Ein Vulkan als Glasschmelzofen
[236] Ein Vulkan als Glasschmelzofen. – Auf der zu den Philippinen gehörigen Insel Negros erhebt sich der heute noch tätige Vulkan Canloon. Auf der Südseite des Berges in halber Höhe entquillt einer Felsspalte unausgesetzt ein flüssiger Lavastrom, der in der Hauptsache aus Vulkanglas, einem in allen Farben spielenden durchsichtigen Gemenge, besteht. Dieses flüssige Vulkanglas benützten die Eingeborenen seit langen Jahren zur Herstellung der verschiedenartigsten Gegenstände, indem sie den Lavastrom zu einfachen, aus fettem Lehm hergestellten Formen hinleiteten und sich so ohne große Mühe Schalen, Flaschen und Kochtöpfe herstellten, die sich durch große Haltbarkeit auszeichneten.
Als die Philippinen in amerikanischen Besitz übergingen, nahm diese mühelose Industrie plötzlich einen ungeahnten Aufschwung. Eine amerikanische Naturforscherexpedition, die zur Untersuchung des Canloon abgeschickt worden war, brachte die Kunde von der Benützung des Vulkanes als Glasschmelzofen nach Manila. Sofort machte sich ein findiger New Yorker namens Settelmann, der in Manila eine Handelsniederlassung besaß, diese Entdeckung zunutze. Er pachtete von der Regierung das Recht, das flüssige Vulkanglas für seine Zwecke verwenden zu können, und errichtete in der Nähe der Lavaquelle eine große Fabrik, in der jetzt aus Vulkanglas nicht nur Ofenkacheln, große gläserne Behälter und kleinere Glassachen, sondern auch Pflastersteine und Trottoirplatten hergestellt werden. Vielfach haben besonders stark gegossene Platten auch bei dem Bau der neuen Festungswerke von Manila zur Eindeckung von Geschütztürmen Verwendung gefunden, da sie fast ebenso widerstandsfähig wie stählerne Panzerplatten, dabei aber bedeutend billiger sind.
Der Vulkan Canloon hat auch eines der interessantesten Stücke für das in Manila neugeschaffene Museum geliefert. Die oben erwähnte Naturforscherexpedition fand nämlich unweit der Krateröffnung des Canloon die Leiche eines Eingeborenen, die von einem längst erkalteten Vulkanglaslavastrom vollständig eingeschlossen war und sich bei der Durchsichtigkeit der Lavamasse noch deutlich erkennen ließ. Man nimmt an, daß dieser [237] Leichnam weit über dreihundert Jahre in seinem merkwürdigen, völlig luftdicht verschlossenen Sarge liegen muß, was aus den noch vorhandenen Resten der Kleidung und einer keulenartigen, reich verzierten Waffe in der Hand des Toten hervorgeht. Wahrscheinlich ist dieser Eingeborene einst beim Besteigen des Vulkans durch giftige Dämpfe, die aus der Krateröffnung emporstiegen, betäubt und bei einem gleichzeitig erfolgten Ausbruch durch die Lavamasse eingeschlossen worden.
Die Mitglieder der Expedition sorgten dafür, daß das die Leiche umgebende Lavastück vorsichtig herausgemeißelt und losgesprengt wurde. Jetzt hat diese seltsame Mumie einen Platz in dem Museum von Manila in dem großen Hauptraum gefunden.