Die zärtliche Frau
Wie alt ist nicht der Wahn, wie alt und ungerecht,
Als ob dir, weibliches Geschlecht!
Die Liebe nicht von Herzen gienge?
Das Alter sang in diesem Ton;
Und glaubt die ungereimten Dinge.
Verlaßt, o Männer, diesen Wahn,
Und daß ihr ihn verlaßt, so hört ein Beyspiel an,
Das ich für alle Männer singe.
Du, Liebe, stärke mich, daß mir ein Lied voll Geist,
Ein überzeugend Lied gelinge!
Und gieb mir, zu gesetzter Zeit,
Ein Weib von so viel Zärtlichkeit,
Clarine liebt den treusten Mann,
Den sie nicht besser wünschen kann,
Sie liebt ihn recht von Herzensgrunde.
Und wenn dir dieß unglaublich scheint:
Die sie mit ihrem Mann vereint,
War noch kein Jahr vorbey; nun glaubst dus doch, mein Freund?
Kein größer Glück, als ihren Mann;
Was eines wollte, wollten beide;
Was ihm mißfiel, misfiel auch ihr.
O! sprichst du, so ein Weib, so eines wünscht ich mir!
Ja wohl! ich wünsch es auch mit dir.
Ihr Mann wird krank; vielleicht kannst du sie noch bekommen.
Krank, sag ich, wird ihr Mann, und recht gefährlich krank;
Er quält sich viele Tage lang,
Von ganzen Strömen Schweiß war sein Gesicht umflossen;
Tod! fängt sie ganz erbärmlich an,
Tod! wenn ich dich erbitten kann,
Nimm lieber mich, als meinen Mann!
Wenns nun der Tod gehöret hätte?
Er kömmt, und fragt: wer rief? Hier! schreyt sie, lieber Tod,
Hier liegt er, hier in diesem Bette!