Eine Künstlerhuldigung im Waffenrocke
[616] Eine Künstlerhuldigung im Waffenrocke. In M. in Westphalen besteht eine Liedertafel, welche sich viel mit Aufführungen der Compositionen von Julius Otto beschäftigte und deshalb den Meister hoch in Ehren hält. Nach einer Aufführung der „Mordgrundbruck“ sandten die Aufführenden dem Componisten ein Album mit der Photographie der Einzelnen unter Bezeichnung ihrer Rollen. Der Aufruf zu den Waffen hob die Sängergesellschaft auf. Sie fanden sich aber als Landsleute in Einem Regiment wieder zusammen und konnten da Abends im Bivouac noch manchmal dafür sorgen, daß der edle Sang nicht außer Uebung kam. Das Schicksal des Krieges führte sie alsbald nach Dresden. Nach Dresden – da wohnt ja der liebe Meister Julius Otto. Der mußte jedenfalls begrüßt werden, was hätten die sonst in der Heimath gesagt. Allein er gehörte jetzt zu den Landesfeinden. Ei, was, die Musen führen keinen Krieg. Kurz, es ward beschlossen, und gegen Abend zog auf einmal eine militärische Patrouille vor das Haus des beliebten Liedercomponisten. Als er die vielen Pickelhauben aus seinem Fenster sah, mochte es dem alten Herrn wohl etwas sonderbar zu Muthe sein, als diese aber plötzlich anhuben und eine seiner Weisen in kräftigem vierstimmigem Chor zu ihm hinaufdrang, da wurde es dem Meister gar wohl und selig um das Sängerherz. Er trat an’s Fenster, grüßte und dankte für diesen deutschen Sängergruß.