Disputation zweier Philosophen
[107] [S 9, Bl.269]
Minister der discipl
get ein, naigt sich vnd spricht:
NUn schweiget still vnd habet rw
Vnd hoert zway philosophen zw,
Wie sie da werden disputiren,
Mit scharpffen worten arguiren.
Suender ain warhaftig geschicht,
Wie solichs nach wort vnde dat
Plutarchues auch peschrieben hat.
Solon der thueet den estant preisen,
Das aim gelerten manne sey
Vil pesser gancz ledig vnd frey,
Ser fueerderlich zv dem studirn,
Vnd thueet das durch vil weg probirn.
Sunder ain andern tag erkiessen,
Von der materj mer zv reden,
Da wert von andern vnd in peden [Bl. 269’]
Aus ir aller experiencz
Der disippel get ab.
[108] Thales, der weis,
get ein, tregt ein sphera celi, seczt sich vnd spricht:
Ich wil hie sehen lawter clar,
Ob dieses zwkuenftige jar
Werd glueecklich vnd auch fruchtpar werden
Von allerley frueechten auf erden,
Ob auch ein finsternues der sunen
Kuemb dieses jar, das alle frist
Vnfruechtparkait an zaigen ist,
Der glaich ander vnglueeck im lant.
Die ich in Egipten vor jarn
Pey den gelerten hab erfarn.
Minister der disippl
kuempt, naigt sich vnd spricht:
Philosophe vnd herre mein,
Es pegeret zw dir herein
Peclaid wie ein philosophues,
Der wil ein gsprech halten mit dir.
Thales, der weis:
Ja, ge, las in herein zw mir.
Wer ist er? Sag, kenstw in nicht?
Minister spricht:
So ist er ain hochweisser mon.
Thales, der weis:
Nuen so las in hereine gen.
Die weil er ist an jaren alt [Bl. 270]
Vnd ainer erber gueeten gstalt,
Von der philosophia reden.
Minister get ab.
Thales spricht zw im selb:
Wer man nuer dieser weis man sein,
[109] Welcher pegert zv mir herein?
Es felt mir gleich ein, wie wen der
Von dem man sagt, er hab vuerwar
Vrlob gnuemen auf etlich jar
Zw Athen von aim rat auf trawen,
Das er die lender mueeg peschawen
Heruemb durch alle morgenlender.
Ich glaueb fueerwar, das ers werd sein,
Es antet gwis das herze mein;
Ich wil in herczen geren sehen.
Wie er der stat Athen zv lecz
Peschrieben hab ser gueete gsecz,
Suenst auch vil guettes hab gethon.
Da kuempt geleich der dewer mon.
Solon get ein; Thales get im entgegen, pewt im die hant.
Solon spricht:
Von herzen ich pegerte hon,
Zw sehen dich vuer alle ander
Philosophi gar mit einander,
Weil die von dem got Apolo
Zw gschicket ist der gueelden disch.
Der halben ist gancz himelisch
Dein weisheit, weil dw hast gancz clar
Auestailt in zwoelff monat das jar,
Welche doch halten gleich drey huendert
Vnd darzw fuenff vnd sechzig tag.
Pey der vnd ander kuenst man mag
Spueeren dein weisheit vberflueessig.
Das ich haimsueech die weisheit dein.
Thales, der weis, spricht:
Dein zwkuenft die erfrewet mein
[110] Hercz hoch vnd trefflich vberaues,
Das dw mich selb suechest zv haues,
Wie wol dw schlechte herberg hast;
Wan ich leb in meim haus gar schlecht
Allain mit dem ainigen knecht
Vnd geleb gar geringer speis.
Mein Solon, woelst haben vergueet.
Solon, der weis:
Mein Thales, sag mir doch in gueet,
Hastw den kain weib zw der e?
Oder ist dir in kranckheit we
Thales, der weis:
Mein lieber Solon, wis, ich hab
Mein lebenlang kein weib nie ghabt,
Weil mich die natuer hat pegabt,
Kain pegier zw den frawen geben.
Solon: spricht:
We dem, der also ainsam ist,
Auf im selb siczet alle frist. [Bl. 271]
Ein weib der eren tregt ein kron,
Die thueet erfrewen iren mon;
Erqueicket sie sein trawrig hercz,
Ist sein gehueelff an allen orten,
Mit senften vnd droestlichen worten
Droest sie in ein aller anfechtung,
Stet sie im pey in aller not.
Dein leben ist ain halber dot,
Die weil dw lebest an ain weib.
Thales, der weis:
Mein Solon, wis, das ich vertreib
Auch mit dem ainflus der gestirn
Vnd ausmessung dem ertereich,
Vnd ander kuensten der geleich;
An solchem wuerd das weib mich irrn,
Weil Plato sagt: ein weib all frist
Ein vnrueiges ueebel ist,
Ist albeg klagpar vnd geschweczig,
Arglistig, mistrew vnd auf seczig,
Auch zenckisch, zornig vnd gancz wueetig,
Wen man nach irem sin nit thueet.
Druemb hat mich angsehen fueer gueet,
Mich an ein efrawen zw pleiben,
Weil ich ir wol geraten kon.
Solon, der weis:
O mein Thales, ein fruemer mon
Kan im ain fruemes weib wol zihen.
Druemb sint die weiber nit zv fliehen; [Bl. 271’]
Thales, der weis:
Der posen doch am maisten sint.
Daruemb ziech weiber, wer da woel.
Solon, der weis:
Ein weis man ain weib haben soel
Von wegen des kinder gepern,
Auch die eltern erlangen ob
Iren kinden er, preis vnd lob.
Weil dw aber an weib vnd kinder
Lebst, so wirt deines lobs auch minder;
Mit deinem dot es als abstirbt,
Weil dw kain suen hast von deim stamen,
Der nach dir erlewcht deinen namen.
[112] Hest abr ein weib, geperst mit ir
Der dein pildnues hie trueeg auf erden,
Durch den moecht dein gedechtnues werden
Langwirdig, ruechtpar vnd ganz loeblich.
Thales, der weis:
Solon, in diesem felstw groeblich,
Suender mit laster vnd vndaten
Ziehen sie oft zv schant vnd spot
Den eltern trueebsal, angst vnd not,
Das sie sich ir den mueesen schemen.
Solon, der weis:
Dw waist von kainer kinder zuecht.
Mainst nicht, es zihen ire fruecht
Die eltern auf thuegent vnd er?
Thales, der weis:
O, sie sind darin sauemig ser,
Solon, der weis:
Die eltern zihen ire kind
Durch natuerlich einpflanzte lieb,
Die sie zewcht mit aim starcken trieb.
Von kinder lieb waist nit zv sagen,
Hast gehabt weder weib noch kind,
Die so lieb vnd so angnem sind,
Ein gewuerzelt der eltern mueet
Vber all er vnd zeitlich gueet,
Thales, der weis, spricht:
Mein Solon, darpey kan ich rechen,
Das aus solcher lieb zv den kinden
Die elteren oft gar erplinden,
Den kinden alln muetwillen lassen,
Das sie den iren jamer sehen,
Wie ich den vormals auch hab jehen,
Weil sis an alle straff aufzihen.
Des thw ich weib vnd kinder flihen,
Solon, der weis:
Mein Thales, so hastw auch nicht
Von kinden frewd vnd irem schercz,
Welches erfrewt der eltern hercz
Ob allem schercz vnd frewden spiel.
Thales, der weis:
Weil sie ist kindisch vnd vergencklich.
Dargegen gros vnd vberschwencklich
Ist vnrwe vnd mueeseligkeit, [Bl. 272’]
Sorg, angst pey kinden alle zeit
Das gar selten ain tag verget,
Der nit schrecken vnd angst gepirt.
Aus dem gar leicht ermessen wirt,
Das laid die freud weit vberwiget.
An kuensten vnd an der weisheit,
Welcher ich pas zv aller zeit
Aus warten kan an dieser stet,
Den so ich weib vnd kinder het,
Solon, der weis:
Wen idermon also wolt ton,
Wie dw, so zerging menschlich gschlecht.
Thales, der weis:
Ja, mein Solon, dw sagest recht;
Ir sint suenst gnueeg, so die welt meren,
Vnd ge gleich muesig weib vnd kind,
[114] Die doch gros herczlaid pringen sind,
Mainstw nicht, dein suen mit der zeit
Wert dir noch pringen herzenleit,
Solon, der weis:
O, mein Thales, gar nimer mer,
Die weil mein suen ist plueender juegent,
Ein spiegel vol weisheit vnd thueegent,
Wie kuend der pelaidigen mich?
Thales spricht:
E den vergent zwen ganczer tag,
Das ich dir hie die warheit sag.
Der minister kuembt, spricht:
Ir herrn, es ist hoch mitags zeit. [Bl. 273]
Kuembt rein, das essen ist pereit.
Sie gent alle aus.
Minister
get wider ein vnd ret mit im selb:
So icz durch alle morgenlender
Haben den aller hochsten ruemb,
Sint doch nit aines sins daruemb.
Wil ich gern hoern in irem krieg,
Thales, der weis,
kuempt, dregt mantel, huet, puelgen vnd stab, spricht:
Minister, so nem den walstab,
Die pueelgen, hueet vnd mantel grab,
Thw den zv vns paiden eingen,
Sag vns, dw kuemest von Athen,
Wie ain juengling gestorben sey,
Sam sey er gwest Solonis suen.
Wirst im wol wissen recht zv thuen
Mit allen listigen vmb stenden,
[115] Minister
nempt die rueestung, spricht:
Ja, herr, ich wil mich legen on,
Gleich eim walprueder einher gon
Vnd dein fuerschlag in allen dingen
Gancz vnerkant zv ende pringen.
Der minister get ab.
Thales, der weis, spricht:
Durch list kuent obliegen in dem,
So ich in moecht ob seinem suen
Cleglich kuent machen trawren thuen,
Darmit ich all sein arguement
Das pesser wer leben on e,
Weil darfon kem gros angst vnd we.
Solon, der weis, get ein, spricht:
O Thales, ich hab in deim haues
Pesichtigt alle gmach duerchaues,
Vnd dacht, wie imer schad es sey,
Das dw nit haben solt ain suen,
Der deinen schacz sol erben thuen,
Edler den golt vnd edel gstein,
Etwan eim fremden in sein hant,
Dir vormals genczlich vnpekant.
Thales, der weis:
Das stet als in der goetter hent,
Wem sie nach meines lebens ent
Weil ich in nuer hab in dem leben,
So frag ich gar nit mer darnach,
Wer in nach meinem dot entpfach.
Minister
get ein wie ein walprueder, pringt den prieff, spricht:
Wont Thales, der weis, in dem haws?
[116] Thales, der weis, spricht:
Der waltprueeder:
Eillent ich her von Athen lieff
Vnd pring dir, herr, diesen sentprieff,
Den dir sendet Chilon, der weis,
Entpewt dir auch sein grues mit fleis.
Thales nempt den prieff, pricht in auf, list in haimlich.
Solon spricht:
Aus der kriechischen stat Athen?
Der waltprueder spricht: [Bl. 274]
Es ist gleich heuet der achte tag.
Solon, der weis:
Was ist icz zv Athen die sag?
Hat die stat iczuend gueeten fried?
Der waltprueeder:
Da war ein juengeling vertorben,
An ainer gechen kranckheit gstorben,
Als man die leich gen kirchen trueeg,
Schueler vnd priester vorher zueeg
Man hort auch aller glocken thoen.
Nach der par ging der gancz senat
Vnd fast all puerger in der stat,
Das ich hab gehoert all mein tag
Es waint vmb in frawen vnd mon.
Solon, der weis, spricht:
Dw mein waltpruder, sag mir on,
Kanst mir nit ansagen gewis,
Wie dieses juenglings vater hies,
[117] Der waltprueeder:
Ich hab in zwar wol hoeren nennen,
Ist mir seit her gefallen ab.
Wol ich vom volck gehoeret hab,
Sein vater sey ein weiser mon,
Mit gueter ler vnd weisem rat;
Darumb Athen, die gancze stat,
Thueet im ser groses lob nach sagen;
Hoert auch, wie er in jar vnd tagen
Solon, der weis, spricht: [Bl. 274’]
Mein waltprueeder, sag mir darpey,
Wen dw denselben mon horst nennen,
Mainst, dw kuenst seinen namen kennen?
Waltprueder spricht:
Ja, wen man mich monet daron.
Solon, der weis spricht:
Der waltprueeder:
Ja warlich, er haist gleich also!
Solon
schlecht sein hent ob dem kopff zvsam, waint vnd schreit:
O zetter! waffen! moerdio!
Ist mein herczlieber suen verschieden
Vnd hat den grimen dot erlieden!
Der elentst man auf erd ich pin.
O, ir goetter, was zeicht ir mich,
Das ir mich plagt so piterlich?
Nuen vertrewst mich auf ert meins lebens.
Thales, der weis:
Clag pringt nit wider seinen gaist.
[118] Solon spricht:
Derhalb clag ich auch aller maist,
Das vergebens ist all mein clag.
Thales spricht:
Mainstw doch an dem fordern tag,
In kaim weg mer petrueebet werden.
Meinst nicht, dein iezig trawrikeit
Vbertreff die freued allerzeit,
Die dw ie hest mit deinem suen?
Solon, der weis:
Thales, der weis, spricht:
Mein Solon, iczuend glawbstw mir,
Das nueezer wer gewessen dir,
Dw werst nie kuemen in die ee,
So hest icz nit so herczlich we
Solon, der weis:
Dw sagst war. O, mein suen war fruemb,
Solt er mich den nit herczlich dawren?
Thales, der weis:
Mein Solon, was thuestw den trauren,
Weil er war fruemb in seinem leben,
Nuen wont er an der goetter schar.
Wie wuerstw sein so trawrig gar?
Wen dw hest ain poshaften suen,
Der auf erd nie kain guet het thuen,
Vmb in haimlich fressen vnd gremen,
Auch nach seim dot sein arme sel
Zumb dewffel fuer hinab die hel,
Der suen wer zw petrauren schwerlicher.
Solon, der weis:
[119] O mein Thales, wie sol ich thuen?
Ich hab verloren meinen suen,
Auf dem mein drost vnd hoffnueng ston.
Thales, der weis:
Mein auserwelter freuent Solon,
Lebt dein suen, ist frisch vnd gesuend.
Ich hab dis spil dir zv gericht,
Das dw mir kuendest laugnen nicht,
Was angst, vnruee, vnfal vnd sorgen
Kein stete rue nimer drin wirt,
Ein crewcz stet das ander gepirt
Icz an dem weib, den an den kinden,
Wie dw icz aines thest entpfinden,
Die weil man hie auf erden lebt,
Ist vil mer laids den freued darin.
Des ich alles entladen pin,
Weil ich hab weder kind noch weib,
Den ich von anfang meiner juegent
Hab gwent auf weisheit, sittn vnd duegent.
Darin ich gerueecklichen leb
Vnd allen lastern wider streb.
Das sint mein dochter vnd mein suen
Sambt meinen pueechern, die nit sterben;
Darmit so kan ich mir erwerben
Ein vndotlichen ruemb vnd er.
Von dieser materia reden
Vnd nit allain zwischen vns peden,
Suender ich wil aus guenst vnd gnaden
Mer philosophy zv vns laden
Wer noch recht hab vnter vns paiden.
Icz wollen wir nein auf den sal
[120] Mit freuden nemen das nachtmal.
Sie gent alle ab.
Der minister kuempt vnd peschlewst:
Ir herrn, kuembt morgen wider her,
Wan ich hab aigentlich vernuemen, [Bl. 276]
Es wern mer philosophi kuemen,
Verhoren die zwen weissen mon
In irer disputacion
Welcher der paider wirt verliesen,
Zw straff wirt gebn ain aimer wein.
Pey dem da woll wir froelich sein,
Das freued im eling stant erwachs,
Thales, der miletisch philosophus | 1
|
Solon, der athenisch philosophus | 2
|
Minister, ein disippel Thaletis | 3
|
Editionsrichtlinien
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