Ein Indianerbuch der Technik
Lesen Sie auch gern Jungensbücher –? Da hätten wir eines. ‚Edison, Sein Leben und Erfinden, Erzählt von Ernst Angel‘ (bei Ernst Angel in Berlin).
Daß es Edison gibt, ist ja unwahrscheinlich. Nicht nur, weil der Mann Hunderte von Patenten sein eigen nennt, sondern weil er seiner Epoche, und also auch unsrer, das Gesicht gegeben hat. Das wird ganz besonders anschaulich im Bilde auf Seite 160: Edison, der Chemiker. Da kocht der alte Mann in seinem Laboratorium etwas in einem Tigel, um ihn herum stehen enghalsige Flaschen und bauchige Gefäße – und von oben, von der Decke, kommt eine elektrische Lampe herunter, sie hängt da, einen halben Meter von seinem Kopf entfernt. Die hat er sich erfunden, damit er bei der Arbeit besser sehen kann.
Und die erste Bleistiftskizze des Phonographen ist da – Sie müssen das sehen. Man kann das Buch auch lesen – man liest es übrigens gleich auf einen Sitz zu Ende, so hübsch ist es erzählt. Es geht durchaus her wie im Indianerbuch: man schmunzelt schon, wenn eine Gefahr auftaucht – in diesem Fall eine zu bewältigende technische Schwierigkeit – man weiß: er wirds schon erfinden, und er hat ja auch Alles erfunden.
In dem Buch geht das glatt – viel glatter, als der schöne Leitsatz des Meisters ahnen läßt: „Erfinden: ein Prozent Inspiration – neunundneunzig Prozent Transpiration.“ Nun, von den Mühen ist erzählt – von der unsäglichen Arbeit, die der Mann in seinem langen Leben geleistet hat. Verbesserung des Telegraphen, Großpapa des Grammophons, elektrische Birne, der Elektrizität erst auf die Funken geholfen und – beinah, beinah – im Jahre 1875; die drahtlose Telegraphie. Er ist dann davon abgekommen …
Von den kapitalistischen Folgeerscheinungen ist selbstverständlich [831] wenig die Rede, und das ist in einem Jungensbuch auch nicht nötig. Oder vielleicht grade da –? Jedenfalls hat Edison[1] selbst ja von seiner Arbeit auch nicht den tausendsten Teil dessen gehabt, was ihm zukäme – das haben dann die Andern ausgebeutet. Und wie sies ausgebeutet haben, das ist wieder ein andres Buch. Etwa von Gustavus Myers: ‚Geschichte der großen amerikanischen Vermögen‘ (im Verlag von S. Fischer).
Ganz besonders geglückt sind die Schilderungen der intensiven Spannung vor dem Gelingen und das große „Aaah“ der Welt, wenn es so weit war. Reizend, wie der Phonograph herauskam – wie ein amerikanischer Bischof die Sache erst glauben wollte, als er, Hochwürden selbst, alle Stammväter Josephs selbst in den Trichter gebrabbelt hatte: „Jetzt glaub ichs, Mister Edison. Dieses Tempo macht mir kein Mann in den Staaten nach.“ Ein frommer Mann. Und ebenso fesselnd die Büffelarbeit, um den Kohlenfaden zu finden, der beim Glühen nicht kaputt geht. Edison hat so lange gelebt wie Kaiser Franz Joseph – nur die Erträgnisse dieser zwei Leben sind leicht verschieden.
Lesen Sie gern Jungensbücher –? Dies hier kann man erst selber lesen und dann einem vernünftigen Jungen zu Weihnachten schenken.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Edinson