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Ein ländliches Fest in Spanien

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Textdaten
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Autor: G. Diercks
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Titel: Ein ländliches Fest in Spanien
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 43, S. 728–729, 740
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[728–729]

Ein ländliches Fest in Spanien.
Nach dem Gemälde von P. Salinas.

[740] Ein ländliches Fest in Spanien. (Zu dem Bilde S. 728 und 729.) Die spanischen Städte entbehrten früher vielleicht noch mehr als heute des Schmuckes der Vegetation, öffentlicher Anlagen und hübscher Gärten. Von Speisehäusern, in denen man im Freien seine Mahlzeiten einnehmen kann, war und ist vollends keine Rede. Ausflüge in die Nachbarschaft waren daher zu allen Zeiten und sind auch gegenwärtig noch sehr beliebte Unterbrechnngen der Eintönigkeit des häuslichen und öffentlichen städtischen Lebens und natürlich für die Jugend besonders erwünscht.

Die Wirte selbst ganz kleiner und ärmlicher Merenderos oder Ventas, Wirtshäuser oder Kneipen, in der Nähe der größeren Ortschaften machen daher stets gute Geschäfte, namentlich wenn sie es verstehen, ihren Gästen den Aufenthalt angenehm zu gestalten. Das Essen und Trinken spielt bei solchen Gelegenheiten eigentlich eine sehr untergeordnete Rolle, denn die Spanier sind im allgemeinen so mäßig und so bescheiden, daß oft die denkbar einfachsten Gerichte auch die verwöhntesten Salonhelden bei solchen ländlichen Gastmählern völlig befriedigen. Dringend erwünscht ist es aber, daß sich in der Gesellschaft einige Musik- und Sangeskundige befinden, denn ohne Gesang, Spiel und Tanz, ohne die Improvisationen kleiner, geistvoller Gelegenheitslieder, der Coplas, ist kein solches Fest denkbar, das bald genug die ganze Nachbarschaft anlockt und sich zum fröhlichen Volksfest gestaltet. Wo erst einmal die Guitarre oder Bandurria erklingt, da ertönt auch bald das fascinierende, aufregende Geklapper der Kastagnetten, und der schöne, feurige Wein thut dann das seinige dazu, die im allgemeinen sehr wenig trinkenden Spanier rasch in Feuer und in die leidenschaftlichste Erregung zu versetzen. Freilich kommt es dabei oft vor, daß schließlich ein leichter Rausch und die schnell erwachende Eifersucht die für weibliche Schönheit so sehr empfänglichen Männer in Streit bringen, und nur zu häufig enden solche fröhliche Feste mit „dem Klappen des Messers“, das stets Trauer nach sich zieht.

Bei diesen Festen trägt jeder Teilnehmer das Seine zur Belustigung der Anwesenden nach Kräften bei, sei es durch musikalische Leistungen, sei es durch Erzählung von allerlei Schnurren, sei es durch die Vorführung kleiner Kunstfertigkeiten. Auf unserem Bilde sehen wir ein Beispiel der letzteren Art. Während die beiden schönen Mädchen zur Linken die Huldigungen der jungen Männer anhören und offenbar mit der den Spanierinnen eigenen Schlagfertigleit erwidern, während der in der Mitte sitzende Guitarrespieler vielleicht im Gedanken an seine ferne novia, seine Brant oder Geliebte, für sich auf seinem Instrument phantasiert, ergötzt der daneben am Tisch sitzende Trinker seine Nachbarn durch die Geschicklichkeit, mit der er sich den Wein aus dem hoch erhobenen Behälter in die Kehle fließen läßt.

Schon der Umstand, daß die reich gekleideten Tafelgenossen dies beachten, läßt uns schließen, daß es vornehme Städter, wahrscheinlich Madrider Herrschaften, sind, die mit den Gewohnheiten der Landleute nicht vertraut sind; denn welcher Bauer oder Schäfer würde seinen Wein, den er in der Bota, seinem Schlauch, bei sich führt, anders trinken als so wie es hier dargestellt worden, und wehe dem, der es unternähme, ihnen nach ihrer Art Bescheid zu thun, ohne dies lange geübt zu haben! Hemd und Wams und Beinkleider sind verloren, wenn man als Unkundiger und Unerfahrener zum erstenmal in solcher Weise aus der Bota oder der entsprechend gestalteten Glasflasche trinkt. Der Herr auf unserm Bilde versteht’s – seine Tischgenossen würden aber wahrscheinlich noch vielmehr belustigt sein, wenn er sich das Gesicht und die kostbaren, goldgestickten Sammetkleider mit dem roten Wein begösse.

Nichts Heitereres und zugleich Harmloseres kann man sich denken als diese Picknicks und kleinen ländlichen Feste wie das hier dargestellte; und wohl dem, der an ihnen teilnehmen und unter dem heiteren Lachen, dem Spiel, Gesang und Tanz entzückender, von Lebenslust erfüllter Mädchen und schöner Jünglinge für einige Zeit die Mühen und Sorgen des Alltagslebens vergessen kann! G. Diercks.