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Ein Neger-Denkmal

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Mgz. f. L.
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Titel: Ein Neger-Denkmal
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 78
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[78] Ein Neger-Denkmal. Einer uns gütigst mitgetheilten Zeitung von Rio-Janeiro entlehnen wir die Nachricht von der allgemeinen Begeisterung und Theilnahme, welche dort die aufopfernde Handlungsweise eines Negers, Namens Simon, bei dem Schiffbruch eines Küstendampfers, des „Pernambucano“, erregt hat. Dieses Dampfboot, von zweihundert Pferden Kraft, befand sich nämlich mit hundertundzwanzig Passagieren auf der Fahrt von Rio Grande do Sul nach Rio-Janeiro und gerieth bei einem heftigen Sturme auf ein Riff, an welchem es scheiterte. Vergebens war das Angstgeschrei der zahlreichen Frauen und Kinder, die sich auf dem geborstenen Schiff befanden. Dasselbe lag nicht weit von der Küste, aber in dem furchtbaren Sturme wagten es weder Schiffer noch Fischer, sich dem untergehenden Fahrzeuge zu nähern. Da warf Simon, der auch auf demselben war, ein langes Seil durch die Brandung nach dem etwa zweihundert Schritt entfernten Strande, wo das eine Ende befestigt wurde, während er das andere Ende des Seiles auf dem Schiffe selbst befestigte. Und nun belud er sich mit denen, die sich ihm zuerst anvertrauten, und brachte sie glücklich über das Seil an den Strand, Er kehrte stets zurück und belud sich von Neuem mit Menschen, die er zum Erstaunen der Küstenbewohner, von denen Keiner ihm nachzuahmen wagte, immer glücklich wieder absetzte. Er hatte bereits einige Mal die Passage hin und zurück gemacht, als das Seil in der Mitte durchriß und nunmehr seine Rückkehr nach dem Schiffe, das inzwischen in zwei Theile zerschellt war, unmöglich schien. Aber er ergriff die am Strande befestigt gewesene Hälfte des einzigen, ihm zur Verfügung stehenden Seiles, schwamm mit demselben gegen die Brandung an das Wrack und brachte den Verzweifelnden von Neuem Rettung, indem er hier die beiden Theile mit einander verband und das Ganze abermals nach der Küste warf. Noch dreizehn Mal machte er nun auf diese Weise den Weg an das Land, jedesmal mit einem oder mehreren Menschen beladen, die immer an seinen Körper angebunden wurden. Es befanden sich darunter eine Mutter mit sieben Kindern, ein Blinder und ein Invalide mit einem Stelzfuße. Die Anstrengung war so groß, daß er, nachdem er fünf Mal den Weg zurückgelegt an allen Sehnen zuckte. Man bedeutete ihm, daß er es nun nicht mehr würde durchsetzen können, aber er suchte sich dadurch zu stärken, daß er sich in den am Ufer liegenden Sand warf und seinen Körper, so wie seine Arme und Beine, dann wälzte. Diese Operation wiederholte er von Zeit zu Zeit, und dadurch will er sich, wie er behauptet, stets gehörig gestählt haben zu neuen übermenschlichen Anstrengungen. Auf diese Weise ist es ihm gelungen, einem großen Theile der Passagiere, die einem unvermeidlichen Tode entgegensahen, das Leben zu retten. Von denen, die sich durch eigene Anstrengung retten wollten oder die von dem menschenfreundlichen Neger nicht zu erreichen waren, sind dreißig Personen in den Wellen untergegangen.

Schmachvoll für die weiße Strandbevölkerung ist, daß sie nicht allein zur Rettung von Menschenleben gar nichts that, sondern obendrein an den Geretteten das Strandrecht ausübte und sie, wo sie etwa einzeln angetroffen wurden, völlig ausplünderte. In der Hauptstadt von Santa Katharina, welches der dem Schauplatze dieses Ereignisses zunächst gelegene Ort ist, begnügte man sich, Seelenmessen für die Ertrunkenen zu lesen, während durchaus nichts zur Bergung des mit dem Dampfer untergegangenen, bedeutenden Staats- und Privateigenthums angeordnet wurde. Der Neger Simon hat inzwischen in Rio-Janeiro eine glänzende Genugthuung erhalten. Der Kaiser und die Kaiserin haben ihm persönlich gedankt und ihm eine schwere goldene Ehren-Denkmünze verliehen. Es ward in Rio eine Subscription eröffnet, und in wenigen Stunden war eine Summe von sechstausend Thalern für den edelmüthigen Simon unterzeichnet. Eine Ehre, die noch niemals einem Schwarzen zu Theil geworden, ist ihm zugedacht: die Kaufmannschaft von Rio hat nämlich beschlossen, eine Büste Simon’s anfertigen zu lassen und dieselbe im Börsengebäude, als Denkmal seiner That, aufstellen zu lassen. Die Yankees in den freien Staaten Amerika’s, die einen Schwarzen weder an ihre Börsen, noch an ihre Theater zulassen, könnten an diesem Vorgange der angeblich so unbarmherzigen Brasilianer ein Beispiel nehmen.

Simon ist in Afrika geboren und jetzt vierzig Jahre alt.
(Mgz. f. L.)