Ein Traum (Ringelnatz)
Es war nur ein Traum, doch es war eine Pracht!
Ich glaubte in mondscheinsilberner Nacht
Auf schwellendem Rasen zu liegen.
Ein glänzendes Schloß erhob sich kühn
Ein Märchenkind lauschend sich biegen.
Ein Mädchengesicht, so lieb, so traut,
Wie ich es nimmer zuvor geschaut.
Gleich flüssigem Golde erglänzte ihr Haar
Ein wehmütig banges Erwarten.
Ein leiser Wind erquickte die Luft
Und trug einen süßen, berauschenden Duft
Vom Holunderbusch durch den Garten.
Geigend ein müder Wandergesell.
Und als dann – und das war so schön in dem Traum –
Eine Nachtigall hoch im Lindenbaum
Mit einstimmte in seine Lieder
Da war es, als fiele auf meine Brust
Das Glück wie ein Morgentau nieder. – –
Die alten Linden seufzten im Wind.
Im Schlosse weinte das Märchenkind.
Eine Fledermaus auf. Da wurde ich wach
Und alles war plötzlich verschwunden.
Ödes Erwachen. Wie leerer Schaum
Zerronnen war alles, was ich im Traum
Doch wie ein Trost kams über mich dann:
O glücklich, wer noch so träumen kann!