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Egyptische Sklaven

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Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Egyptische Sklaven
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 2, S. 31
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[31] Egyptische Sklaven. Die egyptische Regierung schickt bekanntlich ganz öffentlich ihre Soldaten auf die Sklavenjagd, die oft sehr blutig ausfällt, da sich das menschliche Wild nicht immer gutwillig fangen läßt. Kein Wunder, daß bei der Rentabilität derartiger Jagden auch Privatleute dies Geschäft treiben. Zwischen Obeîd und dem weißen Flusse wohnen die Kababiesch, ein räuberischer Nomadenstamm, dem Namen nach von den Türken ebenfalls unterjocht. Zwanzig bis dreißig dieser Nomaden besteigen ihre schnellfüßigen, ausdauernden Pferde und jagen dem Gebirge zu. Ehe die muthigen Gebirgsbewohner es ahnen, ist ein Dorf überfallen, zehn bis zwölf Kinder werden geraubt, bevor noch der Neger zu den Waffen greifen konnte, ist die Räuberhorde wieder verschwunden. Sklavenhändler erscheinen nun im Lager der Nomaden, kaufen die Kinder und bringen sie nach Obeîd. Die Knaben werden entweder Soldaten oder, wie die Mädchen, Dienstleute, Sklaven in den Häusern der Vornehmen und Reichen. Wohl ihnen, wenn sie in die Hände milder Türken oder Egypter fielen; wehe ihnen, wenn ihr unglückliches Loos sie in die Hände eines Nubiers, Kordofahnesen oder — eines Europäers warf! Die aus der Haut des Hippopotamus geschnittene Peitsche zerfleischte ihren Rücken, ehe sie noch Jünglinge wurden. Die grausame Behandlung dauert auch in der Sklaverei fort. Es ist wahr, der Neger ist in der Knechtschaft ein anderer Mensch als in der Freiheit seiner heimathlichen Berge. Wie jeder unterdrückte und dabei uncivilisirte Mensch wird er falsch, tückisch und schlecht. Seine Energie verwandelt sich in der Sklaverei in Starrköpfigkeit, seine Kriegslist in Hinterlist und Heimtücke, seine an dem feindlichen Stamme ausgeübte Blutrache in Rachsucht: der frühere Krieger wird jetzt leicht ein zu fürchtender Mörder. Der Sklave, welcher seine Kette nicht brechen kann, sinnt auf Mittel, sich an Dem zu rächen, welcher ihm diese geschmiedet. Ihm ist es einerlei, ob er einen milden oder strengen Herrn bekommt, er haßt diesen, wie jenen. Aber der Weiße trägt daran die Schuld. Er entriß ihm vielleicht sein Weib, seine Kinder, er trennte ihn von Allem, was ihm theuer war, er nahm ihm die Freiheit und gab ihm schmachvolle Knechtschaft dafür, er entwürdigte den Menschen in ihm und erniedrigte ihn zum Thiere. Der Reisende, welcher Kordofahn’s Hauptstadt betritt, sieht die Sklaven als Diener von Vornehm und Gering, denen man die schwersten Arbeiten aufbürdet und die man, um ihr Entspringen zu verhüten, mit schweren Ketten fesselt. Unangenehm tönt das Gerassel derselben im Innern jedes Braven wieder; er sieht die Sklaverei in ihrer ganzen Furchtbarkeit. Einen so gemißhandelten Sklaven ist es nicht zu verargen, wenn er sich sehnt, anstatt des lästigen Staubes der Ebene, welche er zu Feld umzuschaffen gezwungen wird, die frische Luft seiner heimathlichen Berge zu athmen; wenn er wünscht, seinen von Peitschenhieben zerfleischten Rücken des lastenden Joches zu entledigen und mit der Lanze in der Hand Dem frei gegenüberzutreten, welcher ihn in jahrelanger Knechtschaft quälte. Er entflieht und eilt zurück nach den blühenden Wäldern seiner Heimath, zu den Brüdern seines Stammes. Aber eine fürchterliche Strafe harrt seiner, wenn ihm ein Fluchtversuch nicht gelang und er wieder eingefangen wurde. Der Sklavenbesitzer will seinen Neger, mit dem er schalten und walten kann gleichwie mit vernunftlosem Vieh, nicht gutwillig fahren lassen. Was ist schon für ein Kummer, wenn so ein Sklave stirbt! Wie bedauert sein Herr den Verlust der zwei oder dreihundert Piaster, die er gekostet hat! Und welche Wuth erfaßt einen Sklavenbesitzer, wenn es einem seiner Leibeigenen gelang, zu entfliehen! Er schwört ihm im Voraus grimmige Rache, unmenschliche Strafe zu. Dann geht er zu einer gewissen Art Menschen, die den Dienst der Bluthunde Nordamerikas übernehmen. Er führt sie in seine Behausung, zeigt ihnen die Fußstapfen des Entflohenen und fordert sie auf, ihn wieder einzufangen, wofür er eine gewisse Geldsumme verspricht. Die Bluthunde machen sich auf, den Flüchtling zu suchen. Sie bewaffnen sich mit Pistolen, einem Feuergewehr und der Lanze, nehmen Ketten, Nägel und eine Axt mit sich, um sogleich die Scheba zu zimmern. Dann verfolgen sie die Fährte des Entkommenen. Unter Tausenden von Fußstapfen wissen sie dieselbe herauszufinden und zu behalten. Es gelingt ihnen nach stunden- und tagelanger Jagd wirklich, den Sklaven wieder einzufangen oder niederzuschießen, wenn er sich nicht gefangen geben will. Im ersteren Falle bringen sie den Unglücklichen zu seinem Herrn zurück.

„Fesselt und bindet den Hund auf diesen Balken!“ herrscht er den Uebrigen zu. Der Befehl wird ausgeführt. Die Henkersknechte, welche die Peitsche schwingen müssen, erhalten von der berauschenden Meriesa soviel sie trinken wollen. Die Bastonnade beginnt. Kein Laut entfährt dem Gefolterten. Schon ist die Lederhaut seines Rückens zersprungen, die blutgetränkten Peitschen wühlen in den bloßgelegten Muskelfasern. Da und dort fliegen die losgetrennten Fleischstücke. Der Gemarterte schweigt, er ist besinnungslos oder gar todt. Ich habe einen so gemißhandelten Menschen gesehen, der mit dem Leben davongekommen war.

Wir waren in dem Grenzdorfe Melbeß in Kordofahn; es war im Monat Mai 1848. Mein Bedienter Mahammed bälgte mehrere große Geier ab, deren Fleisch in Haufen vor unserer Hütte lag. Die Geier fressen nur faulendes Aas, sie selbst nehmen den Geruch desselben an und stinken noch nach Jahren in den Sammlungen, trotz des Kampfers und anderer stark riechender Konservationsmittel. Der Nubier hatte sich, um den Gestank der Vögel ertragen zu können, Zwiebeln in die Nase gesteckt. Da schlich hinkend eine menschliche Gestalt zu ihm und bat ihn mit arabischen Worten: „Ju achni, be rachmet lillahi, wu rassuhlu Mahammed, etini hasa el lachem![1] Ich trat verwundert aus meiner Rebuka hervor. Vor mir stand ein Mensch – nein, es war kein Mensch mehr! – vor mir stand ein menschliches Knochengerippe, mit geistgetödtetem Auge, die Füße in eine mehr als zehn Pfund schwere Kette gezwängt, mit acht bis zehn 4–8 Zoll langen, 1–2 Zoll breiten, eiternden Wunden auf dem Rücken, zitternd vor Schwäche am ganzen Körper und gestützt auf einen Stab, um das wankende, kraftlose Gerippe aufrecht zu erhalten. „Schon der aufrechte Gang des Menschen zeigt das Streben seines Geistes zum Hohen, Himmlischen – zu Gott an,“ lautet die gewöhnliche Erklärung, warum der Mensch aufrecht geht. Fand sie auch hier ihre Anwendung? Wäre dieses Thier, das vor uns stand, wohl fähig gewesen, noch aufrecht, zum Himmel blickend, zu gehen, wenn es sich nicht auf einen Stab gestützt hätte? Nein. Es hätte kaum Kraft genug gehabt, auf allen Vieren herumzukriechen! Aber trotzdem trug es noch die schwere Kette, trotzdem wurde es noch zur Arbeit gepeitscht.

„Unglücklicher, was willst Du mit dem Fleische?“ fragte ich die Jammergestalt.

„O Herr, ich will es essen, ich bin so kraftlos und habe seit Monaten kein Fleisch genossen, ich will mich daran kräftigen.“

Ich habe ihm keine Antwort gegeben, ich fand keine Worte. Stumm willfahrtete ich seiner Bitte. Hätte er mich gebeten, ihm die Kugel der neben mir stehenden Büchse durch sein Hirn zu jagen, ich hätte es auch gethan! – Das ist die Sklaverei im Innern Afrika´s; das war ein Sklave, der entflohen, wieder gefangen und vor drei Monaten bestraft worden war!

Man erinnere mich hier nicht an die bekannte Thatsache, daß die Schwarzen Hunde, Schlangen, Krokodile und anderes Gethier, vor dessen Genuß wir zurückschaudern würden, ohne Ekel verspeisen, – Geierfleisch essen sie nicht. Ich behaupte, daß es einem Menschen, der andere Nahrung erhalten kann, unmöglich ist, eine so ekelhafte Speise zu genießen. Das bewies das Erstaunen und Grauen meines braunen Bedienten bei der Bitte des Unglücklichen, das bewiesen meine lebenden, stinkendes Aas mit Begierde verschlingenden Hyänen, welche sich weigerten, Geierfleisch zu fressen. Ein fast verhungerter, durch Mißhandlung halb wahnsinnig gewordener Mensch ißt es, er befindet sich aber in einem so traurigen Zustande, daß er nicht mehr Mensch genannt werden kann.

  1. Mein Bruder, bei der Gnade und Barmherzigkeit Gottes und seines Gesandten Mohammed, gieb mir dieses Fleisch.