Eigene Arbeit, Ausstellungen, 1935
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel Eigene Arbeit, Ausstellungen, 1935 zeigt die von Stefan Isensee im Rahmen seines Werkes „Eigene Arbeit, Ausstellungen“ zusammengestellten Tagebuchauszüge von 1935. Textauslassungen wurden mit [...] gekennzeichnet, eingefügte Erläuterungen von Stefan Isensee in eckigen Klammern kursiv [Erläuterung].
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][2] Mittags war Fritz Wegscheider da. Ich gab ihm einige Bilder mit Ahrenshooper Motiven mit, da er heute wieder nach Ahrenshoop zurückgefahren ist. Vielleicht kann man die Bilder dort im Sommer verkaufen.
[3][...] [3] als Herr Josef Faensen, – also der Sohn, – kam. Er war noch niemals hier gewesen. Er kam im Auftrage seiner Mutter, um mir zu bestellen, ich möge heute schon um 1 Uhr zum Essen kommen, weil der ebenfalls eingeladene Kaplan schon früh wieder fort müsse. – Ich zeigte Herrn F. meine Bilder, die offensichtlich Eindruck auf ihn machten. Er fand es sehr schade, daß ich nicht mehr male u. er meinte, daß dies doch eine Art von Selbstzerstörung von mir sei u. daß doch dann die Religion die Zerstörerin einer sehr wertvollen Sache sei. Es war zu wenig Zeit, ihm die inneren Gründe auseinanderzusetzen, ich sagte ihm nur, daß es zwar wohl eine Selbstentäußerung sei, aber keine Selbstzerstörung, da durch diese Selbstentäußerung eben nichts zerstört würde, sondern im Gegenteil etwas ganz Neues u. Größeres aufgebaut würde. Das Schaffen von malerischen Bildwerken ist ja an u. für sich eine Selbstentäußerung, indem der Künstler unter oft großen Schmerzen (bei mir wenigstens ist es so) sich seines Ideengutes entäußert u. es in Bildwerke umsetzt, die für ihn dann ganz wertlos sind. Bestenfalls findet er damit Anerkennung, die ihm mit Geld ausgedrückt wird, – aber nicht einmal diesen Vorteil habe ich. Meine Bilder stehen nutzlos u. zwecklos an der Wand u. niemand sieht sie, – was ich auch garnicht so sehr bedaure, denn diese Bilder bleiben doch immer nur ganz trübe Spiegel dessen, was in meinem Inneren vorgeht u. was ich ausdrücken wollte. Es ist also kein so sehr schmerzlicher Verzicht für mich, wenn ich auf diese Art des künstlerischen Schaffens verzichte, denn erstens ist der Schaffensprozeß selbst eine schmerzhafte Qual, die bei meiner Art zu arbeiten meist monatelang anhält u. fast über meine Kraft geht, – u. zweitens ist das Resultat dieser monatelangen Quälerei stets unbefriedigend. – Ich male ja nicht, um irgendetwas Schönes in der Natur schön darzustellen, damit ich selbst oder andere Freude daran haben sollen, sondern ich male um einer Idee willen. Meine Ideen aber sind nun einmal abwegig, sie liegen nicht in der Richtung satter Zufriedenheit, sondern ich will die Mängel u. Fehler unserer Kultur u. unseres zivilisierten Lebens aufweisen, ich will die Lüge u. Unehrlichkeit unseres bürgerlichen Lebens zeigen. Es ist da doch kein Wunder, daß die Menschen solche Bilder ablehnen u. entrüstet zurückweisen, denn sie fühlen sich ja in ihrer Unehrlichkeit sehr wohl u. behaglich.
Da es mir nun also beim Malen garnicht auf ein schönes Bild [4] ankommt, sondern auf die Aufdeckung von häßlichen Unwahrheiten unseres Lebens so kann ich das Malen ziemlich gleichgültig aufgeben, sobald ich eingesehen habe, daß die Menschen sich von solchen Aufdeckungen ihrer Lügen nicht belehren lassen wollen, sondern mich ganz einfach totschweigen und boykottieren. Ich kann das Malen deshalb gleichgültig aufgeben, weil sich mir im Christentum eine weit schärfere Waffe im Kampf gegen Lüge u. Unwahrhaftigkeit angeboten hat. Ich gebe zu, daß ich diese Waffe noch nicht richtig zu führen verstehe u. daß ich noch lernen muß; aber das ist doch nur eine Frage der Zeit u. ich hoffe doch, daß ich bald so weit sein werde, meinen Kampf neu aufzunehmen. Also ist das Aufgeben des künstlerischen Schaffens zwar wohl eine Selbstentäußerung, indem ich mich von Hoffnungen, Wünschen, Eitelkeiten, Erfolgen usw. kühl abwende, denen ich wohl dreißig Jahre meines Lebens vergeblich nachgelaufen bin, – aber es ist keine Selbstzerstörung. Mein inneres Wollen, das Ziel ist genau dasselbe geblieben, nur das Mittel zur Erreichung des Zieles hat gewechselt u. ist ein besseres geworden. Mir ist das Malen ja niemals Selbstzweck gewesen, sondern nur immer Mittel zum Zweck. Dieses Mittel habe ich gewechselt, es heißt heute Religion. Der Zweck ist stets derselbe geblieben, – dieser Zweck ist die Darstellung des höheren Menschen, wie ich das früher nannte, – ist die Darstellung Christi, wie ich es heute nenne. – [...]
[5][...] [5] Dann habe ich den größten Teil meiner alten Bilder von den Rahmen abgenommen u. zusammengerollt, meinen Namen überall herausgeschnitten. Ich werde sie meinem Nachbar Gorbatiuk als alte Leinewand schenken, der sie auf der Rückseite noch verwenden kann. Das Bild: „Josef u. Potiphars Weib“ habe ich mit Farbe überschmiert, wie mir P. Momme-Nissen einmal geraten hat. Er würde schmunzeln, wenn er es wüßte. – [...]
[6][6] Meine Zeit in Ahrenshoop erfuhr eine plötzliche Unterbrechung. Am Donnerstag Abend meldete sich der älteste Sohn Marias, – Kurt, – der hier in Berlin eine erfolgreiche Versicherungs=Agentur betreibt, nachdem er früher in der Ablegung des juristischen Referendar-Examens [7] weniger erfolgreich gewesen war, – für einen plötzlichen Besuch bei seiner Mutter an. Er wollte am Freitag kommen. Da mir das laute, aufdringliche u. unbescheidene Wesen dieses jungen Mannes einfach unerträglich ist, zog ich es vor, am Freitag Nachmittag die Flucht nach Prerow zu meinem Kollegen Theodor Schulze=Jasmer zu ergreifen, der dort ein hübsches, altes Fischerhaus besitzt u. ein vorzüglicher Graphiker ist. Er wohnt in Prerow mit seiner Frau. Er selbst hat am Strande einen sehr hübschen Laden, in dem er seine Bilder u. fremdes Kunstgewerbe verkauft, seine Frau betreibt derweil im Hause mit viel Geschick eine Pension.
Ich ließ mich von Fritz hinfahren, Maria begleitete mich. Dieser plötzliche Abbruch meines Aufenthaltes war zwar etwas wehmütig, aber ich verband damit die Ausführung einer Absicht, die ich schon im vorigen Jahre gehabt hatte, aber nicht durchgeführt hatte, – ich wollte mir nämlich von Sch.-J. die Technik des Holzschneidens zeigen lassen. Ich habe oft bedauert, daß ich nicht Holzschnitte machen kann, besonders jetzt in meiner engen Klause, in der ich doch kaum malen kann.
Das Ehepaar Sch.-J. ist ausnehmend nett. Mein Kollege ist kein bedeutender, aber ein guter Maler, aber wesentlich ist, daß er wie seine Frau Menschen sind ohne jeden Falsch, ohne jeden Hinterhalt. Es sind einfach unkomplizierte, grade Menschen die garnicht anders als freundlich sein können. So wurde ich herzlich aufgenommen u. gleich am nächsten Morgen ging Sch.-J. daran, mich in die Geheimnisse der Holzschnitt-Technik einzuweihen. Ich habe den ganzen Sonnabend fleißig gearbeitet, sodaß ich nun alles weiß, was dazu notwendig ist. Nun ist es an mir, das nötige Handwerkszeug zu besorgen u. mich zu üben, bis ich die Geschicklichkeit der Hand erlangt habe, die eben nur durch Übung erreichbar ist. – [...]