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Eine Mahnung an die Deutschen

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Textdaten
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Titel: Eine Mahnung an die Deutschen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 4, S. 49
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Eine Mahnung an die Deutschen.

Es ist kein gutes Zeichen, daß wir Deutschen uns so oft das Beispiel anderer Völker vorhalten lassen, wenn es gilt, Hebel anzusetzen an eine große Sache. Das alte Lied von Zerrissenheit und Spaltung, die endlose Nibelungenklage unseres Volks, scheint uns aber in den meisten Fällen so wohl zu gefallen, daß wir es bei dem wehmüthigen Gefühl bewenden lassen, welches seine Töne hervorrufen; der Deutsche träumt unter’m Schild so lang, bis ihm der Feind den zerklobt, dann erinnert er sich, daß er ein Schwert an der Seite trägt. Aber ein Wunder ist geschehen in der neuesten Zeit, auf das die ganze Welt staunend die Augen gerichtet; Deutschland hat den Traum auf Minuten aus dem Haupte geschüttelt und ist einig, seit langen Jahren wieder zum ersten Mal einig, auferstanden, um seiner großen Männer Einen zu feiern, wie sich’s gebübrt dem Stolz und der Dankbarkeit eines Volks. Hoffentlich ist die gehobene Stimmung des Festes noch nicht ganz verrauscht; sie sei benutzt zu einem lauten

Aufruf an alle Deutsche,

welchen die Ehre ihres Vaterlandes am Herzen liegt. Möge er Wiederhall finden, so weit die deutsche Zunge klingt!

Blickt nach England! Wenn dort ein Mann dem Dienste der Wissenschaft, der Erforschung des Unbekannten sein Leben weiht, so darf er dies muthig und fröhlich thun, denn er weiß, hinter ihm steht eine ganze Nation, die jeden seiner Schritte zählt. Der heldenmüthige Franklin ist, nachdem er vor Jahren mit seinen Gefährten in den Eiswüsten des Nordpols verschwunden, mit zäher Beharrlichkeit so lange gesucht worden, bis man endlich die ersten Spuren seines Looses entdeckte; aber damit begnügt sich die britische Mannhaftigkeit nicht; sie sagt: Es ist zwar nicht wahrscheinlich, aber möglich, daß noch Mitglieder jener Expedition hülflos unter den Eskimo’s umherirren; dieser Gedanke legt uns die Verpflichtung auf, das Mögliche zu versuchen. Und eine neue Expedition nach den arktischen Meeren wird ausgerüstet; ganz England wird jubeln, die ungeheuren Summen reich erstattet wähnen, wenn sie auch nur den ärmsten, letzten Matrosen des Erebus zurückbringt.

Was England in dieser Hinsicht kann, das können auch wir Deutsche, wenn wir wollen, d. h. einig sind. Einer der besten Söhne unseres Vaterlandes,

der kühne Afrikareisende, ist in dem fast unbekannten Lande Wadai verunglückt, ohne daß es bisher gelungen wäre, über sein Schicksal sichere Nachricht zu erhalten. Wichtige Schätze der Wissenschaft sind mit ihm verloren gegangen. Die englische Regierung, in deren Auftrag er reiste, hat bis jetzt nur auf dem Wege des Notenwechsels mit dem Consul in Tripolis etwas in dieser Sache gethan; ein begeisterter Deutscher, von Neimans, starb plötzlich in Kairo, gerade als er im Begriff stand, den verschollenen Landsmann aufzusuchen, ein zweiter, der junge Roscher, ist auf eigene Faust und nur auf geringe Hülfsmittel angewiesen einem würdigen Impuls zu gleichem Zweck gefolgt, und dringt gegenwärtig in’s Innere des Welttheils der Räthsel ein. Wenn nicht ein unglaubliches Glück ihn begünstigt, so wird er unverrichteter Dinge zurückkehren! Denn dort im Lande der Schwarzen, wie bei uns Weißen und Weisen, vermag Geld und Gut Alles: der nur erhält Schutz, welcher Geschenke bringt; der nur gewinnt Ansehen, der sich mit dem Schein des Reichthums, der Macht zu umgeben versteht.

Wollten alle wackeren Männer und Frauen Deutschlands nur ein kleines Scherflein einer guten Sache widmen, so würde ohne Zweifel das hinreichende Capital zusammenkommen zur Ausrüstung einer Expedition in das Innere Afrika’s, welche die schöne Aufgabe hätte, dem trauernden Vater Eduard Vogel’s, seiner vom Gram um ihn gebeugten Mutter, seinen Geschwistern und Tausenden im weiten Vaterland das Herz zu erleichtern, sichere Kunde zu bringen. Sie würde ferner darnach zu streben haben, seiner Aufzeichnungen, welche auch im schlimmsten Fall gewiß aufbewahrt worden sind, habhaft zu verden und genaue Notizen über seine Erlebnisse zu sammeln; sie würde zugleich dem kühnen Albrecht Roscher entgegenziehen und ihm den Gruß und Dank der Heimath bringen. Was sie selbstständig erforschen würde, wäre neuer Gewinn für die Wissenschaft.

Man rufe nicht: Es ist Englands Sache, das ihn geschickt, dem Verlorenen nachzuforschen! Nein, es ist die Sache eines jeden gebildeten Menschen, in einer solchen Angelegenheit zu thun, was er kann, und doppelt diejenige des Vaterlandes, Söhne, auf die es stolz sein kann, nicht achtlos in der Fremde untergehen zu lassen. Zeigen wir dem stolzen England, daß auch bei uns der Brudersinn, der Gemeingeist, die Nationalehre zu finden sind, die man uns so häufig schon abzustreiten gewagt hat! Ein Verein möge sich bilden, der über ganz Deutschland sich rasch verzweigt, Männer mögen an seine Spitze treten, welche dem Volke werth sind. Fürsten und Staaten werden sich einer solchen Unternehmung gewiß nicht entziehen, und an den geeigneten Persönlichkeiten für die Ausführung selbst wird es am wenigsten fehlen, denn wo noch in der Welt ein unbekannter Raum auf der Karte verzeichnet war, da sind es immer die deutschen Pioniere zuerst gewesen, welche ihn muthig durchforschten.

Möge dieser Aufruf ein Echo finden in allen deutschen Herzen! Aber bald – denn Jahre sind schon in banger Ungewißheit vergangen. Möge, wenn vielleicht im Laufe weniger Monden aus dem Norden gen Süden vom Blitz getragen die Kunde fliegt: Franklin’s Gefährten sind gefunden! – lebend oder todt – vom Süden nach Norden die Gegen-Botschaft erklingen: Eduard Vogel ist gefunden! – lebend – oder todt.