Ein Vermißter!
[756] Ein Vermißter! – Im Sturmjahre 1848 lebte zu Pappenheim, im baierischen Mittelfranken, ein glücklicher Mann. Ein junges Weib und zwei blühende Kinder hingen an seinem Herzen. Aber der Herbst jenes Jahres, der durch die hereinbrechende Reaction so vieles Familienglück zerstörte, traf auch dieses – der Mann mußte nach Amerika entfliehen und ließ Weib und Kinder in Jammer und Entbehrung zurück. Zwei Male sendete er Worte des Trostes über den Ocean; das letzte Mal – vor achtzehn Jahren! Das Töchterchen, das zweijährig dem Vater auf dem Schooße saß, muß längst als Gouvernante sich ihr Brod verdienen, und der dreijährige Knabe, dem er so oft das schwarzrothgoldene Fähnchen in’s Händchen drückte, mit dem er vor der Schaar der kleinen Cameraden dahinzog, steht jetzt als baierischer Soldat im deutschen Heere auf Frankreichs Boden. Einsam daheim mit ihrem Gram und Bangen ist nur die Mutter, die als Wittwe gilt und in deren Herzen doch die Sehnsucht nach dem Gatten nicht ersterben kann. Achtzehn Jahre! Wie viel Hunderttausende sind seitdem in Amerika gestorben und verdorben! – Sollen wir trotzdem nach diesem Einen ausspähen? Wir wollen, den Verlassenen zum letzten Trost, es wagen. Der Vermißte hieß Andreas Adam, war Chemiker und Kaufmann in Pappenheim; sein Vater, J. N. Adam, besaß eine Fabrik am Rennweg bei Nürnberg. Adam, der bei seiner Auswanderung etwa achtunddreißig Jahre alt war, gab am 2. Mai 1852 die letzte Nachricht von sich aus Newyork, wo er sich als kaufmännischer Agent und als Holzbildschneider zu nähren suchte. Ein Mehres ist von ihm nicht bekannt. Die Adresse seiner Gattin bewahrt die Redaction der Gartenlaube.