Ein Weihnachtslied
[840] Ein Weihnachslied. (Zu dem Bilde S. 832 und 833.) Wo unter dem
kerzenhellen Christbaum hervor inniger Gesang gen Himmel steigt, dort ist
Weihnachtsstimmung, mag auch dieser Abend als schwer erreichtes Friedenseiland inmitten stürmischer Lebenswogen sich erheben. Die junge Witwe dort,
die nach dem frühen Tode des Gatten mit den Kindern ins elterliche Haus
zurückkehrte, sie sieht ernst und leidvoll aus großen Augen ins Weite, aber
ihre Lippen singen leise mit – sie fühlt es tief und dankbar, daß ihre Waisen
hier eine Heimat haben, wenn auch der Vater draußen in der winterlichen
Erde, für immer ihnen entrissen, ruht. Und die gute, thätige Großmama,
deren Teil statt Ausruhen nur neue Arbeit und Sorge geworden ist, auch sie
empfindet den Frieden dieses Abends und das in den aufblühenden Kindern
ihnen geschenkte Glück heute gar lebhaft! Auch sie mischt ihre zitternde
Stimme in das Danklied, das ihr alter treuer Lebensgenosse fest und
freudig an seinem ausgespielten Instrument intoniert. Es ist ihnen viel
geblieben und sie besitzen den besten Schatz: die Liebe, welche das Schwere
tragen hilft und unter dem bescheidensten Dache ein Paradies des Friedens
erschafft, das feste Gottvertrauen und die Hoffnung auf die Zukunft der
Kinder. Diese selbst, wie sie in frischer Jugend blühen, sind der beste
Trost im Leid, an ihrem Wachsen und Streben kann sich das Mutterherz
wieder aufrichten und künftig wird „fröhliche Weihnacht" dort neu einziehen,
wo heute nur eine stillbewegte voll sehnsüchtiger und schwerer
Erinnerung gefeiert wird. Br.