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Ein seltsamer Flammentod

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Walther Kabel
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Titel: Ein seltsamer Flammentod
Untertitel:
aus: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1909, Siebenter Band, Seite 236–237
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1909
Verlag: Union Deutsche Verlagsgesellschaft
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Erscheinungsort: Stuttgart, Berlin, Leipzig
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Quelle: Commons
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[236] Ein seltsamer Flammentod. – Auf eine furchtbare, im ersten Augenblick ganz unerklärliche Art kamen am Abend des 16. August 1907 eine Dame und ein Herr um, die als Kurgäste in dem Seebade Kittery Point im Staate Maine, Nordamerika, weilten. Der Vorfall wurde von mehreren Leuten beobachtet, welche auf einer Düne in der Nähe saßen. Die mit ihm in Zusammenhang stehende Naturerscheinung ist dann später von Fachmännern an Ort und Stelle untersucht und wissenschaftlich begründet worden.

An dem genannten Abend kamen die beiden Personen von einem längeren Strandspaziergange zurück und waren etwa noch einen Kilometer von den ersten Häusern des Badeortes entfernt, als aus dem sandigen Ufer rings um sie her und ebenso aus dem Meerwasser bis zu einer Entfernung von zwölf Meter von der Küste überall große Gasblasen aufstiegen, die sich an der Luft sofort entzündeten. Die beiden Spaziergänger schienen der Erscheinung zuerst keine weitere Bedeutung beizumessen, hielten sie wahrscheinlich für ungefährliche elektrische Lichtwirkungen. Als sich dann aber die Flammen immer mehr ausbreiteten, bemerkten die Zuschauer von der landeinwärts liegenden Düne, wie die Betreffenden plötzlich unter lauten Hilferufen zu fliehen versuchten. Doch sie waren jetzt nach wenigen Sekunden so vollständig von einem Feuermeer eingekreist, daß man von ihnen bald nichts mehr erblicken konnte. Der Strand brannte auf einer sechzig Meter langen Strecke lichterloh, und das laute knatternde Geräusch, mit dem die Gasblasen zerplatzten, war auf weite Entfernung hin zu hören. Da sich auch große Mengen schwefliger Säure entwickelten, deren betäubenden Geruch der Wind landeinwärts trug, so mußten auch die Leute auf der Düne flüchten.

Inzwischen hatte der Schein des Feuers eine große Anzahl der Badegäste herbeigelockt, die in vorsichtiger Entfernung das unheimliche Schauspiel anstaunten. Erst nach einer halben [237] Stunde sanken die Flammen wieder zusammen und erloschen dann gänzlich. Doch niemand konnte es vorläufig wagen, sich der Unglücksstelle zu nähern, denn der sandige Boden war glühend heiß, und die Luft mit giftigen Dämpfen erfüllt. Stunden vergingen, bis einige beherzte Männer sich aufmachen konnten, um die vollkommen verkohlten Leichen der beiden Unglücklichen zu bergen. Welch furchtbare Hitze die Selbstentzündung der Gase hervorgerufen hatte, ging daraus hervor, daß von den Händen und Füßen der Leichen nichts mehr vorhanden war als wenige Aschenreste und Knochenstückchen.

Diese seltsame Feuersbrunst, die sich kurze Zeit später an derselben Stelle wiederholte, ist dahin erklärt worden, daß sich unter jenem Geländestreifen, wo sich die Gasblasen zeigten, ein in der Entstehung begriffenes Kohlenlager befinden muß, in dem der noch in vollem Gange begriffene Verkohlungsprozeß beständig große Mengen bestimmter Gasgemenge entwickelte, die dann durch eine Verschiebung im Erdinnern plötzliche entweichen konnten und sich durch Berührung mit der Luft entzündeten. Derartige Selbstentzündungen von Gasen gehören nämlich nicht zu den außergewöhnlichen Erscheinungen. Man denke zum Beispiel nur an die Selbstentzündung von großen, der freien Luft ausgesetzten Kohlenlagern, von Verwesungsgasen tierischer Überreste und so weiter. Nur das plötzliche Auftreten so großer brennbarer Gasmengen direkt aus der Erde ist bisher noch nicht beobachtet worden. Um weitere Unglücksfälle zu verhüten, hat die Verwaltung des Seebades Kittery Point die gefährliche Stelle des Strandes sofort einzäunen und am Ufer Warnungstafeln anbringen lassen.

W. K.