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Ein deutscher Fürst für Wilhelm Bauer und seine Erfindungen

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Textdaten
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Autor: Friedrich Hofmann
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Titel: Ein deutscher Fürst für Wilhelm Bauer und seine Erfindungen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 10, S. 159–160
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Ein deutscher Fürst für Wilhelm Bauer und seine Erfindungen.


Die Klage, mit welcher unsere „Schicksals-Parallele“ (in Nr. 8 der Gartenlaube) geschlossen werden mußte, ist in Deutschland nicht unbeachtet verhallt. Mit freudigem Herzen ergreife ich heute die Feder, um allen Freunden unseres Blattes, durch deren werkthätige Theilnahme für Bauer dessen Erfindungen wenigstens vor dem Schicksal eines stillen Untergangs bewahrt worden sind, nun eine Nachricht zu bringen, die sie alle ebenso freudig willkommen heißen werden.

Einem deutschen Manne, wie dem Herzog Ernst von Coburg-Gotha, konnten die Bestrebungen Wilhelm Bauer’s nicht unbekannt bleiben; war er es doch, welcher Bauer, nachdem dessen Erfindungen von den größten deutschen Regierungen zurückgewiesen worden waren, seinem Bruder, dem unvergeßlichen Prinzen Albert, empfahl, und hatte Bauer die Aufnahme und die Unterstützungen, die er in England fand, mittelbar dem Herzog Ernst zu verdanken. Daß die eingeleiteten Unternehmungemn dort [160] scheiterten, lag an englischen Verhältnissen, deren Beseitigung nicht in der Macht der fürstlichen Brüder stand und unter denen ja selbst Prinz Albert nicht selten zu leiden hatte.

Unsere Leser wissen, daß W. Bauer, durch die „Gartenlaube“ der Nation zur Unterstützung empfohlen, in den Stand gesetzt wurde, mittelst unserer Sammlungen und des Vorschusses eines deutschen Patrioten, Herrn F. Streit in Coburg, nicht nur die nothwendigsten Apparate zur Schiffhebung herzustellen, sondern auch die ersten Hebeversuche mit den Ballons und unterseeischen Kameelen an dem baier. Postdampfer „Ludwig“ im Bodensee vorzunehmen. Auch die Ursachen, die diese Herbstarbeiten des vorigen Jahres nicht zum Ziele kommen ließen, haben wir unsern Lesern mitgetheilt; eine derselben muß jedoch nachträglich noch etwas mehr hervorgehoben werden. Der „Ludwig“ würde ohne Zweifel schon damals geborgen worden sein, wenn Herr Bauer nicht, um an den Ausgaben möglichst zu sparen, für die Luftdichtmachung der Ballons ein billigeres Surrogat statt des ursprüglich beplanten Materials angewendet hätte. Diese leider bei der ihm damals zur Verfügung stehenden Summe nothgedrungene Ersparniß hat bittere Früchte getragen; es stellte sich bei der genauen Untersuchung der Ballons im Verlaufe dieses Winters heraus, daß von der Herstellung derselben nach dem ursprüglichen Plane das Gelingen des Unternehmens abhänge, und daß demnach diese erste Durchführung der Erfindung noch bedeutende Opfer erfordere.

In derselben Zeit dieser Erkenntniß stand es gerade mit den Mitteln für Bauer am schlimmsten, ja fast trostlos. Die Einnahmen durch die Sammlungen gingen zwar in derselben gemüthlichen, aber auch in derselben langsamen Weise, wie vom Anfang an, fort; ihre Erträgnisse durften außerdem nicht für Bauer, sondern mußten zur Abtragung der Darlehen verwendet werden. Es drohte bereits die Aussicht, daß dieses ganze Jahr 1863 für die Erfindung verloren gehen würde. Dazu trat eine Gefahr um die andere immer näher an sie heran: drei Amerikaner benutzten die Beschreibungen der Schiffhebung in der Gartenlaube, um in Amerika dieselbe sich als ihre Erfindung patentiren zu lassen, und sie trieben die Unverschämtheit so ungenirt, daß sie selbst die von Bauer gebrauchten Benenuungen der einzelnen Apparate, wie „Taucherkammer“, „Hebekameele“ u. s. w. beibehielten; ferner haben die Dänen sich des Princips angenommen und machen bereits glückliche Hebeversuche mit eisernen Ballons; endlich aber ging mit dem 3. März Bauer’s englisches Patent für seine sämmtlichen auf das Taucherwerk bezüglichen Erfindungen zu Ende, und es möchte, wenn erst Engländer mit englischen Mitteln und englischer Energie diese Sache in die Hand genommen, den Deutschen schwer werden, mit ihnen den Kampf der Concurrenz zu bestehen.

So stand es. Da gelang es Bauer, einen der größten schweizer Industriellen, dessen Name später genannt werden soll, für seine Erfindungen zu gewinnen. Derselbe streckte Herrn Bauer, welcher ihm keine andere Sicherheit als den Werth seiner Apparate dagegen bieten konnte, eine Summe vor, mit welcher allerdings die Erneuerung des englischen Patents und die Verbesserung der Apparate bestritten werden konnte. Mehr aber auch nicht, und da war, nach den vorangegangenen Erfahrungen, wohl zu befürchten, daß die Hast nach Fortsetzung seiner Thätigkeit ebenso, wie seine Bescheidenheit und der Trieb, auch mit unzulänglichen Mitteln das Schwerste zu wagen, unsern Bauer abermals an die Klippe führen werde, an der er wiederholt gescheitert ist: das Mißlingen aus Mangel an den nöthigen Mitteln! Und ebenso gewiß ist, daß ein abermaliges Mißlingen der Hebung ihn und alle seine Erfindungen in Deutschland für immer zu Grunde gerichtet haben würde.

Und diese Gefahr war es, vor welcher Bauer und die ganze so wichtige nationale Angelegenheit nun fest und sicher bewahrt ist. Als Bauer eben im Begriff stand, die Reise nach London anzutreten, gelangte an ihn und den Unterzeichneten eine Einladung zu Sr. Hoheit dem Herzog Ernst nach Gotha. Der Herzog wünschte, über das Wesen der Erfindung, wie über den dermaligen Stand des Unternehmens genau unterrichtet zu sein. Wir folgten der ehrenden Einladung und trafen Beide am 18. Februar in Gotha ein, wo uns, als Gästen des Herzogs, im Schloß Friedrichsthal Wohnung angewiesen ward.

Noch desselben Tags fand im herzogl. Palais die Vorstellung statt, und schon während der Tafel nahm der Herzog Gelegenheit, aus der Vergangenheit des Erfinders und der Erfindung das Wesentlichste zu erfahren. Das Interesse des hohen Herrn zeigte sich sofort als ein warmes für den Mann und seine Sache, und es steigerte sich mit jedem neugewonnenen Einblick in die Großartigkeit und Tragweite der Bauer’schen Erfindungen bis zu unverhohlener Anerkennung und ernster Theilnahme. Für den eigentlichen Vortrag Bauer’s ward vom Herzog sofort die neunte Stunde des Abends bestimmt.

Wir fanden in einem Salon des Palais eine kleine Gesellschaft versammelt, zu der auch als eine wissenschaftliche Autorität Professor Hassenstein zugezogen ward. Bauer’s Planzeichnungen waren aufgelegt, seine Modelle der Taucherkammer und der Schiffhebungsapparate aufgestellt, und eine Wanne voll Wasser stand für die Experimente bereit. Zur bestimmten Zeit erschien der Herzog mit der Frau Herzogin, die schon bei Tafel den Erzählungen Bauer’s mit sichtlicher Theilnahme gefolgt war, und der Vortrag begann. Diesmal saß jedoch kein schweigsames Auditorium da, der Herzog Ernst ließ nichts an sich vorüber gehen, was ihm noch im Geringsten dunkel war. Diese bis in’s Einzelnste eingehenden Fragen führten Bauer zu Erörterungen, namentlich über seine physikalischen Beobachtungen in der Meerestiefe und der eingeschlossenen Luft, zu denen er früher nie in solcher Weise veranlaßt worden war. Bauer ging von seiner ersten Erfindung, dem Brandtaucher, aus und von diesem zur Taucherkammer über, die er in der Wasserwanne arbeiten ließ, und schloß mit der Hebung des Dampfers „Nürnberg“, der, gehorsamer als der böse „Ludwig“, an seinen Ballons sich prächtig aus der Tiefe an die Oberfläche erhob. Während des ganzen Vortrags hielt der Herzog Bauer fest in den Schranken des Praktischen und zunächst Ausführbaren, er ging nicht auf die militärische Anwendung der Bauer’schen Instrumente ein, noch verlangte ihm nach der Auseinandersetzung des Bauer’schen Luftschiffs. Mit stiller, aber tiefer Achtung beobachtete ich diesen ernsten, praktischen, jeder Abweichung in das Gebiet des abenteuerlich Erscheinenden abholden Sinn des Fürsten, und in mir sprach die feste Ueberzeugung: „Der spielt nicht mit dieser Erfindung nur fürstliche Unterhaltung, der will Etwas thun und wird etwas Tüchtiges thun.“

Es war weit nach Mitternacht geworden, als wir, Bauer und ich, aus dem Palais in die stille Straße stiegen, aber in unseren Herzen war es tagesmunter, so freudig schien die Sonne der Hoffnung für unser nun seit vier Jahren gemeinsames mühe- und sorgenvolles Streben nach Durchführung der großen Erfindung hinein.

Am andern Morgen erzeigte uns der Herzog die Ehre, uns zum Frühstück zu sich bescheiden zu lassen. Es ist hier leider nicht der Ort, die reizende Gewächshalle und die häuslich-friedliche Anmuth zu beschreiben, mit welcher die Herzogin den Tisch schmückt; der Raum zwingt, bei der Sache zu bleiben. Der Herzog richtete noch manche nachträgliche Fragen über die Erfindung an Bauer und bestimmte dann die Stunde um vier Uhr des Nachmittags zu einer Berathung über die Mittel und Wege, die für die Erfindung nunmehr nöthig seien.

Dieser Berathung wohnten auch der Geh. Cabinetsrath G. v. Meyern-Hohenberg und Cabinetsrath Dr. Tempeltey bei. Nachdem ich, auf den Wunsch des Herzogs, über die Wirksamkeit des Central-Comités von der Gründung an und über die Erfolge desselben bis zur Gegenwart kurzen Bericht erstattet und den mißlichen Stand der Sache für die nächste Zukunft dargethan hatte, erklärte der Herzog, daß es ihm nicht mehr an der Zeit scheine, mit so geringen Mitteln fortwährend nur auf Erprobung der Erfindung hinzuwirken. Die Erfindung sei genügend erprobt durch die dreimalige Hebung des „Ludwig“ mittelst der Tonnen, gegen die Richtigkeit des Princips sei kein Zweifel zu erheben, es gelte also jetzt nur noch, eine erste Schiffhebung und Bergung vollständig zu sichern, einerlei ob diese am „Ludwig“ oder einem Schiff an den norddeutschen Seeküsten geschehe. Vor Allem sei es nöthig, Bauer von allen Sorgen und Arbeiten zu befreien, die ihn von seiner Hauptaufgabe abzögen, es müsse ihm eine tüchtige Hülfe zur Seite gestellt werden, die alles rein Geschäftliche ihm abnehme, am wenigsten aber dürfe es ihm an ausreichenden Mitteln fehlen, denn bei einer Erfindung von solcher Wichtigkeit dürfe die Höhe der erforderlichen Summe gar nicht in Betracht kommen. Er halte es daher für nöthig, daß für die Durchführung der Erfindung das Comité erweitert werde, daß namentlich Techniker von deutschem Ruf beigezogen würden, und er selbst erbiete sich, diesem Comité beizutreten, um Bauer und seinen Erfindungen für die Zukunft mit all seinem Einfluß den nöthigen Schutz gewähren zu können. Nachdem hierauf der Herzog mich beauftragt hatte, diese seine Ansicht dem Leipziger Comité mitzutheilen, forderte er Bauer auf, eine möglichst genaue Berechnung aller Erfordernisse für die nächste Schiffhebung, nicht Erprobung, aufzustellen und ihm einzureichen, und sicherte ihm im Voraus einen Credit von 10–12,000 fl. zu, damit er in keiner Weise bei seiner nächsten Hebung von den vereinzelten Eingängen der Sammlungen abhängig sei. Was diese Sammlungen selbst betreffe, so sei er überzeugt, daß sie weit reichlicher eingehen und daß auch die Leute des Capitals sich an ihnen betheiligen würden, wenn sie die Zuversicht gewonnen hätten, daß ihre Gaben nicht für unzulängliche Erprobungen, sondern gleich für die Ausführung der Erfindung und dadurch zum wahren Nutzen und zur Ehre Deutschlands verwendet würden. – Damit schloß diese Berathung, deren erhebender Eindruck uns zur nun folgenden Tafel begleitete, während welcher selbstverständlich die Erfindungen Bauer’s mit ihren mannigfachen Schicksalen und Aussichten Gegenstand der interessantesten Unterhaltung waren.

Möchte die Sicherheit, welche für die Ausführung der Erfindung Bauer’s nunmehr dadurch gewonnen ist, daß ein wahrhaft deutscher Fürst sich ihrer mit so werkthätiger Theilnahme angenommen, nun auch neubelebend auf die Sammlungen einwirken; möchte nicht die Philisterklugheit schließen, daß ebendarum jetzt das nationale Unternehmen auch ohne eigenes Zuthun zum Ziele geführt werde. Die Nation darf nicht den Vorwurf auf sich laden, daß sie nicht einmal 12,000 Thaler für eine so populär gewordene Erfindung aufzubringen vermochte, zumal die ganze von ihr dargebrachte Summe einst, nach Bauer’s festem Plane, der Nationalstiftung für deutsche Erfinder zu gute kommen soll. Die Bitte am Schlusse der Nr. 8 unserer Gartenlaube bleibt nach wie vor in voller Berechtigung.

Nicht für die Vergangenheit der Erfindung, nicht für ihre Erprobung, sondern für die Sicherheit der Durchführung derselben bietet Herzog Ernst die Hand, er hat sofort durch Anweisung einer bedeutenden Summe Bauer in den Stand gesetzt, in England selbst die nöthigen Ankäufe zu machen, die Apparate ganz nach seinem Plane zu vervollständigen und an die Hebung mit dem Bewußtsein zu gehen, daß die Mittel zur Durchführung in seiner Hand liegen. Möge der Dank, der dem edlen deutschen Fürsten für diese neue deutsche That gebührt, von der Nation in der rechten Weise bewährt werden! –

Am Nachmittag des 20. Februar verließen wir das gastliche Schloß Friedrichsthal, Bauer, um sofort nach London zu reisen, ich, um an meinen Schreibtisch zurückzukehren. Welcher Unterschied in unseren Herzen zwischen jenem Abend, als wir von den Signalstangen des Ludwig im kleinen Kahne zur Schweizerküste fuhren, hinter uns ein mißlungenes Unternehmen und zertrümmerte Hoffnungen und vor uns keine Aussicht auf die so nöthige rasche Hülfe – und diesem Nachmittag voll fester Zukunft! Gottlob, es gilt einer Sache, die den Neid nicht herausfordert. Jeder brave Deutsche wird Bauer es gönnen, daß er mit einer Brust voll Freudigkeit von dannen fuhr, und mir auch.

Dr. Fr. Hofmann.