Ein Jagdzug im Kaffernlande
Mein Weg führte mich an den Ufern des großen Fischflusses in die Behausung des Häuptlings. Sie lag auf einer Anhöhe, von welcher ich eine überraschende Aussicht auf den in tausend Windungen sich durch die dunkelen Waldungen von Bananen und Mangobäumen anmuthig schlängelnden Fischfluß hatte. Dort hatte ich auch das Glück, die interessante Bekanntschaft John Harris, eines jungen Engländers zu machen. Wenige Menschen sind wohl mit dem wildromantischen Leben in den unermeßlichen Urwildnissen dieses Erdtheils, mit all seinen Leiden und Freuden so vertraut, als dieser berühmte Nimrod in den Felsengebirgen des Kaffernlandes, der mit dem mächtigen Königstiger, mit dem Löwen und Leoparden an den ungastlichen Ufern des Fischflusses siegreich kämpfte, und der mit den Pelikaren des gelbfluthenden Orange verfolgt wurde. Oft, wenn ich während meines längeren Aufenthaltes in jenem Lande von meinen Wanderungen ermüdet in das Kafferndorf zurückkehrte, begab ich mich in sein freundliches Palmenhüttchen und lieh mein Ohr seinen Erzählungen. Die interessantesten von Allen waren mir die Erinnerungen seiner Abenteuer, welche er in den Schneebergen erlebte. Sein Bild schwebt mir noch lebendig vor der Seele; noch sehe ich ihn vor mir sitzen, wie er mir seine seltsamen, anziehenden Geschichten mit harmloser Naivetät erzählte, wie sich seine sonst so finsteren Gesichtszüge auffallend erheiterten, wie er dabei seine europäische Stummelpfeife bedächtig aus der Rocktasche hervorzog – und ich gestehe, seine Lebendigkeit, welche oft wie ein Blitzstrahl aus heiterem Himmel in seine Gemüthsruhe hineinschlug, hatte für mich Etwas so Aufregendes, daß ich mich immer in jene Regionen versetzt wünschte. Eins von John’s Abenteuern mit den Kaffern ist so charakteristisch und einzig in seiner Art, daß ich es meinen Freunden in Europa nicht vorenthalten kann, und es möglichst treu aus seinem Munde wiedergeben will.
Das felsige Schneegebirge bildet nicht allzu weit von dem großen Fischflusse ein reizendes Thal, das gleich einer Oase in unwirthbarer Wüste mehrere tausend Fuß über dem Spiegel des Meeres, zu beiden Seiten von schroffen, schwarzen Felswänden bewacht, grüne, nahrhafte Gebirgsgräser, die herrlichste Vegetation in sich birgt. Platanen, die oft in den anmuthigsten Gruppen mit ihren schwanken Wipfeln stolz über ihre Umgebung hervorragend den Himmel zu berühren scheinen, die Baumwollenbäume, die zierlich gezweigt mit ihren abwechselnd zerstreuten Dickichten die junge Brut des kleinen „Okasi Vogels“ schirmend bewahren, die reizenden Weidenlauben, an denen Mutter Natur ihre Kunst so herrlich bewährt, und der fruchtbare Boden, auf dem sie so bereitwillig den Erdenbewohner beschenkt, – das sind die Schätze dieses abgelegenen Thales, durch welches die dunkelen Gewässer des großen Fischflusses sich gleich einem Lavastrome befruchtend hindurchschlängeln. Dieser Landstrich einem Paradiese gleichend, erfreut sich auch eines vortrefflichen, gesunden Klimas, und Hunderte von schwarzen Jägern wählen ihn während „der kalten Zeit“ zu ihrem Aufenthalt. Schwarze der verschiedensten Stämme, besonders aber die Fisch-Kaffern besuchen dieses Thal häufig, um mit den „weißen Männern“ jenseits des Flusses zu handeln. Dieser Kaffernstamm zeichnet sich vor den anderen rothhäutigen Bewohnern des Schneegebirges durch einen besseren Charakter auffallend aus; sie sind tapfer, kriegerisch, scharfsinnig und außerordentlich gastfrei. Ihre Fluren werden von zahlreichen Heerden, von Antilopen, Pferden, Schafen, Maulthieren und Hunden belebt, welche letzteren sie mästen, schlachten und als eine ganz besondere Delikatesse verzehren, weshalb sie auch von den anderen Stämmen „Kaurácki’s,“ d. h. „Hundefresser“ genannt werden.
Von den schönen Mädchen, welche sich in dem Thale niederlassen, wenn die Kaffern mit den „weißen Männern“ zu handeln kommen, war Koremba, eine zarte, junge Kafferin, die Auserwählte, welche John Harris bei seinem ersten Begegnen in sein Herz geschlossen hatte; man konnte auch nichts Holderes, Anmuthigeres, Lieblicheres sehen, wie er sagte, als dieses Naturkind, und so mancher Sohn der Wildniß mochte wohl oft zu tief in ihre schwarzen, schalkhaften, aber von Liebe und Seligkeit glänzenden Augen hineingeschaut haben – und so war auch der junge John, welcher ein Weltkind von höherem Range, seinen heimathlichen Herd verlassen, und den Freuden und Annehmlichkeiten des civilisirten Lebens Valet gesagt hatte, um sich eine schöne Bewohnerin der Wildniß zu holen, zu dem festen Entschluß gekommen, dieses schöne Kind für sich zu erobern.
Während das blutige Jagdhandwerk mehrere Monate im Jahre ruht, ist Trägheit an der Tagesordnung; die Jäger suchen Kurzweil und Vergnügen jeder Art in den Hütten und Behausungen ihrer dunkleren Nachbarn, und es beginnt eine lange ununterbrochene Reihe von Festlichkeiten: die schöne Welt tanzt, und manches Herzchen geht verloren, wenn die niedlichen Füßchen den grünen Boden schlagen; denn die jungen Jäger richten ihr Geschoß auf die jungfräuliche Schaar und begleiten den Tanzreigen mit [159] sehnsuchtsvollem Gesange. Eine solche Gelegenheit war es, als John zuerst die junge Rothhäuterin sah, und er gestand mir noch heute, daß es ihm in seinem ganzen Leben nicht so wunderbar zu Muthe gewesen sei, als in diesen Augenblicken; es kitzelte und zuckte ihm durch alle Nerven, durch alle Glieder von oben bis unten, sobald er seine Blicke auf das bunte Gemisch der bald in glänzenden Ketten, bald in zierlich verschlungenen Gruppen hüpfenden, jungfräulichen Gestalten warf, und unter diesen seine schöne Geliebte in festlichem Glanze hervorleuchten sah.
„Der Zug des Herzens ist des Schicksals Stimme!“ dachte John, und hatte also weiter nichts zu thun, als das holde Kind zu gewinnen und zu heirathen. Aber ach! – bald wurde es ihm wieder zu Muthe, als würde ein Strom eisigen Wassers über ihn hinweggegossen, es fiel ihm ein, sie war noch nicht seine Braut, Papa hatte ihm seine Erlaubniß noch nicht dazu gegeben, und wilde Papa’s sind oft – wie auch in der civilisirten Welt – gar wunderliche Käutze! Aber er irrte. Der wilde Papa war offenherziger und liberaler in seinen Anforderungen; er verlangte nach altem Brauch und Sitte nur eine Vergütigung für die Tochter in gleichem Werthe mit ihr – ein Pferd.
Ein Freier kauft sich nämlich das beste Pferd, führt es zum älterlichen Hause seiner Schönen, bindet es an die Thür und geht davon. Tags darauf wird das Pferd einer strengen Musterung unterworfen; wird es für gut und fehlerfrei befunden, so erfolgt eine Einladung, und die Sache wird bald zum Abschluß gebracht; wird aber das Mädchen höher geschätzt als das dargebrachte Pferd, so sind noch andere Geschenke nothwendig, um die Einwilligung des Vaters zu erlangen. So hat schon mancher reiche civilisirte Liebhaber auf diese einfache, billige Weise die schönste Jungfrau eines Stammes fortgeführt – aber John befand sich in einer mißlichen Lage. Er hatte den größten Theil seines mitgebrachten Vermögens für die übermäßigen Freuden des Branntweins und Tabacks ausgegeben, und es war ihm nun nicht mehr so viel übrig geblieben, um sich ein Pferd kaufen zu können, und das war schmerzlich! Ohne Pferd war keine Frau zu bekommen. Was war zu thun? Noch ein Monat mußte verstreichen, und man konnte wieder jagen.
John bedachte das, und als die ersehnte Zeit herangekommen war, verließ er seine Hütte, um den Löwen in seinen Höhlen, den Tiger in seinen Schluchten, den Biber in seinen Dämmen und die Antilope in ihren grasigen Ebenen aufzusuchen, und hoffte, durch seine mühevolle Anstrengung auf der Jagd in kurzer Zeit so viel zu erlangen, daß er seine rothhäutige Braut endlich heimführen könne. Die Arbeit vieler heißer Tage brachte in des Jägers Tasche einen guten Vorrath. Ottern und Biber wurden gefangen, Hirsche, Antilopen und Tiger erlegt, und der Erfolg krönte bald den unermüdlichen Eifer unseres Freundes John. So kam es auch, daß er eines Tages, nachdem er mit rastloser Ausdauer das Wild verfolgt und weite Strecken durchstrichen hatte, mit reicher Beute beladen, in seine Hütte zurückkehrte. Er legte seine Schätze in Sicherheit und ging von Neuem an das Werk, indem er einen ihm noch unbekannten Fußpfad verfolgte, der den abenteuerlichen Jäger in eine tiefe Waldschlucht geleitete, welche augenscheinlich in eine große Ebene mündete und deshalb viel Wild versprach. Als er so durch Dick und Dünn vorwärts drang und sich stellenweise den Weg mit seinem Jagdmesser bahnte, gelangte er an eine Lichtung, von welcher sich eine weite, unabsehbare Ebene ausdehnte.
Ein Ausruf seltsamer Verwunderung glitt über seine Lippen; er spähete einen Augenblick hinaus und kehrte wieder in den Wald zurück, um sich einem kurzen Nachdenken hinzugeben.
Um sein Benehmen zu erklären, muß ich eine eigenthümliche Sitte der Fisch-Kaffern erwähnen. Kein junger Mann, selbst wenn sein Vater der tapferste Häuptling seines Stammes ist, darf sich in die Reihen der Krieger stellen oder sich in irgend einer Weise ihrer Rechte erfreuen, bevor er selbst nicht eine That von Muth und Unerschrockenheit vollführt und sich mit dem Blute seiner Feinde rühmlichst befleckt hat. Im Frühlinge versammeln sich alle Jünglinge auf einem abgelegenen freien Platze im Hochwalde, um dem „Morhunnu“, ihrem Kriegsgotte, einen Tempel zu errichten. Sie tragen junge schlanke Bäume zusammen, binden sie an ihren Kronen in Form einer kegelartigen Hütte an einander und bedecken sie mit Zweigen und Blättern aller Art. Der blutende Kopf eines Tigers, den sie so eben erlegt, Skalpe, Waffen und die Haut einer weißen Antilope werden als Opfer für den Gott innerhalb dieses Gebäudes aufgehängt, worauf gewisse Ceremonien, von denen das Rauchen aus der „Manocco-Co,“ der Friedenspfeife die wichtigste ist, verrichtet werden. Der Aelteste der jungen Männer stopft die Pfeife mit Tamariskenblättern und Cayennepfeffer, legt eine Kohle aus dem Feuer der Behausung Morhunnu’s darauf, zieht den Rauch ein und läßt ihn durch die Nase wieder heraus. Darauf wird die Erde mit dem Kopfe der Pfeife berührt, und unter wildtönenden Schlachtgesängen, welche von verschiedenen Ceremonien begleitet werden, macht die Pfeife die Runde. So gehen viele Tage unter Fasten und Tanzen vorüber, ehe sie zu ihren heldenmüthigen Unternehmungen in gehöriger Weise vorbereitet sind. Endlich verlassen sie den Tempel, und der qualvollste, grauenvollste Tod ist dessen unabänderliches Schicksal, der es wagt, während ihrer Abwesenheit den Tempel zu betreten oder ihn sonst auf eine Weise zu entheiligen: „denn Morhunnu’s Haus ist heilig und gefährlich, es zu entweihen.“ – Wehe dem Verwegenen, der einen Stein in die Oeffnung „der großen Grotte“ des Kriegsgottes würfe: der ungestüme Wind, Morhunnu’s Odem, der mit seinem ewigen Hauche den Eingang derselben bewacht, würde ihn mit dreifacher Gewalt zurückschleudern und die Frevelthat mit dem Tode des Frevlers bestrafen!
Auf solch’ ein verhängnißvolles Heiligthum war John soeben auf seinem Streifzuge gestoßen, und verschiedenartig waren die Gefühle und Gedanken, welche sich seiner jetzt bemächtigten, denn groß dünkten ihm die Schätze und werthvoll genug, um sich dafür das so heiß ersehnte Pferd zu kaufen. Aber John war doch etwas zu ehrlich, als daß es ihm gleich in den Sinn gekommen wäre, den geheimnißvollen Tempel der Braunhäute zu berauben.
„Es ist mir wie in den Weg geworfen,“ dachte er bei sich, „so daß ich kaum Nein sagen kann. Ueberdies erinnere ich mich, daß auch einmal ein armer weißer Jäger, der noch kurz vor der hereinbrechenden kalten Zeit aller seiner Habseligkeiten beraubt worden war, freien Gebrauch von einer wollenen Decke machte, welche er in einem Kafferntempel fand. Man fing ihn, stellte ihn vor den Rath der Aeltesten und beschuldigte ihn der Entheiligung des Tempels, doch er vertheidigte sich damit, daß er gewaltsam beraubt worden sei, daß Morhunnu deshalb Mitleid mit seinem schutzlosen Zustande gehabt, ihm die Decke gezeigt und geboten habe, sich damit zu bekleiden.“
„Morhunnu hat das unbezweifelte Recht, sein Eigenthum zu verschenken!“ war die richterliche Entscheidung, und der Jäger ward in Freiheit gesetzt.
John schüttelte den Kopf; seine Neugier trieb ihn vor die Oeffnung des Tempels, und er war eben im Begriff, den Fuß hineinzusetzen, als sein Selbstgespräch unterbrochen und ihm von hinten eine Hand auf die Schulter gelegt wurde.
Wie vom Blitzstrahl getroffen blickte er um, und siehe da, hinter ihm stand, die Keule in seiner nervigen Rechten, Bogen und Köcher auf dem Rücken, ein rothhäutiger Krieger in seinem Schlachtkostüme. Die Begrüßung war indeß freundlich und herzlich, denn der junge Kriegsmann war kein Anderer, als Takoni, der Bruder unserer schönen Rothhäuterin, welchem John in der letzten Jagdzeit eine kostbare Tomahagk-Pfeife geschenkt hatte.
„Mein weißer Bruder ist sehr wachsam, er steht früh auf!“ sagte Takoni mit freundlichem Tone.
John erröthete und erwiederte betroffen: „„Meine Hütte ist leer, ich möchte sie schmücken mit der Schwester meines Unami – er wird ein großer Krieger werden!““
Der junge Tapfere schüttelte bedenklich mit dem Kopfe; er zeigte auf seinen Gürtel, wo noch kein Skalp zu sehen war und antwortete: „Fünf Monate sind zu Schlafe gegangen, und das Kaffernbeil ist nicht erhoben worden; die Braunfüße sind Hunde und verkriechen sich in ihre Höhlen!“
Ohne mehr zu dem genugsagenden Winke, daß noch Keiner der jungen Männer sein Gelübde hätte erfüllen können, hinzuzufügen, schritt der Häuptling den Weg zum Lagerplatze der Kaffern voran. John, erfreut, nach so langer Zeit wieder einmal ein menschliches Wesen zu sehen, folgte schweigend den Fußstapfen Takoni’s, die ihn in’s Lager der Krieger führten, das John, ohne es zu wissen, vor Kurzem schon einmal passirt hatte. Mitten im Thale im Dunkel fast undurchdringlicher Umwaldung, saßen in weitem Kreise die Kaffern, um ihr Mahl einzunehmen. Sie empfingen unseren Jäger freundlich und luden ihn ein, an ihrer [160] Mahlzeit Theil zu nehmen. Da dieser lange Nichts gegessen und sein Appetit von der scharfen Gebirgsluft wunderbar angeregt war, so sagte er mit Freuden zu und schluckte verschiedene Stücke rohen Hundefleisches mit größtem Wohlbehagen hinunter.
Zur Nachtkost rauchte er auch aus der Friedenspfeife mit seinem Freunde Takoni und erfuhr von ihm die Erfolglosigkeit ihrer Unternehmung. So verstrich eine kurze Zeit, als John durch gewisse geheime Zeichen der Kaffern aufmerksam gemacht, mehr und mehr anfing, sich unbehaglich in ihrer Mitte zu fühlen; denn es war augenscheinlich, daß allein er der Gegenstand ihrer heimlichen Unterredungen war. Bald entspann sich ein lebhafter Wortwechsel, an welchem Takoni sich besonders betheiligte.
„Ihr Krieger Morhunnu’s!“ rief Takoni endlich mit durchdringender Stimme, „wir alle wissen, daß der weiße Mann zu der großen Nation unserer Feinde gehört, und daß wir mit seinem Blute auf unseren Waffen unser Gelübde erfüllen und mit Ehren zu unseren Freunden und Brüdern zurückkehren können. Einige von Euch stellen es ernstlich in Frage, ob der heilige Name „Freund und Bruder“, wie wir ihn seit Jahren geheißen, nicht die Natur der Freundschaft seiner Nation so verändert habe, daß Morhunnu, welchem wir unser Gelübde gethan, ihn zu uns gesendet hat als Freund und Bruder. Wenn dem so ist, so wird das Opfer seines Lebens Morhunnu mißfallen und uns nicht von unserem Gelübde entbinden. Andere unter Euch stellen auf, Morhunnu habe dieses Opfer unter uns gesandt, um unsere Treue zu prüfen. Zwar war er unser Freund, und wir haben ihn „Bruder“ genannt – aber er ist unser natürlicher Feind, und Morhunnu wird uns von unserem Gelöbniß nicht entbinden, wenn wir dieses Freundschaftsverhältniß fortbestehen lassen, das zuletzt zum Ungehorsam gegen ihn führen muß. Endlich behaupten noch Andere von Euch, der Fremdling, obgleich er unser natürlicher Feind ist, ist nicht in unser Gelübde mit einbegriffen, denn ihm das Leben zu nehmen, ist eine grobe Verletzung unserer heiligsten Verpflichtungen, ein Makel unserer Tapferkeit und eine Verachtung der Gastfreundschaft, wir können wohl leicht andere Opfer, unser Freund aber kein anderes Leben finden. Dies, Ihr kriegerischen Männer, drei verschiedene Meinungen. – Ich sehe, keine derselben findet bei der Mehrzahl gehörigen Anklang, denn Ihr Alle sehnet Euch in Eure Heimath zurück, um als erprobte Krieger Eure Bräute heimzuführen, und fordert mit Recht, daß der weiße Mann geopfert werde. Aber, Ihr Krieger Morhunnu’s, hört mich an, der Kaffer ist ein Krieger, seine Füße sind schneller als das Pferd, sein Pfeil gleicht dem zerschmetternden Blitze Morhunnu’s, er ist tapfer und edel, aber eine Wolke hat sich zwischen ihn und der Sonne gelagert, daß er seinen Feind nicht sehen kann, und noch ist kein Skalp in seiner Hütte. Morhunnu ist gut – er sendet ein Opfer, einen Mann, dessen Haut weiß ist, aber sein Herz ist sehr roth! Das bleiche Gesicht ist ein Bruder, und sein langes Messer ist abgewandt von seinen Brüdern, den tapfern Kaffern. Morhunnu ist allmächtig –, mein Bruder (auf John deutend) hat sehr viel Blut, er kann ein wenig Blut verlieren, um unsere Waffen zu beflecken, aber sein Herz wird noch warm bleiben!“
Takoni hatte John vom Tode gerettet. Ein stürmischer Beifall folgte seiner Rede, denn Alle beseelte nur ein Verlangen, ihr Gelübde zu erfüllen, und bald nach Hause zurückzukehren, um ehrenvoll in die Reihen der Krieger aufgenommen zu werden, und selbst eine Hütte, ein schönes Weib und die Freuden eines braunhäutigen Vaters zu haben.
Ein scharfer Feuerstein wurde herbeigeholt, der Arm des weißen Mannes entblößt – schnell trennte der Stein die Haut, und das Blut, welches aus der leichten Wunde floß, ward sorgfältig auf die Waffen der hocherfreuten Krieger vertheilt. –
Die Scene, welche jetzt folgte, war unserem John durchaus unerwartet. Zufrieden, daß sie das Blut ihres Feindes vergossen, und somit ihr Gelübde erfüllt hatten, daß sie endlich von den Mühsalen, welche sie schon fünf Monate hindurch geduldig ertragen, befreit seien, bezeugten sie ihre Dankbarkeit auf thätige Weise. Jeder suchte seine Bürde durch; Einer legte zu seines Bruders Füßen eine Otternhaut, der Andere eine Pantherfell, ein Dritter eine Bären- oder Büffelhaut, bis John’s Reichthum an Häuten und Fellen seine höchsten Erwartungen übertroffen hatte. Der junge Häuptling stand schweigend und sah zu, und nachdem Alle nach der Reihe ihren Gast reichlich beschenkt hatten, trat auch er hervor und führte ein stattliches Pferd am Zaume und ein junges Maulthier und übergab sie seinem brüderlichen Freunde. Es wäre gegen die Etikette der Wüste gewesen, es auszuschlagen und überdies wußte John recht wohl, was seiner erwarte, wenn er sich anders als dankbar erweise. Er erhob sich deshalb von seinem Sitze, verbeugte sich und sagte mit einem frohen Lächeln in der Landessprache:
„Ein Freund von mir reiste von Port-Natal nach der Cap-Stadt. Sein Weg führte ihn auch durch Euer Land. Es begegnete ihm ein Trupp Eurer dunklen Nachbarn, die ihn, nachdem sie ihn einen Augenblick scharf gemustert, ergriffen, ihn an den Fischfluß führten und seinen Kopf verschiedene Male in die Wellen tauchten. Bald bemerkten sie aber, daß sie ihren Zweck nicht erreichten; sie bedeckten sein Haar mit Schlamm, wuschen es wieder aus und überzeugten sich, daß er von Natur roth und nicht gefärbt sei. Hocherfreut über einen solchen Fund, schoren sie ihm den Kopf kahl, schenkten ihm für seine Haare ein Dutzend der schönsten Pferde und sendeten ihn höflichst seinen Weg. Dieser Freund sagte oft zu mir, er wünschte ein Paar Scheffel mehr von dieser Waare zu haben, da sie so gut bezahlt werde, und ich wünschte, daß ich mehr rothes Wasser in meinen Adern hätte, da Ihr es so werthvoll findet.“
Die Kaffern, die ihn aufmerksam zugehört hatten, äußerten ihre Verwunderung, machten sich marschfertig und einen Augenblick später waren sie außer Sicht, in das Dickicht des Hochwaldes verschwunden. John fühlte sich anfangs durch den nicht geringen Blutverlust sehr schwach, lud aber doch seine Schätze auf den Rücken der Thiere und suchte den nächsten Weg zu seiner Hütte auf, wo er kurze Zeit der Ruhe pflegte. Bald fühlte er sich wieder neu gestärkt und gesund wie vordem, und zog nun wieder wohlbewaffnet aus nach dem Dorfe, wo Koremba, seine schöne Rothhäuterin, wohnte. Freudeathmend kam sie ihm entgegen, fiel ihm um den Hals, schmiegte sich mit ihrer schönen Gestalt an ihn an, drückte ihn an ihren hochwallenden Busen und hörte nicht auf, ihn zu küssen und zu fragen, wie es ihm ergangen.
Noch zu Anfang der Jagdzeit erhielt John für seine Häute hohe Preise; das Pferd wurde von dem „wilden Papa“ für hinreichend erklärt, und von diesem Tage an, den John zu den schönsten seines Lebens zählte, war die Hütte seines rothhäutigen Liebchens in dem reizenden Thale an den fruchtbaren Ufern des großen Fischflußes das Hauptquartier von John Harris, dem kühnen Jäger in den Schneegebirgen des Kaffernlandes!