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Die zehn Gebote (Hermann von Bezzel)/Schluß der Gebote I

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« Zehntes Gebot Hermann von Bezzel
Die zehn Gebote (Hermann von Bezzel)
Schluß der Gebote II »
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Schluß der Gebote I.
Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifriger Gott, der über die, so mich hassen, die Sünde der Väter heimsucht an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied; aber denen, so mich lieben und meine Gebote halten, denen tue ich wohl bis in tausend Glied.

 Gott dräuet zu strafen alle, die diese Gebote übertreten. Darum sollen wir uns fürchten vor seinem Zorn und nicht wider solche Gebote tun. Er verheißet aber Gnade und alles Gute allen, die solche Gebote halten. Darum sollen wir ihn auch lieben und vertrauen und gerne tun nach seinen Geboten.

 Es ist das Wort gar nahe bei dir, in deinem Munde und in deinem Herzen, daß du es tust. 5. Mos. 30, 14.


 Wir kommen heute zur Betrachtung des sogenannten Schlusses der Gebote. Wir werden von Kind auf gelernt haben, auf die Frage: was sagt nun Gott von diesen Geboten allen? zu antworten: Er sagt also: Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifriger Gott usw. Der Schluß der Gebote ist von Luther verhältnismäßig sehr spät hinzugefügt worden. In den ersten vier Betrachtungen über die zehn Gebote bis 1525 hat er mit feinem Geschick an den Schluß der Gebote jenes Wort aus Matth. 7 gesetzt: Alles, was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten. Vom Jahre 1525 an hat Luther die später in den kleinen Katechismus von 1529 aufgenommenen Worte, die wir eben gebetet haben, Worte,| die, wie jeder Christ, der sich ein wenig in seiner Bibel auskennt, weiß, nicht am Schluß der zehn Gebote, sondern am Schluß des ersten Gebotes stehen. Wer vielleicht heute Abend in 2. Mos. 20 nachschlagen wollte, würde sehen, daß unmittelbar nach dem ersten Gebot das Wort folgt, das jetzt bei uns am Schluß steht. Luther sagt, deswegen habe er diese Worte an den Schluß gesetzt, damit jeder wisse, wie die zehn Gebote alle in dem ersten Gebot lägen, wie das erste Gebot – sagt er dort – der Bügel des Kranzes sei, an dem die einzelnen Blumen aufgereiht wären. Und wenn man ihn fragt: du sagst doch selbst, die zehn Gebote gelten den Christen nicht mehr, da doch Christus das Gesetz erfüllt hat, warum schreibst du noch den Schluß? So gibt er zur Antwort aus dem großen Katechismus: Man muß die Gebote an die Wände schreiben, an die Säume seiner Kleider nähen, in die Hände einzeichnen, damit man sie immer vor den Augen habe. Luther wird aber in der Auffassung der Gebote immer hin und her geworfen. Bald sind sie ihm ein von Christo erfülltes Gesetz, bald ein von den Christen zu erfüllendes Gebot. So ist es auch. Du hast alles bezahlt, aber nicht dazu, daß ich nun der zehn Gebote frei würde, sondern durch Deine Erfüllung gibst du mir die Kraft, auch meinerseits den Weg zu beschreiten. Wenn wir das, was wir erfahren und erleiden wollen, unsern Nebenmenschen vorher tun, dann haben wir die Gebote reichlich erfüllt – sagt, reicht das nicht? –, dann werdet ihr merken: das sind eben die zehn Gebote. Das erste Wort, welches der sogenannte Schluß der Gebote, oder der Schluß und der Ausklang des ersten Gebotes, vor die Seele führt, lautet: Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifriger Gott! Das Wort laßt mich zuerst erklären indem ich sage: Gott eifert um sich und Er eifert um dich.
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 1. Gott eifert um sich. Entweder ist Er der heilige Gott, der keinen anderen Geist gelten läßt, als den| seinen, kein anderes Wort bleiben läßt, als das ihm gemäße und seiner würdige, keine andere Tat als vollwertig einschätzt, wie die in seinem Geist geschehene; oder Er hört auf damit der selbständige, damit der persönliche, damit der lebendige Gott zu sein. In der Stunde, in der Gott Gedanken, die ihm nicht gefallen, neben seinen Gedanken gelten ließe, Worte, die ihm nicht eingehen, neben seinem heiligen Wort bestehen ließe, Werke, die ihm nicht gefallen als gleichwertig den eigenen ausgäbe, wäre Er nicht mehr der heilige Gott. Weißt du, daß dann auf der ganzen Welt keiner mehr rein ist, daß nicht bloß du und dein Geschlecht, deine Vorfahren und deine Nachkommen in Sünden empfangen und geboren sind, sondern, daß auch Er nicht mehr heilig wäre? Weißt du, was das ist? Wenn du, der du längst in der Höhe deiner Jahre bist, überdenkst, was es für ein Schmerz war, geliebte Menschen, deine Eltern, eines Fehlers überführen zu müssen, und wie lange du dich gesträubt hast, bis du zugabest: auch meine Mutter ist unwahr gewesen, so kannst du etwa ermessen, was es heißt: auch Gott ist nicht mehr rein. Dann ist die Erlösung nicht, aber auch die Strafe nichts und das Wiedersehen mit ihm ist keine Freude, sondern erneut nur den Schmerz und macht ihn scharf. Und worauf freust du dich dann und was ist der Wert deines Lebens? Aus der Unreinheit gehst du zu dem Unreinen hin. Wenn Gott nicht heilig ist, ist er auch nicht mehr persönlich. Denn nur so weit ist der Mensch persönlich, als er das, was er sein soll, ist. Der Sünder ist keine Persönlichkeit sondern deren Karikatur. Denke dir, Gott wäre nicht sündenfrei, so würde Er allmählich aufhören ein heiliger, reiner Charakter zu sein. Sein Bild bekäme Schatten, Lücken und wer bürgt dir dafür, daß dieser Zersetzungsprozeß einhält? So wenig ein geliebtes Menschenbild unter der Erde der Verwesung standhält, so wenig dieses geliebte Menschenbild seine ursprüngliche Art| behält, so wenig würde Gott derselbe bleiben; Er würde immer schwächer, sein Antlitz immer unklarer; Er würde dich bald nicht mehr hören, deine Gebete wären wirkungslos: Er hörte auf persönlich zu sein. Und dann hörte Er auch auf lebendig zu sein. Ich weiß nicht, ob sich jemand unter euch schon den Gedanken zurecht gelegt hat: Gott ist tot. Diese neuesten Lehrbücher des Monismus, mit denen jetzt kein geringer Teil unserer Jugend gequält wird, zeigen, daß es keinen lebendigen Gott mehr geben kann. Aber hast du dir schon gedacht: es ist kein Gott über dir und darum auch keiner in dir? Und du gehst dahin, um vielleicht nach hunderten von Jahren als Pflanze oder Stein oder als Flechte empor zu tauchen? So lehrt man jetzt die Kinder! Jahrtausende haben dann an einen Traum sich verloren, denn es gibt keinen persönlichen Gott.
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 Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifriger Gott! Er eifert um sich und kein Zug seines Antlitzes, der einmal die Erde traf, wird von ihm vergessen und versäumt. Wenn Er einmal etwas gesagt hat, so mögen die Berge eher untergehen, als daß Er es zurücknehme. Ich bin ein eifriger Gott und stehe bei meinem Wort, daß Ich es tue und setze meinen Willen durch, es mag die Welt in Trümmer gehen. Er denkt zunächst an sich, an sich allein: Ich bin ein eifriger Gott! Schau her mein Christ, weil Er so eifrig ist, läßt Er auch die geringsten Gedanken, die ihm entgegen sind, nicht ohne weiteres durchlaufen. Manche sagen: um Kleinigkeiten kümmere sich Gott nicht; aber was klein ist, bestimmt Er und was groß ist, weiß Er. Nicht der leiseste Gedanke, der gegen Gott ist, kann ungestraft durchgehen, entweder Er straft ihn an dir oder Er hat ihn an seinem lieben Sohn gestraft. Wer an den Sohn glaubet, der kommt nicht ins Gericht! Schau her, wenn du ein einziges unbedachtes Wort scharfer, liebloser Art, oder ein einziges unwahres Wort gesprochen hast und es nicht bald, gleich, sobald dich die| Reue übermannt, deinem Herrn Christus gestehst, daß Er dir vergebe, wird Gott der Herr es dir an deinem Haupte heimsuchen. Es wird ein Gewicht auf deinem Wege, eine Last auf deinen Schultern. Es verwehrt dir den Blick in die Heimat; es macht dich unfrei, drückt dich und macht dich arm. Und das ist noch nicht das Höchste. Das Wort muß irgend eine Genugtuung bei dem himmlischen Herrn erfahren, oder richtiger: der heilige Gott muß für das unheilige Wort aus deinem Leben eine Genugtuung empfangen: entweder, daß du Jesum für dich leiden lässest, – wohl dir dann – oder, daß du ohne Jesus leidest. Ich bin ein eifriger Gott, der die Sünden heimsucht. Und wie sucht Er sie heim! Da gibt es Menschen, die ihr Leben lang nicht froh werden können, weil Gott an ein unbereutes, ungesühntes Wort eine ganze Menge von Folgen gehängt hat. Dieses Wort hat dort verdrossen, hier geschädigt, hier eingerissen, – und dies eine Wort begräbt ein Glück. Eine Lüge deiner Jugend hast du deiner längst heimgegangenen Mutter nicht mehr gestanden und nun steht dies Wort zwischen dir und ihrem Andenken. Immer wieder, wenn du deiner Mutter gedenkst, kommt dieses Wort dazwischen; es stört ihre Erinnerung und macht dich unfrei und arm. Ein einziges Sandkorn, das im Auge sich verlor, liegt viele Jahre lang in einem verborgenen Winkel der Augenhöhle, plötzlich drängt es sich vor, dein Blick wird müde, dein Auge matt; der Arzt sagt dir, es muß ein längst im Auge geschlummerter Schade lebendig geworden sein. So ist es bei Gott. Gott kann gar lange eine Sünde liegen lassen und plötzlich läßt Er dann das Unheil über dich hereinbrechen. Dort in Amerika sind diese furchtbaren weißen Ameisen, welche jahrelang, ohne daß man es achtet, an den Grundpfosten eines Hauses nagen und fressen – und über Nacht bricht das Haus zusammen, denn seine Balken sind faul. So macht es Gott manchmal bei Familien. Gestern noch| war das Haupt der Familie hoch geachtet, heute liegt der gute Name im Staube. Das macht der Zorn Gottes, der hat ganz unvermutet diesen Menschen heimgesucht. Ich habe öfters schon der Gemeinde das Wort aus Hosea gesagt: Israel, Ich werde dir wie eine Motte sein und Juda wie eine Made! – Dort nimmt die Hausfrau ihr sorglich gehegtes Feierkleid aus dem Spind und das Kleid zerfällt ihr unter der Hand, denn es haben Motten ihr Zerstörungswerk unbeachtet vollbracht. Und manches Hauses Glück tritt heute an die Sonne und siehe, es zerfällt beim ersten Sonnenblick. Das ist der eifrige Gott, der um sich und um seine Ehre so sorgt. Aber du hältst mir vor, daß Er „über die, die ihn hassen, die Sünden der Väter heimsucht an den Kindern.“ – Ist das recht? Gott läßt frühere Sünden später erst gestraft werden, den heimlichen Fluch, der auf einem Hause liegt, erst nach Generationen lebendig werden. Ist das recht? Und wenn du in deiner Bibel etwas bewandert und, was noch mehr ist, in der Liebe deines Gottes etwas zu Hause bist, sagst du: ist das der Gott des Erbarmens? Schreibt doch der Prophet Hesekiel im 18. Kap.: „So wahr als Ich lebe, spricht der Herr, der Sohn soll nicht tragen die Missetat des Vaters und der Vater soll nicht tragen die Missetat des Sohnes; sondern des Gerechten Gerechtigkeit soll über ihm sein und des Ungerechten Ungerechtigkeit soll über ihm sein.“ Das weiß ich wohl, aber, geliebte Christen, es heißt auch – und das muß man oft sagen, weil hier manches bewußte Mißverständnis unterläuft – „der über die, so mich hassen, die Sünden der Väter heimsucht.“ Ein alter Ausleger sagt: Das ist schon eine Strafe Gottes, wenn am Beispiel des Vaters der Sohn die Sünde lernt: Hophnis und Pinehas Schandtaten mußte der alte Vater mit erleiden, weil an seiner Schwäche die Söhne das Sündigen gelernt haben. Jede unbereute Sünde wirkt so weiter als Tat und als Beispiel, denn aus den Vätern, die ihrer| Sünde sich nicht scheuten, erwächst das böse Beispiel; sie lehren, wie man haßt, und so wird die Sünde der Väter an den Kindern heimgesucht. Die Lehre des Hasses trifft gelehrige Schüler, die für beides Strafe haben müssen: für das, was sie selbst tun, und für das, was sie gelernt haben.

 Seht, so eifrig ist Gott, daß Er in der Weltgeschichte durch ganz bestimmte Sünden heimsucht. Das alte Rom, das durch den Ernst seiner Gesetze weltgebietend dastand, ist an seiner Sünde gestorben; Barbaren sind eingebrochen und haben die ganze Größe des Staates in den Staub geworfen. Wenn unser Volk die Gnadenstunde der Reformation versäumt, – und es scheint, als ob es endgültig diese Gnadengabe Gottes vergessen und verschmähen wollte – so wird Gott nicht bloß den Abfall heimsuchen, sondern wird diesen Abfall fortwirken lassen und wird die religiöse Verarmung auch in eine sittliche Verödung ausgehen lassen. Unser Volk wird nicht allein an seinem Irrtum sterben, sondern an den Begleiterscheinungen.

 So macht es Gott, weil Er, der Herr, ein eifriger Gott ist. Wer die Geschichte einzelner Völker recht ansieht und prüft, merkt, daß Dinge, die vor Hunderten von Jahren geschehen sind, jetzt wieder kommen. Das Blut der um ihres Glaubens willen Erschlagenen schreit noch jetzt gegen Frankreich von der Erde. Und dieses große, edle Volk kommt nicht zum Frieden, bis es die Schuld an seinen treuesten Söhnen, die Verfolgung der Protestanten, bereut und bekennt. All dieses sagt uns Gottes Wort mit dem einfachen: „Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifriger Gott.“ Sagt an, warum ist manch ein Mensch so vom Unglück verfolgt und kann es nicht ein Kreuz heißen? Denn wer vom Kreuz verfolgt ist, der ist stark, und wer vom Unglück verfolgt ist, der ist arm. Raste nicht, bis du den tiefsten Grund des Unglückes, nicht in dem und jenem, sondern in dem einen, woher alles rührt, erkennst, Buße tust und das| Kreuz Christi erfassest, daß Er dich von deiner Sünde rein mache!

 Aber indem der Herr ein Gott ist, der um seine Selbsterhaltung eifert und der nicht ruht noch rastet, bis seine Ehre ganz ungeschmälert dasteht, eifert Er auch um dich.

 „Den ganzen Tag“ – spricht Er zum Propheten – „strecke Ich meine Hände nach meinem Volke aus.“ In all den Wettern spricht doch das Erbarmen und in all seinen Strafen glüht doch seine Liebe. All das Schwere, das über dich kommt, die bitteren Heimsuchungen von Volk und Familie, die ernsten Gerichte, die durch dein Haus ziehen, sind Liebesschläge: meinem Gott liegt meine Seele am Herzen. Wenn das einmal eintritt, daß jemand ungestraft sündigen darf, dann ist bereits das Urteil über ihn gesprochen; davor behüte euch und mich der himmlische Vater! Wenn Gott nicht mehr um dich eifert, nicht mehr um dich sich müht und dir nicht mehr nachgeht, wenn Er dir alles hingehen läßt, so ist das nicht deines Endes Anfang, sondern deiner Verurteilung Schluß. Er eifert um mich, weißt du auch, was das heißt? Ehe ich in die Bibelstunde gegangen bin, bin ich wieder über die Gräber hingegangen und das ist immer die beste Vorbereitung. Wer denkt der Vielen, die in unserer nächsten Nähe ruhen? Es waren Menschen mit Leidenschaften, mit Glück, Menschen, die etwas bedeuteten, und jetzt ist ihr Name kaum mehr zu lesen, viele von denen, die sie kannten, sind dahin; wer nennt und wer kennt sie? Und um jeden Einzelnen dieser Menschen, die da draußen sind, hat sich Gott gemüht, als wäre er allein auf der Erde. Und wenn ich an dem Grab des armen Taglöhnerkindes stehe und keine Blume blüht, so muß ich sagen: was ist der Mensch, daß Du sein gedenkst und gehst jedem Einzelnen bis in seine letzte Minute nach und kümmerst Dich um ihn und schaust täglich jeden seiner| Wege an. Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifriger Gott; du liegst mir am Herzen. Ach, wenn man so die Bilder an sich vorüberziehen sieht: keine Menschenseele kümmert sich um diesen Armen, an dessen Ohr vielleicht das fromme Wort schlägt: ihm wäre es besser, er wäre nicht mehr; was soll und was will er noch, Unkraut am Wege, Hindernis für den Fortschritt, Ballast für das Streben der andern! aber Gott denkt anders: Er eifert um diesen Menschen, Er hat Öl und Wein und lindert die Schmerzen; Er sendet den Schrecken, daß der arme Mensch verzagt, und dann läßt Er die frohe Botschaft wieder um die Schläfe wehen, damit er hofft. Er geht ihm nach mit demselben Eifer, mit dem Er einem Königskinde nachsieht. Ihm ist nichts so wichtig als dieses Menschenleben, das keine Lücke reißt, wenn es aufhört. Aber der, der einst an den Toren Jerusalems weinte und an den Toren Ninives derer gedachte, die nicht wissen, was links und rechts ist, der Gott lebt noch heute und eifert um dein und mein Leben. Ich spüre es, wie ich ihm anliege und ich merke es, wie Er meiner gedenkt und darum läßt er mir nicht meinen Willen, der mich verdirbt, sondern heißt mich seinen Willen tun, daß ich genese. Den einen Menschen führt Er eine ganz enge Bahn, aber auch in der engsten Bahn kann man irren; den andern Menschen zeigt Er weite Wege und auch auf weiten Wegen braucht man sich nicht zu verlaufen. Einem Menschen schneidet Er alles, was er zum Leben braucht, so Stück um Stück vor, und dem andern Menschen gibt Er den Reichtum der Möglichkeiten. So eifert Er um einen Menschen. Und das Wort, das uns so fremd ansieht: Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifriger Gott, wird nun unser höchster Trost. Wenn ich mich zu Bette lege, so denkst Du an mich und wenn ich erwache, so redest Du von mir. So wert bin ich in Deinen Augen, denen ich Tränen kostete und so viel gelte ich Dir, dem ich entlief! In der Stunde, in der mir der Eifer Gottes| um meine Seele wieder recht ans Herz greift kann ich aus freier Seele beten: Mach’s mit mir Gott nach Deiner Güt! Suche heim alles, was nicht recht ist und schweige nicht über meiner Sünde; lieber, daß Du es genau nimmst jetzt, als daß Du es genau nimmst einst; lieber, daß jetzt mein Leben unter dem Druck der Zucht vergeht, als daß es frei schweife und im Kerker ende. Besser, Du hegst jetzt meine Schritte ein, als daß Du gönnst meinen Füßen weiten Raum und einst den Stock im Kerker. So versteht ihr’s vielleicht ein wenig. Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifriger Gott, so eifrig, daß Ich heimsuche die Sünde, und es tut mir weh, wenn Ich strafe; so eifrig, daß Ich heimsuche die Treue und es tut mir wohl, wenn Ich ihr begegne.
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 Bis ins tausendste Glied glänzt die Sonne durch Jahrhunderte; auf dem Felde, da die Treue baut, leuchtet das Erbarmen durch viele Geschlechter; Kinder blühen auf im Segen eines treuen Elternhauses und werden Männer durch den Frieden, den Gott auf ihrer Eltern Namen legt. Arbeit gedeiht, der Beruf wird gefördert, Gott gibt Segen von Geschlecht zu Geschlecht bis ins tausendste Glied. Da soll man’s merken, wie ihm das Wohltun eitel Freude ist und wie Er sich müht, auch die Wehtat in Wohltun zu verkehren. Das fehlt unserer Zeit: die Furcht vor dem heiligen Gott! Unser Geschlecht hat vor ungefähr 40–50 Jahren von einem guten Gott, dann von einem zürnenden Gott die Predigt vernommen und dabei haben sie den gnädigen Gott zu nennen verlernt. Ich weiß und ich sage: es wäre besser, du hättest nie etwas vom Blute Jesu gehört und hättest mehr gehört von dem heiligen Gott, der nicht vergißt und nichts unbezahlt läßt. Wir haben uns gewöhnt zu sagen, was einst ein spottender Dichter gesagt hat: Gott wird mir verzeihen, das ist seine Art. Die Art Gottes heißt nicht: verzeihen, sondern Gerechtigkeit! Wenn wir uns nicht fürchten lernen vor dem Gott, der seiner nicht spotten| läßt, so werden wir nie der Gnade froh werden. Nicht aus der Gnade in den Schrecken, sondern aus dem Schrecken in die Gnade, das ist Weg und Weise der Reformation.

 Gott helfe euch und gönne es auch mir, daß wir uns vor seinem Zorn fürchten, denn in der Stunde, wo wir es merken: Er will an uns, um uns zu verderben, mögen wir die Hände dessen sehen, der für uns betet und spricht: Noch dieses Jahr. Darum, wenn uns aller Mut entfällt, – heiliger Herre Gott, voll Ernstes und voll Zornes! – dann trete Jesus vor uns und spreche: Ich habe den Zorn Gottes getragen und du hast ihn verwirkt. Gehe ein jeglicher unter uns täglich im Ernste des Zornes Gottes und ihr werdet andere Leute werden! Eure Worte werden sparsamer und züchtiger, eure Gedanken werden ernster und frömmer und euer verborgenes Leben wird vorsichtiger werden; zunächst vielleicht nicht aus Liebe zu dem gnädigen, sondern aus Angst vor dem heiligen Gott. Er aber kann machen, daß die Angst zur Liebe werde.

Amen.





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