Ein unglückliches Grafenkind
[396] Ein unglückliches Grafenkind. Aus Oldenburg im Großherzogthum schreibt uns ein Eisenbahnbeamter, sein Bruder, ein Matrose, sei jüngst von einer Reise aus Laguna (auf einer gleichnamigen Insel in der Campeche-Bai) zurückgekehrt und habe dort einen „Grafen von L.“, den Sohn eines ehemaligen hannöver’schen Hofbeamten, kennen gelernt, und zwar in einem wahrhaft jammervollen Zustande. Der junge Mensch habe ihm erzählt, er sei in Deutschland Zögling einer Cadettenanstalt gewesen und habe in der Abgangsprüfung nicht bestanden, worauf er seine Eltern um die nöthigen Mittel für die Wiederaufnahme des Studiums gebeten habe. Diese seien ihm gewährt worden, er aber habe in der Angst, daß er das Ziel doch nicht erreichen werde, und aus Furcht, mit diesem Geständniß vor seine Eltern zu treten, es vorgezogen, sich als Schiffsjunge auf einem deutschen Schiffe zu vermiethen. Schwächlich, wie er war, und den Strapazen nicht gewachsen, sei er unterwegs erkrankt und in Laguna, wo das Schiff Anker warf, in’s Hospital gelegt worden. Nach langer Krankheit genesen, blieb er, zu körperlicher Arbeit unfähig, als eine Art Krankenpfleger im Spital und erhält für seine Dienste wenigstens das tägliche Brod. Um sich aber nothdürftig wieder kleiden zu können, sei er gezwungen, beim Beladen der Schiffe ab und zu mit thätig zu sein. Der Bruder unseres Gewährsmanns war selbst Zeuge davon und erzählte, es habe ihn gejammert, wie der arme Mensch mit schlotternden Beinen herangewankt sei, die schweren Blauholzblöcke auf der Schulter. Nach jeder solchen Anstrengung liege er wieder krank darnieder. Warum er nicht heimkehre? Auf diese Frage erwiderte er, es nehme ihn seiner Schwäche und seines Kleidermangels wegen kein Schiff mit; die Hauptursache seines Bleibens in der Fremde schien aber auch jetzt noch dieselbe zu sein, die ihn in die Ferne trieb.
Wir geben den direct nicht zu ermittelnden Angehörigen des in Laguna Darbenden mit der Angabe des Ortes die Möglichkeit an die Hand, den Halbverlorenen und Schwergeprüften zu retten. Aber auch der Brief unseres Correspondenten steht, mit dessen ausdrücklicher Erlaubniß, auf Meldung der Betreffenden zur Verfügung.