erscheinen.

Neben den genannten Werken enthält die Sammlung noch kleine Kabinetstücke von anderen hervorragenden Künstlern, z. B. dem leider für die Kunst zu früh verstorbenen Otto Dörr, von dem die Dresdener und Schweriner Galerien so bedeutende Werke besitzen, ferner von dem talentvollen Hamburger Eitner, sowie von dem genialen Tiermaler Tooby.

Die Sammlung ist eigenartig und in sich geschlossen. Sie repräsentiert ein Stück bester moderner Kunst vom Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Unter den Radierungen finden sich Blätter, die überhaupt nicht mehr im Kunsthandel zu haben sind. Jedes Blatt ist vom Künstler selbst gedruckt und mit seinem Namen versehen. Schwerlich wird in Lübeck wieder eine solche Sammlung zu sehen sein. Hoffentlich bleibt sie unserer Vaterstadt erhalten, indem das Museum sich entschließt, sie zu erwerben.

Dr. M. Linde