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Ein hohes Fest der Glaubenstreue

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Textdaten
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Autor: Friedrich Hofmann
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Titel: Ein hohes Fest der Glaubenstreue
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 32, S. 508–510
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Das Friedensfest in Augsburg
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[508]
Ein hohes Fest der Glaubenstreue.

An dem „Steinthore“ zu Coburg war 1732 eine steinerne Kanzel, nach außen gerichtet, angebaut worden, damit, wie die Chronik erzählt, von ihr aus der Obergeistliche der Stadt jene 6000 „Salzburger Emigranten“ festlich empfangen und mit Gottes Wort trösten und stärken konnte, die ihr Leidensweg aus der Heimath nach Sachsen und Brandenburg vom 21. Juli bis 12. September jenes Jahres zu dieser Stätte führte.

Diese Kanzel gehörte zu den Steinen, welche selber reden. Solche Steine predigen von dem Ernste, der Reinheit und Treue des deutschen Gemüths in allen heiligen Dingen und von der Tapferkeit und dem Opfermuth des deutschen Volkes im Festhalten und Vertheidigen der religiösen Ueberzeugung, zu der es sich einmal bekannt hat.

Die Ueberzeugung aber von dem Heile der Reformation hatte so unaufhaltsam das gesammte deutsche Volk durchdrungen, mit alleiniger Ausnahme der von der Selbstsucht beherrschten Geistlichkeit und der von der Geistlichkeit geleiteten Selbstsucht, daß, ohne die Verbindung der weltlichen Macht mit dem Pfaffenthum, über Deutschland die so oft beklagte Zwietracht im Glauben nicht gekommen sein würde. Die Reformation war ein Fortschritt, dem das ganze deutsche Volk entgegenjubelte. Es ist nicht aus der Geschichte zu vertilgen, daß schon im Jahre 1522 an der Stephanskirche in Wien ein evangelischer Prediger angestellt war und daß Kaiser Maximilian II. seinen Sohn Rudolf vor Angriffen gegen die Protestanten in Wien ernstlich verwarnte, „sintemal fast das ganze Volk und die Handwerksleute in der Stadt lutherisch sind.“

Ja, das Herz des Volkes war hingerissen von der deutschen That des muthigen Mönchs von Wittenberg, das einfache, klare, warme Gotteswort war ihm ein Labsal geworden; vor Allem steht aber als das eigentliche Wesen der Reformation da: das Volk hatte Partei für Gott und Christus genommen, die es von manchen Priestern der herrschenden Kirche durch Prunk und Hoffahrt im Cultus entwürdigt, die Beide es unter dem Marien- und Heiligendienst meist kirchlich vernachlässigt sah, und diese Parteinahme für Gott und Christus war die wahre Quelle jener trotzigen Glaubenszuversicht, die in dem Kampfliede der Protestanten: „Eine feste Burg ist unser Gott!“ sich am herrlichsten ausspricht und die, aller Welt und Gewalt gegenüber auf das Bündniß mit Gott und dem Gottessohn pochend, für dieses Bündniß und seine himmlischen Verheißungen alle Freuden dieses Lebens dahingehen konnte. Mit tiefer Ehrfurcht blicken wir auf jene Menschen zurück, deren Seelen solcher Kraft fähig waren, mit Rührung erfüllt uns ihre fromme Zuversicht in aller Trübsal, mit Wehmuth ihr standhafter Wandel im Elend.

Um so empörender ist die Mißhandlung dieses reinen treuen Volksherzens durch die Gewaltgriffe der Diplomatie, die zu allen Zeiten sich durch ihre Rücksichtslosigkeit gegen das Gefühl der Massen ausgezeichnet. Durch den Passauer Vertrag (31. Juli 1552) schien allerdings die Reformation sicher gestellt und Luther’s weise Mahnung um das, was allein allem Jammer und Unglück der Zwietracht ein Ende machen konnte, um Gewissensfreiheit, endlich erfüllt; aber auf dem Reichstage zu Augsburg, 1555, siegte bei den Bestimmungen des Religionsfriedens die List der Herren über das Volk: die Fürsten hatten vor Allem für ihre politische Machterweiterung über Ritter, Bürger und Bauern gesorgt. „Nur daraus,“ sagt ein deutscher Geschichtsschreiber, „erklärt es sich, wie ein Vertrag geschlossen werden konnte, der unter allen, die jemals in Deutschland verabredet wurden, offenbar der ruchloseste war und der mit Nichts zu vergleichen ist, als mit dem Triumvirat im alten Rom, bei dessen Abschluß die drei römischen Tyrannen sich wechselsweise ihre Anhänger aufopferten und zur Schlachtbank lieferten. Auf diesem ewig mit dem Fluch der Geschichte gebrandmarkten Reichstag wurde der Grundsatz aufgestellt: „cujus regio, ejus religio“, d. h. welchem Glauben der Fürst folgt, demselben Glauben soll auch das Volk folgen. Dadurch wurden nicht nur alle protestantischen Unterthanen katholischer Herren – und auch umgekehrt – der grausamsten Rache preisgegeben, sondern die Religion eines jeden Landes hing von jetzt an von der Laune des jeweiligen Fürsten ab. Gefiel es diesem überzutreten, so mußte das ganze Land mit übertreten, und die Pfalz liefert ein Beispiel, wie auf diese Weise wirklich ein Land seinen Glauben vier Mal wechseln mußte, wobei das Sträuben der Natur und Vernunft durch Kerker, Henker, Brand und Verwüstung besiegt wurde.“

– Ja, wäre in Deutschland an jeder Stätte, wo eine Gräuelthat an einem Menschen um des Glaubens willen verübt worden ist, ein Denkstein errichtet, wir schauderten vor dem Säulenwald, der von den Verbrechen der Deutschen gegen sich selbst zeugte.

Desto höher ehren wir die Denkmale und Erinnerungsstätten, wo die Standhaftigkeit des Volkes einen Sieg des Glaubens feierte. Solcher giebt es nicht viele mehr, die meisten sind vergessen oder verschwunden, wie die steinerne Kanzel in Coburg mit sammt ihrem Thore. Wo aber das Volk ihr Gedächtniß erhalten hat, da feiern noch heute die Enkel die Ehre der tapfern Altvordern. Vor eine solche Stätte wandern wir heute an der Hand der Kunst, die uns zur Zeit des Dreißigjährigen Kriegs in den Hof des Kollegiums zu St. Anna in Augsburg führt.

In dem großen deutschen Glaubens- und Verheerungskriege gehörte Augsburg zu denjenigen freien Reichsstädten Süddeutschlands, die am schwersten zu leiden hatten. Augsburg war ohne seine Schuld in der katholischen Welt zu dem Rufe eines Hauptsitzes der Reformation gekommen, weil es durch den Reichstag von 1530 gleichsam der Taufpathe des neuen Bekenntnisses geworden war. Mehr als in irgend einer andern Reichsstadt, wie in Nürnberg, Frankfurt, Ulm, Reutlingen, Hall, ging die Bürgerschaft in Augsburg mit großer Rücksicht bei der Aufnahme der kirchlichen Bewegung zu Wege; ihr drohten zu mächtige Feinde in nächster Nähe, zudem war die Stadt nicht nur ein Bischofssitz, sondern sie erfreute sich zugleich als eine Lieblingsstätte des Kaisers Maximilian der einträglichen und glanzverbreitenden kaiserlichen Hofhaltung. Wenigstens trat man hier nicht mit wilder, sieglustiger Hast gegen die Verehrer der alten Kirche auf. Denn obwohl die Bürger und ihr Magistrat seit Jahrhunderten mit dem Domcapitel, bischöflichen Ansprüchen und geistlicher Gerechtsame im Kampfe lagen, so hatte ein ganz besonderes Glück gerade damals der Stadt in dem Bischof Stadion einen milden und friedliebenden Mann gegeben. So ging denn die Ausbreitung der neuen Lehre still, aber doch so rasch vor sich, daß schon 1530 der beim Reichstage von Kaiser Karl V. angeordneten Frohnleichnams-Procession nicht hundert Bürger von Augsburg folgten. Wie bewegt aber auch sonst diese Zeit in Deutschland war, hier herrschte zwischen den Anhängern der alten und der neuen Kirche ziemlicher Friede. Selbst die ersten zehn Jahre des Dreißigjährigen Kriegs erschütterten ihn wenigstens äußerlich nicht.

Das Alles ward plötzlich anders, als im Jahre 1629 jener Kaiser Ferdinand II., der in der Geschichte den Beinamen „Deutschlands Unglück“ führen sollte, die Brandfackel seines „Restitutionsedicts“ auch in diese Stadt schleuderte. Die kaiserliche Commission, welche in allen Kreisen des Reichs die Bisthümer, Abteien, Propsteien, Klöster, Hospitäler und sonstigen geistigen Stiftungen, die seit dem Passauer Vertrag, also seit 1552, in den Besitz der Evangelischen übergegangen waren, zu verzeichnen hatte, um sie der alten Kirche zurückzugeben, trat in Augsburg mit besonderer Schärfe auf. Kaiser Ferdinand soll damals gelobt haben, gerade diese Stadt dem römischen Glauben wieder ganz zu unterwerfen, und die Maßregeln der Commission entsprachen einem solchen Gelübde. Am 8. August 1629 wurden sämmtliche (14) evangelische Prediger abgesetzt und die acht fremden darunter mit Weib und Kind in die Verbannung geschickt, alle evangelischen Kirchen gesperrt, mehrere niedergerissen, die Schulen geschlossen und die Lehrer abgedankt.

Damit nicht genug, mußten alle Kinder katholisch getauft werden, [509] die sechs in der Stadt gebliebenen evangelischen Prediger regelmäßig in den katholischen Kirchen erscheinen. Spione schlichen von Haus zu Haus, um zu erspähen, ob irgendwo protestantische Kirchenlieder gesungen würden, oder wer sich weigere, die katholischen Kirchen zu besuchen, denn auch Das war Jedermann streng geboten. Selbst der evangelische Gottesdienst auf dem (untern) Gottesacker und der Besuch der Kirchen von Ulm und Oettingen wurde streng untersagt. Nichtkatholiken erhielten kein Bürgerrecht, nichtkatholische Arme kein Almosen. Wie der Katechismus, so wurden alle übrigen protestantischen Andachtsbücher weggenommen, der fernere Verkauf derselben verhindert. Evangelische Stiftungen gingen ohne Weiteres in den Besitz der herrschenden Partei über, und das St. Annen-Gymnasium sammt der werthvollen Stadtbibliothek nahmen die Jesuiten für sich in Anspruch. So war denn jede öffentliche Aeußerung der religiösen Ueberzeugung, welcher das Volk sein Herz geweiht hatte, unmöglich gemacht, die „Ruhe des Kirchhofs“ hergestellt.

Der Hof des Collegiums zu St. Anna in Augsburg von 1632 bis 1648.

Noch nachhaltiger sorgten für diese Ruhe die furchtbaren Leiden des Krieges, der nun auch über Schwaben seine Brandstätten und Leichenfelder ausbreitete. Wie wenige Jahre genügten, um in dem Herzogthum Würtemberg die halbe Million Einwohner bis auf 48,000 zu vernichten, so verheerend gingen sie auch über Augsburg hin. Die Stadt wurde drei Mal belagert, zwei Mal erobert und erduldete eine viermalige Regierungs- und folglich auch gewaltsame Glaubens-Veränderung.

Die schlimmste Zeit begann mit dem Jahre 1634, und als ob es nothwendig gewesen, daß die einst so blühende Stadt die kommenden Gräuel doppelt fühle, hatte ein kurzes Lächeln des Glücks sie gleichsam erst herbeiziehen müssen. Durch Gustav Adolf’s Siegeszug war im Jahre 1632 auch Augsburg von seinen Drängern befreit. Jetzt waren die Evangelischen Alleinherren, sie erhielten ihre Kirchen und Schulen wieder und beriefen nicht blos ihre Prediger und Lehrer zurück, sondern besetzten mit ihren Glaubensgenossen auch alle städtischen Aemter. Die Zeit der Klage war für die Katholiken gekommen, und sicherlich hat der einmal aufgewühlte Glaubenshaß es ihnen nicht an Ursache dazu fehlen lassen. Da wendete sich abermals das Kriegsglück, Gustav Adolf war gefallen, die Schlacht bei Nördlingen für die Schweden verloren, und das siegreiche kaiserliche und baierische Heer legte sich vor Augsburg, das nun Alles entgelten sollte, was die Schweden in Baiern gesündigt hatten. Vor Allem wurde der großen, volkreichen Stadt alle Zufuhr abgeschnitten. Die Hungersnoth wüthete bald so, daß selbst Mäuse, Leder, Stroh, Aas und endlich sogar das Fleisch der Leichen zur Nahrung diente. Als 60,000 Menschen dem Hunger und der Pest geopfert waren, öffneten die Uebrigen die Thore.

Der unermeßliche Jammer der Besiegten vermochte nichts über die Hab- und Rachgier der Sieger. Alles Eigenthums, aller Rechte, selbst der Kinder beraubt, die in Schaaren fortgeschleppt wurden, um auswärts katholisch erzogen zu werden, sahen die armen Bewohner Augsburgs auch die letzte Freiheit des Unglücks, dem Elend der Heimath durch Auswanderung zu entfliehen, sich entrückt, denn eben weil die Stadt so sehr entvölkert war, durfte Niemand mehr sie verlassen. Obwohl die Fürsten den Krieg längst nicht mehr als bloßen Religionskrieg führten, war im Volk der Glaubenshaß noch ungeschwächt. Eine katholische Obrigkeit gebot nun in der Stadt und zeigte gegen die Evangelischen so wenig, wie diese vorher gegen die Katholischen, daß sie der „Religion der Liebe“ huldige. Nachdem den Protestanten Alles wieder genommen war, was die Katholiken für sich beanspruchten, und das war eben Alles, von den bürgerlichen und kirchlichen Rechten bis zu den Kirchen selbst, gestattete man ihnen nur Eines, aber in diesem Einen liegt der bitterste Hohn von Seiten ihrer Gegner, und aus diesem Einen erblühte für die festen, treuen, unwandelbaren Gemüther der Männer und Frauen, denen so Unerhörtes für ihre religiöse Ueberzeugung zu dulden auferlegt war, der Lorbeer des Siegs, der ihrem Andenken seit mehr als zweihundert Jahren alljährlich von [510] Neuem geweiht wird. Dieses Eine ist: man hatte den Evangelischen Augsburgs zwar alle Kirchen bis zum kleinsten Gotteshäuschen entrissen, aber die Ausübung ihres Cultus verwehrte man ihnen nicht; man wies ihnen dazu den offenen Hof des Collegiums zu St. Anna an.

Und vierzehn Jahre lang war dieser Hof der Augsburgischen Protestanten einzige Kirche und der Himmel ihr Dach. Auch zwei Pfarrer hatte man ihnen gelassen, und diese predigten aus dem Fenster eines der Gebäude des Hofes. Die große Mehrzahl dieser Glaubenstreuen mußte schutzlos im Freien stehen, aber keine Unbill der Witterung und der Jahreszeit verdrängte sie von der einzigen Stelle, wo sie „ihr Bündniß mit Gott und Christus“ aufrecht erhalten konnten![1]

Als endlich, 1648, der Tag kam, wo „die Trompeter durch das ganze Reich flogen, um allen Heeren, allen belagerten Städten, den zitternden Fürsten, dem thränenbleichen Volke und den Ruinen und Gräbern den Frieden zu verkünden“ – war nur für diese Augsburger die Erlösung noch nicht gekommen. Der katholische Magistrat hatte durch Dr. Johann von Leuxelring, der seit 1645 als „Kanzler der Stadt Augsburg“ beim Friedenscongreß in Münster fungirte, Augsburg als eine rein-katholische Stadt darstellen lassen und Alles aufgeboten, um die seit vierzehn Jahren dort herrschenden Zustände zu erhalten. Erst „nach unsäglicher Arbeit, Unkosten, Schreiben und Reisen an die verschiedenen königlichen, kurfürstlichen und fürstlichen Höfe mit anhaltendem Suppliciren und Bitten“ – gelang es den Augsburgern, und namentlich durch den unermüdlichen und muthigen Rechtsgelehrten Johann David Hörwart, endlich die Wiederherstellung ihrer Religionsfreiheit und die Wiedereinsetzung in ihre Rechte und geistlichen und weltlichen Besitzthümer zu erringen. Am 23. Mai 1649, einem Pfingstfeste, wurden alle ihre ehemaligen Kirchen den Evangelischen wieder geöffnet, und am 8. August 1650 feierten die standhaften Protestanten Augsburgs nach einundzwanzigjähriger Trübsal, ihr erstes Dank- und Freudenfest des Friedens und des Siegs.

Sie hatten sich’s verdient, ihr Fest, diese eisernen Alten. Und daß sie, trotz ihrer äußerlichen Starrheit, das rechte, warme, gute Herz dazu mitbrachten, zeigten sie damit, daß sie zwei Tage darnach die Friedensfeier von den Kindern in Kinderweise wiederholen ließen. Sie nannten den Tag das „Kinder-Frieden-Fest“.

Noch heute begehen die Augsburger Augsburgischer Confession beide Feste. Wie vor 204 Jahren zieht am 8. August die evangelische Bevölkerung in die mit Laubwerk, Gewinden und Blumenkränzen geschmückten Kirchen, wo die Prediger die Ehre der Väter und den Sieg ihres Glaubens preisen.

Und dennoch ist dieses Fest nur ein halbes, denn seine andere Hälfte ist Trauer – die alte Trauer über die Zerrissenheit des Vaterlandes, die nicht einmal die Bürger einer Stadt und nicht einmal vor Gott zur vollen Einigkeit kommen läßt! –

Ist’s auch ein schöner, ein wohlthuender Gedanke, die Ehre der Väter heilig zu halten, so sollten wir Deutsche der Gegenwart doch gar ernstlich fürsorgen, daß solche Feste nicht die Zwietracht verewigen. Ist es nicht möglich, von einer solchen Feier den Geist fern zu halten, welcher „den Anderen“ den Stachel des Hasses mit jedem Jahre von Neuem in die Herzen drückt, dann begnüge man sich mit der Thatsache, daß die Ehre der Väter in der Geschichte steht und dort ihre Verewigung findet, soweit Menschen dieses Wort aussprechen dürfen.

Dagegen sollte keine Hand je greifen nach den Kränzen des Kinder-Friedens-Festes des 10. August! Aber reißet an diesem Tage die alten Schranken der Kirchengrenzen nieder, alle Ihr glücklichen Eltern von Augsburg! Laßt Euere Kinder ein gemeinsames Friedensfest feiern, so lange Ihr Alten selbst dessen noch nicht fähig seid! Als die Trompeter durch das Reich flogen, den Frieden zu verkünden, haben Katholiken und Protestanten gemeinsam geweint vor Freude über das Ende der Schrecknisse und vor Schmerz über das Elend des Vaterlandes. Zweihundert Jahre haben die Deutschen nicht besser gemacht, sie lassen noch heute vom Buchstaben sich die Seelen verhärten. So gönnet das Fest des wahren Friedens wenigstens Eueren unschuldigen Kindern! Vielleicht ist der Anblick solcher Einigkeit mächtig genug, um Euch aus Kinderaugen das Wort der Versöhnung zu predigen.

Fr. Hofmann. 
  1. Unser Holzschnitt stellt einen solchen Gottesdienst im Collegiumshofe dar. Das Original der Zeichnung findet sich in einem alten Kupferstichwerke: „Augspurgisches Friedens-Gedächtnis, Das ist: Alle, so genannte, Friedens-Gemälde, welche seit anno 1650 etc. an dem, von Einer Hohen Obrigkeit Aug. Conf. allhier verordneten Kinder-Frieden-Feste, nemlich Mittwochs den 8. Augusti, der sämmtlichen Evangelischen Schuljugend etc. mit einem beygedruckten Carmine ausgetheilet worden.“