Zum Inhalt springen

Ein wunderlich und kläglich Geschicht, in Holland von zweien Schwestern geschehen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Ein wunderlich und kläglich Geschicht, in Holland von zweien Schwestern geschehen
Untertitel:
aus: Deutscher Liederhort,
S. 79–80
Herausgeber: Ludwig Erk
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Th. Chr. Fr. Enslin
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Wikimedia Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[79]
25b. Ein wunderlich und kläglich Geschicht,
in Holland von zweien Schwestern geschehen.
(„Ins Pentzenawers Thon.“)
1.
Ach, wer will hören singen

ein Lied in dieser Frist?
Von wunderlichen Dingen
in Holland gschehen ist
von zwei Schwestern mit Sitten,
die ein reich wollt verstahn;
die arme that sie bitten,
aber sie hats nicht than.

2.
Die Arme hätt sechs Kinder,

die litten Hungersnoth,
sie hatt ihr mehr noch minder;
ihr frommer Mann war todt.
Die Kinder weinten sehre,
die Mutter kunnts nit lahn,
die ruft zu Gott dem Herren,
daß er ihr wöllt beistahn.

[80]
3.
Die Nachbauren geleiche

sprachen mit gutem Bscheid:
Eur Schwester ist gar reiche,
geht hin, klagt euer Leid;
eur Noth thut die ihr klagen,
darzu euren Gebrech!
Ach nein! thäte sie sagen,
mein Schwester ist zu frech.

4.
Noch that sie laufen eben

zur Schwester in die Stadt,
obs ihr ein Brot wöllt geben;
um Gotts willen sie bat:
„Willt mir kommen zu Steure,
mein Schwester, in der Noth!
ich hab sechs Kinder beim Feure,
drei Tag aßens kein Brot.“

5.
Als die Reich an den Orten

hört, richt sies tapfer aus
und sprach mit frechen Worten:
‚‚‚Ich hab kein Brot im Haus.
Heißt man mich schon die Reiche
und hält mich auch darfür,
ich schwör bei Gott geleiche:
hab keins in meiner Thür!

6.
‚‚‚Hab ich Brot groß noch kleine,‘‘‘

beim Herren schwur sie sehr,
‚‚‚Gott geb, daß es werd Steine;‘‘‘
macht der Wort noch viel mehr.
Die Arme weinet sehre,
gieng zu den Kindlein klein.
Was thät hie Gott der Herre?
Verwandlets Brot in Stein.

7.
Als die Reich thät erfahren,

daß ward zu Stein ihr Brot,
sie war in großen Gfahren,
folgt ihr Schwester mit Noth:
‚‚‚Ach, willt mir das vergeben,
Schwester, das bitt ich dich!
ich will dir Gelds gnug geben,
das glaub mir sicherlich!

8.
‚‚‚Drei Kinder will ich halten,

Schwester, sei guter Ding!
bitt Gott sehr mannigfalten,
daß ers vergeb gähling!‘‘‘ –
Wollt dies Beispiel alleine
annehmen wolgemuth,
daß eur Brot nit werd Steine;
das habt mir hie für gut!

(„Hundert: Christenliche Haußgesenge, welche in andern Kirchen geseng nit begriffen sindt, vnd von frommen Christen mögen gesungen werden etc. Der Erste Theil.“ 8. Am Ende: „Gedruckt zu Nürmberg, durch Johann Koler.“ [1569.] Das. Nr. V.)

3. Nachbaur, mhd. nåch-gebůre (von nåch, nahe), Nachbar. – Gebrech, mhd. gebrěche (gebrëch), Gebrechen, Mangel. – 4. zu Steure, mhd. ze stiure, zu Hülfe, Stütze, Beistand. – 8. gähling, mhd. gæchlingen, plötzlich, jählings (gæhe, gåch, jäh [gäh], eilig, schnell – von gæhen, gåhen, eilen).