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Eine Dame im Atlaskleid (Gemälde der Dresdener Gallerie)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Adolph Görling
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Titel: Eine Dame im Atlaskleid
Untertitel: Von G. Terburg
aus: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie
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Erscheinungsdatum: 1848−1851
Verlag: Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne
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Erscheinungsort: Leipzig und Dresden
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Quelle: Scan auf Commons
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Eine Dame im Atlas-Kleid.     A Lady in a Satin Dress.

[234]
Eine Dame im Atlaskleid.
Von G. Terburg.

Gerhard Terburg, auch Terborch genannt, einer der größten Maler Hollands, kann mit Recht als der Vater der Conversationsmalerei angesehen werden, in welcher Dow, Mieris, Metzu und Netscher so große Erfolge errangen. Es ist vielleicht aus der Ursache, weil Terburg in Holland zuerst diese Richtung verfolgte, daß man sich gewöhnt hat, ihn als den vorzüglichsten Meister in der Schöpfung von Conversationsstücken zu betrachten. Man führt auch für Terburg’s Ueberlegenheit den Umstand an, daß namentlich die obengenannten Maler ihn stets als ihr unerreichtes Vorbild betrachteten.

Doch möchte es Terburg schwer werden, definitiv vor einem Dow, Mieris und Netscher den Rang zu behaupten. Terburg’s Phantasie reicht zu einem vollen Genrebilde nur selten aus und er begnügt sich meistens mit höchst einfachen Situationen, die sich in der Regel alle innerhalb desselben, sehr enggezogenen Kreises bewegen. Selbst die gepriesensten Gemälde Terburg’s verleugnen selten eine eigenthümliche Inhaltsleere, an welche sich der Beschauer erst gewöhnen muß, um die Kunst des Darstellers völlig zu würdigen. Terburg, welchem die Erfindungsgabe so ziemlich fehlt, wiederholte sich so oft, wie kaum ein anderer Maler. Der Drang zum wahren Schaffen in der Kunst beschränkt sich bei Terburg auf den Drang zum bloßen Malen. Das aber versteht Terburg auf eine so eminente Weise, daß ihn die niederländischen großen Maler, welche seiner Richtung folgten, selten erreichen und nie übertreffen. Das Kraftvolle bei aller Feinheit der Ausführung, das Geistreiche in der Auffassung, welches uns aus den Bildern entgegenstrahlt, die Dow und Mieris malten, als sie sich von Terburg’s beschränkter Weise emancipirt hatten, besitzt Terburg nicht; doch ist er an treffenden, feinen Nuancirungen des Ausdrucks seiner wenig bewegten Gestalten bei weitem reicher, als Kaspar Netscher in seiner letzten, so überfruchtbaren Periode. Am verwandtesten dürfte dem Terburg Metzu sein, obgleich der letztere immer noch mehr geistige Beweglichkeit besitzt.

Terburg’s Figuren gehören meist immer den höhern Ständen an und zeigen eine Vornehmheit in Haltung und Miene, eine feine Gemessenheit, wie sie kaum ein anderer Maler darstellen kann. Eine eigenthümliche Grazie liegt in diesen Personen, ohne daß man jedoch jedem [235] Maler das absichtliche Ringen nach anmuthigen Haltungen vorwerfen könnte. Terburg’s Zeichnung ist ungemein correct, leicht, frei, zierlich. Der Ausdruck seiner Köpfe ist mehr anmuthig als charakteristisch; Härten in den Zügen derselben findet man nicht. Das Effectvolle verschmäht der Maler beständig. Harmonisch und milde wie die Zeichnung ist auch das Colorit, und in diesem und in der herrlichen Beleuchtung liegt Terburg’s größte Kraft. Alles ist bei ihm auf’s Sauberste ausgeführt, ohne daß der Gedanke an Aengstlichkeit der Behandlung je aufkommen könnte. Es ist bei Terburg eine feine, leichte und breitere Malerei als sie etwa Dow aufzeigt, dem man oft die Mühe ansieht, welche ihn seine Arbeit kostete.

Die Harmonie der Färbung bei Terburg ist unvergleichlich, dazu kann sie kaum wärmer und voller sein. Es ist ein Terburg’sches Stück mit einem Zauber der Färbung angehaucht, wie ihn keiner seiner Nebenbuhler in der Gewalt hat. Auch ist er in der Verdämpfung der Farben, namentlich in der Luftperspektive vollendeter Meister. Zeugstoffe wußte er mit herrlichster Wahrheit darzustellen.

Die Dame, welche auf diesem Bilde die Hände wäscht, während die Zofe aus einem silbernen Gefäße Wasser drüber gießt und mit der linken Hand ein Becken unter hält, hat Terburg sehr oft gemalt. Es wird Terburg’s Gattin sein: eine frische, zarte Blondine, mit unverkennbar holländischem Gesichtsschnitte. Sie ist fast jedesmal wie hier im reichen weißen Atlaskleide, oder trägt eine Pelzjacke. Zuweilen ist sie neben vornehmen Herren oder Offizieren dargestellt, oder sie musicirt, oder empfängt Unterricht, oder läßt sich einen Brief überreichen.

Terburg hat während seiner langen Laufbahn viel gemalt und die besten Gemäldegallerien sind reich von seiner Hand geschmückt. Dresden hat allein drei Bilder, auf welchen diese blonde Dame dargestellt ist. Sehr oft wird das Bild Terburg’s genannt, welches „die väterliche Ermahnung“ betitelt ist; er wiederholte dies Stück öfter. Noch sind zwei Bilder zu erwähnen: die Beschwörung des Friedens zwischen den Niederlanden und Spanien zu Münster am 15. Mai 1648, worauf sich neunundsechzig Portraits von Gesandten der europäischen Mächte befinden, und ein alter Klosterhof mit einer Schleifmühle, die ein Pferd treibt, während der Schleifer arbeitet, der Eigenthümer des Instruments ruhig wartet und eine Frau ein Kind von Ungeziefer reinigt. Man steht auf beiden Bildern den Meister in einer andern Weise wirken, als gewöhnlich. Das erstere Stück ist in Amsterdam, das andere in Berlin. Die humoristische Schleifmühle behauptet einen bedeutenden Kunstwerth.

Terburg, um 1610 geboren, stammte aus einer alten Familie aus Zwoll und war der Sohn eines dortigen Malers. Von einem namhaften Meister wurde Terburg nicht gebildet. Er machte eine Kunstreise durch Deutschland, ging nach Italien und blieb längere Zeit in Rom, als ein eben so unverfälschter Niederländer wieder gehend, wie er gekommen war. Zur Zeit des westphälischen Friedensschlusses befand sich Terburg in Münster, ein hochgeehrter Künstler, dessen Bildnisse ungemein theuer bezahlt wurden. Dann reiste er nach Madrid, vom Könige eingeladen, und ward hier sehr ausgezeichnet, sogar zum Ritter des Reichs ernannt. Hier in Madrid malte Terburg eben so wie in London, welches er später besuchte, fast nur Portraits. Auch in Paris hielt er sich länger auf. Seine Bildnisse waren sehr ähnlich und hatten dabei die geschätzte Eigenschaft, daß der Maler unwillkürlich eine sanfte Anmuth über seine Gesichter und Figuren ausgoß.

[236] Endlich setzte er sich in Deventer zur Ruhe und ward hier Bürgermeister. Er starb 1681. Terburg wird als ein sehr schöner Mann geschildert, welcher es durch feine Sitte und edlen Charakter verstand, alle Herzen, besonders diejenigen der Damen, zu erobern. Seine Gemälde zumeist in festen Händen, steigerten sich fortwährend an Werth, so daß einige derselben, wenn sie zufällig los wurden, mit 6000 Thalern und 45,000 Francs verkauft sind.