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Ein Ferngespräch

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Textdaten
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Autor: Kurt Tucholsky
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Titel: Ein Ferngespräch
Untertitel:
aus: Lerne lachen ohne zu weinen, S. 326-329
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1932 (EA 1931)
Verlag: Ernst Rowohlt
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Erscheinungsort: Berlin
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Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Scans auf commons
Kurzbeschreibung:
Erstdruck in: Vossische Zeitung, 5. Juni 1927
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Bild
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Bearbeitungsstand
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[326]
Ein Ferngespräch

„Hier ist nochmals das Fernamt. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie möglichst langsam und möglichst dialektfrei sprechen müssen; der Telephonverkehr für solche Gespräche, wie Sie eins angemeldet haben, ist zwar freigegeben – aber nur unter der Bedingung, daß der dortige Überwachungsbeamte den Gesprächen folgen kann. Wir haben [327] nun die Erfahrung gemacht, daß regelmäßig getrennt wird, wenn die Teilnehmer Dialekte oder fremde Sprachen sprechen. Wir weisen Sie in Ihrem Interesse darauf hin.“

„Ja doch. Allemal. Na jewiß doch.“

*

„Au backe! Et klingelt. Det is det Fernjespräch! Emma, sperr ma die Jehrn in die Kiche, det sie nich so brillen!

Jaaa –? Emil, bist du da? Emil! Wat sacht der? Emil! Emil! Bist du da? ’n Tach, Emil! Hier is Pauel! Ja! Ick spreche nehmlich jewählt, damit daß die Beamten heern solln, det wir nischt Vabotnes sprechen! Heer ma, Emil! Wie jehts dir denn? Jut, ja? Saufst du noch so viel? Det mußte nich! Det jreift die Nieren an – die Nieren! die Nieren! – liecht det an die Vaständjung, oda haste dir de Ohrn nich jewaschen? Emil! Paß ma uff! Ick rufe wejen Minnan an! Paß ma uff:

Minna wollt doch nu heiratn, weißte, wa? Nu will sie ihrer aber nich heiraten – neien! Er will nich! Er sacht, det dritte Kind wär nu auch nich von ihn – er sacht, ßweemal hätt er sich det mitanjesehn, aber det dritte Mal, sachta, akennt er det nich an! Er wär keene Kleen-Kinder-Bewahranstalt! Emil! Bist du noch da? Nu hat Erwin sein Schwager, ja, der Dusslige, der imma beit Billjardspiel so mohrelt – ehmderselbige! Ja, der hat ihr doch nu die Wohnungseinrichtung besorcht, det Bett und die Kommode und den Schrank – allens aus Mahachoni – nu sitzt sie damit da. Emil! Bist du noch da? Wat sachste du? Klahren? Die ham se woll mitn Klammerbeutel jepudert? Wat denn – klahren? Der laßt ihr hochjehn, det weeßte doch janz jenau! Natierlich – det wirst du mir nich lernen, wie man diß macht! Ochse! Een Ochse bist du – allemal! Nein. Neien! Mensch, wenn du so [328] lang wärst wie de dumm bist, könntste aus der Dachrinne saufen! Ick bleibe bei mein Wort. Also paß ma uff:

Nu sitzt se da mit den Amöblemang. Nu hatten wir jestan bei Schippanowsky ieber die Sache jeredt – Lottchen wah ooch da und der dicke Mattberg, der immer den Stolzen markiert, und denn Hejemann. Also ick bringe det Jespräch so janz pee a pee uff sehr feine Art uff die Sache … ick ha se erscht n bisken wat injejehm, na, nich Medessin … Emil? Emil! Bist du noch da? Und nach ne halbe Stunde wahn se denn so weit. Ja. Hejemann wah jleich fett … mit die andern konnt ick noch redn. Ick habe sie det anjebotn … und bei die Jelegenheit hat sich noch n andret Jeschäft ajehm … Emil? Emil – hättste Lust, deine olle Laube jejen einen Rennkahn umzutauschen – det heeßt – den nimmt dir der Mattberch wieda ab, det is bloß die Form wejen. Er nimmt die Laube, und denn jibt er dir den Kahn … det heeßt: der Kahn jeheert n jahnich … er jibbt n bloß so lange aß seinen aus, bis daß er die Forderung beijetriehm hat … von Hejemann junior! Den kennste doch, wa? Emil? Emil! Wat hältst du von die Sache? Wacht ma! Emma rummelt hier so mit die Meebel! Emma! Wißte jleich stille sind! Na, laß mir man hier fechtig sein – denn kriste aba von Vatan eene jeklebt, dette dir um dir selber trieselst! Emil! Emil – wat hältst du von die Sache? Wat? Det willste nich machen? Woso nich? Warum willste det nich machen? Det is n dodsichres Jeschäft! Wat? Na, Mensch, du mußt da aba orntlich eenen jehohm haben – du saufst ooch, bis daß dir der Schnaps aus de Ohren looft. Warum wißte denn det nich machen? Mattberg tritt die Forderung ab, wattn, wattn … Sicherheit? Wir sind hier nich bei de Reichsbank, do! Wat sachste? Det willste nich? Det willste nich? Na, denn werk dir mah wat sahrn:

[329] Du bist eene janz dusslige Rotzneese, wo nich in de Zeit paßt! Ja, nu – wos mit die Dollaren aus ist, da paßt er! Na, vor dir machen se keene neue Inflation! Vor dir nich! Na, jeh doch! Na, mach doch! Du wirst den Zaun nich pinseln! Du nich! Aber det wick dir noch sahren – ick wer dir mal sahren, wat du mir kannst – du kannst mir –

Emil! Emil! Emil! Ja? Ick plauderte jrade mit den Herrn! Wat sacht er –? Na, is dett die Menschenmeeglichkeit!

Jetzt hat der jetrennt, weil ich ihm nich hochdeutsch jenuch jesprochen habe! Fernamt! Frollein, ick habe jesprochen wie unsa Pastor in de Kirche, und der trennt?

So wie ick hier spreche – ach wat, Dialekt! Dialekt! Ick spreche keen Dialekt – ich spreche Deutsch, vastehn Se mir? So wie ick spreche: mir vastehn ja die Nejer. N wie Nathan … Wech.

So, Emma, nu kriste dein Fett von Vatan!“