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Doktor Eisenbart (Die Gartenlaube 1893/6)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: A. T.
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Titel: Doktor Eisenbart
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 6, S. 99
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[99]

Doktor Eisenbart.

„Ich bin der Doktor Eisenbart,
Kurier’ die Leut nach meiner Art,
Kann machen, daß die Blinden gehn,
Und daß die Lahmen wieder sehn,“

so klingt’s in Bühl und anderorts in Schwaben am Fastnachtsdienstag zum „Barbiertanz“ durch die Straßen. Wie ein Charlatan des 17. Jahrhunderts aufgeputzt, in der rechten Hand einen großen Löffel und in der linken ein Seifenbecken, so schreitet der „Doktor“ einher. Das Bewußtsein seiner Würde ist nicht zu verkennen. Und um ihn tost’s und jubelt’s. Er wird geneckt und zaust andre wieder, oder theilt Schläge mit seinem Löffel aus. Musik spielt, und die Burschen johlen und die Buben schreien und die Mädchen wollen sich nicht so drängen lassen und auch etwas sehen.

Endlich hält die Menge – denn ein Zug ist’s nicht mehr zu nennen – an einem freien Platze still. Für den Doktor wird Platz gemacht und neben ihn ein Stuhl gestellt. Er soll rasieren. Nur das Opfer fehlt noch zu dieser würdigen Handlung. Aber vier Burschen springen lachend in die Menge. Rasch ist ein halbwüchsiger Bube, dessen Gesicht noch keine Spur von Bart zeigt, festgenommen, auf den Stuhl gesetzt, und der Doktor hat ihm auch schon den Inhalt seines Seifenbeckens übers Gesicht gestrichen; und ehe der Arme nur zur Besinnung kommt, beginnt der wackere Arzt ihn mit seinem Löffel zu rasieren. Mancher soll dabei schon bedauert haben, daß sein Gesicht nicht halbkugelförmig gebildet war, sondern mancherlei Vorsprünge aufwies. Schallendes Gelächter lohnt dem hüpfenden und singenden Doktor, wenn er „das Haupthaar“, d. i. die Nase, abzurasieren trachtet.

Doktor Eisenbart im Fastnachtsspiel.
Zeichnung von Fr. Bergen.

Endlich wird das Opfer entlassen. Der Seifenschaum ist zwar erst zur Hälfte abrasiert, aber ein Buckliger meldet sich zur Kur. Sofort wendet ihm der treffliche Arzt seine ganze Aufmerksamkeit zu, schneidet ihm erst den Rock und dann den Buckel auf, nimmt ein Bündel Heu heraus und fordert ihn auf, sich den Schnitt wieder zunähen zu lassen. Der künstlich erzeugte Buckel ist verschwunden, und Eisenbart hat auch hier seine Meisterschaft bewiesen.

Aber ein noch schwereres Stück wartet seiner.

Er soll einem[WS 1] Kranken zur Ader lassen, dem vorher ein mit Blut gefüllter Darm ums Handgelenk gebunden ist. Er schneidet diesen auf – alles Volk sieht das Blut fließen. Mancher Unerfahrene ängstigt sich, die Kinder schaudern, und das Entsetzen wächst noch, denn der Kranke sinkt tot zur Erde.

Alle Versuche, ihn ins Leben zurückzurufen, sind vergeblich. Da schlägt dem leichtsinnigen Arzt das Gewissen. Er sucht zu entfliehen. Aber zwei Fastnachtsnarren fangen ihn wieder ein. Sie lassen ihn auch keinen Augenblick mehr aus den Augen; denn entwischt er ihnen, so muß jeder von ihnen ein Fäßchen Bier bezahlen.

Doktor Eisenbart ringt voll Verzweiflung die Hände. Da fällt ihm ein gutes Mittel ein. Er nimmt ein langes Rohr und sucht damit dem Toten wieder Leben einzublasen, bald in die Arme, bald in den Rücken. Endlich sind seine redlichen Bemühungen von Erfolg gekrönt, der Kranke erwacht, steht gesund wieder auf, und alles zieht gemeinsam zum Fastnachtsschmause. A. T.     

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Ist wohl kein Druckfehler von „einen“, da es „zur Ader lassen“ durchaus auch mit Dativobjekt gibt