Ein Duell des Komikers Wenzel Scholz
[191] Ein Duell des Komikers Wenzel Scholz. Vor etwa dreißig Jahren gastirte Scholz in Graz. Sein Benefiz war angekündigt. Die Einladung zu dieser Vorstellung liegt mir im Original vor und ich erlaube mir, sie als Curiosum dem Lesepublicum mitzutheilen.
Eine dialogisirte Pantomime in 3 Acten. Der erste Act ist von Herrn Pantalon, der zweite von Herrn Harlekin und der dritte von Herrn Pierrot gedichtet.
Bin mit sehnlichstem Verlangen
Den Theatermarkt durchgangen,
Hab geschaut bis zum Erblinden,
Ob was Gutes aufzufinden,
Einen Elephantenrüssel,
Von Thalia, meiner Mahm,
Frisch gekocht mit saurem Rahm.
Her damit! Kost’s tausend Gulden,
Alles eins, wenn ich’s nur habe, –
Und ich pump’s, um mit der Gabe
Ihnen meinen Dank zu weihn
Und Sie möglichst zu zerstreun.
Mit dem Elephantenrüssel.
Wird mit Beifall er gegeben,
Lächelt mir ein neues Leben.
Kann aus mir auf dieser Erden.
Ist’s nur Ihnen vorbehalten,
Mich so glücklich umzustalten,
Wie Mercur aus bloßem Holz.
Ihr ganz treu ergebner Scholz.
Glückliche, harmlose Zeit, in weicher noch eine solche Einladungskarte [192] zur „Elephantenrüssel-Soiré“ das Publicum locken konnte! Man ließ sich glücklich „abspeisen“ damit.
Nach der Vorstellung schritt Scholz der Franzensgasse zu, denn eine kleine allerliebste Grazerin hatte ihn dort zum Rendezvous eingeladen. Aber die kleine allerliebste Grazerin liebte neben Scholz noch einen Husaren-Lieutenant, der den Komiker zu seinem Schätzchen schleichen sah und zähneknirschend an der Straßenecke wartete, bis sein Nebenbuhler das Haus verließ.
Er durfte nicht lange warten, denn schon nach einer Viertelstunde kehrte der Komiker zurück.
„Guten Abend!“ rief der Lieutenant barsch, indem er ihm den Weg vertrat.
„Gehorsamer Diener!“ brummte der Komiker erschrocken und in einem Baß, den er Lablache entlehnt zu haben schien.
„Verstellen Sie sich nicht – ich kenne Sie.“
„Ich bin’s nicht – ich bin ganz ein Anderer.“
„Sie sind Wenzel Scholz?“
„Warum nicht gar! keine Idee!“
„Leugnen Sie nicht! Im Theater habe ich oft herzlich über Sie gelacht, aber außerhalb desselben verstehe ich keinen Spaß, am allerwenigsten, wenn man meine Wege durchkreuzt.“
„Die Wege sind für Militair und Civil gebaut.“
„Sehr richtig, aber dennoch darf ich es nicht dulden, daß man Wege, die ich mir selbst gebahnt, mit mir gemeinschaftlich zurücklegen will. Sie werden mich verstehen und begreifen, daß Sie mir Genugthuung schuldig sind.“
„Was? Sie fordern mich?“
„Zu dienen. Morgen früh werde ich Ihnen einen meiner Freunde senden, um das nähere mit Ihnen zu verabreden. Auf Wiedersehen, mein Herr!“
Der Lieutenant grüßte kalt und förmlich und entfernte sich.
Am nächsten Morgen fanden sich auf einem lichten Platze eines naheliegenden Gehölzes die beiden Gegner gegenüber. Sie hatten die Röcke abgelegt, die Arme entblößt und Jeder hielt einen blitzenden Stoßdegen in der Hand. Die Secundanten hatten das Möglichste gethan, die Gegner zu versöhnen, aber der Lieutenant wies jeden Vergleich zurück, und Scholz hatte zu viel Ambition, ein Wort der Entschuldigung fallen zu lassen.
Aber als sich der Komiker in Positur stellte mit seinem martialischen pudelnärrischen Gesicht und den Degen kreuzen wollte, fing sein Gegner sowohl als die Secundanten aus vollem Halse zu lachen an, denn ihnen war plötzlich und unwillkürlich der „Klapperl“ eingefallen, die Rolle eines Tölpels, die Scholz unübertrefflich spielte.
„Was soll das?“ frug er ernst. „Hat ihnen mein Benehmen etwa Veranlassung zu dieser Heiterkeit gegeben?“
„Nein, nein, Ihr Benehmen ist das eines Mannes von Ehre!“ antwortete sein Gegner, gewaltsam das Lachen verbeißend. „Aber Sie haben ein so drolliges Gesicht, daß ich mit geschlossenen Augen werde fechten müssen.“
Der Zweikampf begann und schon nach einigen Minuten färbte sich das Hemd des Komikers. Die Degenspitze seines Gegners war ihm in die Brust gedrungen, hatte ihm jedoch nur ein wenig zur Ader gelassen, ohne edle Theile zu verletzen.
Die Gegner boten einander die Hände, feierten bei einer Bowle Punsch das Versöhnungsfest, und die komische Muse freute sich, nicht eines Priesters beraubt worden zu sein, für den sie wahrscheinlich in diesem Jahrhundert keinen Ersatz gefunden hätte.