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Ein Wintervergnügen

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Textdaten
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Autor: Guido Hammer
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Titel: Ein Wintervergnügen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 165–167
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Nasses Waidwerk
Wild-, Wald- und Waidmannsbilder Nr. 23
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[165]

„Hangen und bangen in schwebender Pein“.
Originalzeichnung von Otto Eberlein.

[166]
Wild-, Wald- und Waidmannsbilder.
Von Guido Hammer.
Nr. 21. Ein Wintervergnügen.


Ruhigem, mildem Schneefall sind sonnenhelle, aber schneidend kalte Tage gefolgt und haben jede stillstehende Wasserfläche mit spiegelblanker Eisdecke belegt. Nur die rasch dahinströmenden Gewässer blieben noch unbezwungen, wenigstens konnte bei diesen der scharfe Frost bisher nur die träger fließenden Uferwellen zu Eis erstarren machen. Alles wilde Wassergeflügel aber ist deshalb von Teichen und Seen – sofern solche nicht warme und darum eisfreie Stellen bieten – vertrieben worden und hat sich auf Flüsse und Bäche geflüchtet, wenn es nicht vorgezogen, gleich weiter südwärts zu ziehen, wohin der eisige Nord, aufgehalten durch die hohe Alpenscheide, nicht folgen konnte, oder doch machtgebrochen nicht mehr im Stande war, das Lebenselement der Wassergeborenen zu starren Krystall zu verwandeln. Lassen wir diese glücklichen, leichtbeschwingten „Segler der Lüfte“ in jene schöneren Gefilde ziehen, wir kältegewöhnten Menschenkinder aber, zumal solche, welche die Natur unter allen Umständen lieben lernten und zu genießen verstehen, erfreuen uns recht gern einmal an so recht echten, herzerfrischenden Wintertagen. Und so eilen wir denn, in Begleitung des wackern Künstlers Otto Eberlein in Göttingen, welchem die Gartenlaube (in Nr. 26, 1865) schon ein allerliebstes Jagdbild zu verdanken hatte, wohlgemuth und munter hinaus in die schneeigen Fluren und durchstreifen da zuerst und vorzugsweise gern den vor uns liegenden weitgedehnten Wald. Hier unter den Bäumen, die unter dem Druck ihrer blendenden Last die Wipfel gleich gothischen Kreuzbögen gegeneinander neigen, wird der Wandelnde von schmeichelndem Dämmerschein umfangen. Nur hier und da durchdringen einzelne blendende Sonnenstrahlen das Waldesdunkel, die aber durch das Schwanken der schneebehaupteten alten Tannen nur in zitternder Bewegung den flaumgedeckten Boden stellenweise zu glitzernder Pracht zu erleuchten vermögen.

So schreiten wir fort, immer dem Lauf eines Baches folgend, der sich in vielfachen Krümmungen durch das bald enge, bald weiter werdende Thal des herrlichen Forstes windet. Rasch fließt das klare Naß, von Eisrändern umstarrt, dahin, denen die daran hineilenden Wellchen sanftklingende, singende Töne entlocken, von so seltsam lieblicher Art, daß man nicht müde wird, den reizenden Accorden zu lauschen. Hier im engen Bett dahinschießend, dort im ruhigen Lauf sich ausbreitend, dann wieder über natürliche Wehre hinabstürzend, daß der aufwirbelnde feine Wasserstaub an dem überhängenden Gezweig der Erlen und Weiden haften bleibt, daran zu wunderbar geformtem Reif erstehend, der, von der Sonne durchleuchtet, einen wahrhaft magischen Anblick gewährt, bietet das Flüßchen dem Wanderer ein ewig wechselndes Bild. Dazu kommt die belebende Staffage eines den kleinen sonnenbestrahlten Strudel oben überflatternden, juwelenschillernden Eisvogels, während weiterhin die einfacher geschmückte, doch gar liebe Wasseramsel das [167] Menschenherz durch ihren geschwätzigen, aber so melodischen Gesang erquickt, den der muntere, traute Vogel, von Stein zu Stein, die dem Wasser entragen, fliegend, trotz aller Kälte ertönen läßt. So bietet der scheinbar so monotone Winter noch Hundertfältiges, was den Naturfreund zu fesseln im Stande ist. Und für den Jäger gar sind die Wintermonate ja recht eigentlich Wonnemonde! Unter solchen Betrachtungen wandern wir weiter und nähern uns dabei dem Ausgang des Waldes, der hier nun lichter und lichter wird. Die blendende Sonne überstrahlt jetzt ungehemmt unsere Bahn, so daß es rings um uns her glitzert und flimmert, besonders wenn der leichte Wind, der sich erhoben, die feinen Schneekrystalle von den Bäumen niederweht. Da ist es, als wenn Demantregen den Höhen entfiele, denn jedes niederschwebende, sonnenbestrahlte Eissternchen blitzt gleich einem irisirenden Edelstein.

Wir verlassen den unvergleichlichen Wald, dafür die sich ihm anschließenden Fluren durchstreifend, aber immer noch dem Bache folgend, der uns schon im bergenden Forste den Pfad angab. Da hören wir plötzlich vor uns einen Schuß, dann rasch hintereinander noch einen zweiten und dritten fallen, uns ein fröhliches Zeichen, daß das lustige Waidwerk heute nicht feiert. Was könnte aber einen Jäger mehr verlocken, als so einem hellhörigen Flintenknall zu folgen? Deshalb beeilen wir uns, die Jagenden ausfindig zu machen, und sehr bald erblicken wir, wenn auch erst noch von Weitem, die Nimrode am Bachesrande und sehen und hören sie nun auch wiederholt schießen. Pfeifend kommen darauf mehrere Stockenten über uns weggezogen, die jedenfalls im Flüßchen gelegen und von den Jagenden beschossen worden sind. Und richtig! Kaum sind wir näher gekommen, so erkennen wir, daß das Schießen allerdings den Enten gegolten hat, und zwar nicht ohne Erfolg, der freilich einen selten drastisch-drolligen Ausgang nehmen sollte.

Da, wo der Bach zwar steilufrig, aber doch ziemlich breit und deshalb weit nach der Mitte zu mit Eis bedeckt ist, war ein angeschossener Entvogel hineingefallen, den ein prächtiger Hühnerhund eben apportirte. Allein das Herauskommen aus dem eisigen Wasser ward dem Eifrigen schier zur Unmöglichkeit, denn sowie dieser auf dem Eise seinen Ausstieg nehmen wollte, brachen jedesmal die dünnen Ränder durch, ohne daß er irgend Fuß fassen konnte. So schwamm der Getreue rastlos den Bach auf und ab, aber nirgends vermochte er das Land zu gewinnen, wie sehr auch die ängstlich zusprechenden Worte seines Herrn ihn dazu anspornten. Dem gequälten Herzen des Gebieters entrang sich gar mancher Kernfluch, der aber nicht etwa seinem Lieblinge, sondern vielmehr nur dem unvorsichtigen Cameraden galt, welcher das brave Thier, ohne zu fragen, in’s Wasser geschickt hatte, nur von dem einen Gedanken beseelt, seine zappelnde Beute zu erlangen. Wie nun aber vollends die Situation des Hundes immer bedenklicher wurde, steigerte der Unwillen des Herrn sich auch fast bis zur Bosheit, indem er jetzt den beutegierigen Schützen mit Entschiedenheit aufforderte: unverzüglich nun mit eigener Hand das erschöpfte Thier aus seiner schlimmen Lage zu befreien, oder …!

Nolens volens schickte dieser sich dazu an, die schwierige Aufgabe zu lösen. Das dünne Randeis hätte unbedingt einen Menschen nicht getragen. Man half sich also in anderer Weise. Rasch wurde eine Erlenstange abgeschnitten und mit einem daran gelassenen hakenartigen Aste der Rettungsbeflissene am Jagdtaschenriemen festgehalten. Die Beine fest eingestemmt am Ufer und sich auf Manneslänge frei über das Eis hinüberbeugend, sollte er den Hund am Halsband erfassen und herausziehen. Und wirklich gelang dieses Manöver auch in so weit, als der Hülfespendende den Apportirenden eben zu erfassen in der glücklichen Lage war und zu diesem Zwecke unwillkürlich noch mit der andern Hand einen leichten Stützpunkt auf dem Eise suchte, – da zum Schrecken Aller brach der frostspröde Haken der Stange und beraubte den horizontal über dem Eise Schwebenden jeglichen Haltes. Klirrend und platschend hörte man den Aermsten erst das Eis durchschlagen und alsdann in’s Wasser plumpsen.

So plätscherten einen Moment Jäger, Hund und Ente, die, in der Verwirrung losgelassen, weiter schwamm, im Wasser herum, während die beiden Cameraden, nun jede Rücksicht gegen sich selbst vergessend, ohne Bedenken bis an den Leib in’s Wasser nachsprangen, den Bedrängten aus seinem unfreiwilligen Bade zu erlösen. Als nun aber alle Drei nebst Hund den kalten Wellen entstiegen waren und stampfend und schüttelnd am Ufer standen, da vermißten sie zu ihrem größten Aerger das eigentliche Unglücksobject, die Ente, die wahrscheinlich unter das Eis gekommen und nicht mehr zu entdecken war.

Wie die betrübten Lohgerber trabte das triefende Kleeblatt dem nächsten Dorfe zu, um möglichst schnell in trockene Kleider zu kommen, so recht das alte Sprüchwort bethätigend:

„Nasses Waidwerk, trock’ner Fischfang –
Ist weder dem Jäger noch Fischer zu Dank!“