Zum Inhalt springen

Die wichtigsten Momente aus der Geschichte der Architectur 1

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die wichtigsten Momente aus der Geschichte der Architectur. I. Vorklassische Baukunst
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 595–598
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[595]

Die wichtigsten Momente aus der Geschichte der Architectur.

I. Vorklassische Baukunst
(indische, babylonische, persische und ägyptische Architectur).

Die Architectur oder Baukunst, obschon von allen Künsten die älteste und am Meisten in das Leben des Menschen eingreifende, erfreut sich von Seiten des Laien leider nicht derselben Theilnahme wie die Malerei und Sculptur, denen die Architectur doch erst die Bahn gebrochen hat. Ja man findet selbst in den gebildetsten Kreisen nur selten ein Verständniß derselben. Und doch steht die Architectur mit der Gesammtentwickelung der Menschheit im engsten Zusammenhange und zeigt in ihren Werken die geistige Richtung der Völker an. – Wem daran liegt, sich ein Verständniß von dieser wichtigsten aller Künste zu verschaffen, dem empfehlen wir Lübke’s Geschichte der Architectur, welche trotz ihrer Kürze doch die anschaulichste Klarheit neben lebendiger Darstellung bietet und durch 174 Holzschnitt-Illustrationen das Verständniß bedeutend erleichtert. Wir folgen in diesem Aufsatze dem Lübke’schen Werke.

Buddha’istischer Tempel.

Die Baukunst, welche man auch als gefrorene Musik und als die Darstellung des Schönen in der unorganischen Natur bezeichnet, zaubert aus starrer, todter, theils unorganischer (Steinen), theils abgestorbener organischer Masse (Holz), neue, von der Natur noch nirgends und niemals erzeugte Schöpfungen hervor, während die bildenden oder nachahmenden Künste, die Malerei und Sculptur (welche das Schöne des organischen Lebens zum Gegenstande haben), ihre Vorbilder in der Natur finden. Eine Statue, ein Portrait, eine Landschaft ahmen doch immer nur ihr Urbild nach, während eine Tempelhalle, ein Palast, ein Thurm etwas ganz Neues und ganz und gar Menschenwerke sind. – Es fing die Baukunst aber erst dann an eine wirkliche Kunst zu sein, als in dem Menschen der Sinn für Harmonie und Ebenmaaß, Ordnung und Gesetzmäßigkeit erwachte und er im Bauen nicht blos den Nützlichkeitszweck des täglichen Lebens im Auge behielt, sondern außer gemeiner Zweckmäßigkeit auch noch, natürlich nach dem Grade seiner geistigen Ausbildung, Geistiges in körperlicher Form zur Erscheinung zu bringen erstrebte. So treten die ersten, nur aus regelmäßig über einander gehäuften Steinen gebildeten Denkmäler und Altäre dem Wesen der Kunst schon weit näher als die Wigwams des nordamerikanischen Wilden, die backofenähnlichen Hütten des Hottentotten und das schlichte strohbedachte Haus unseres Landmannes. Denn bei diesen Schöpfungen alltäglichen Bedürfnisses ist von höherer, geistiger Vorstellung gar keine Rede, während dies beim Baue auch der rohesten Denkmäler und Altäre doch schon der Fall ist.

Als erste entschiedene Kundgebung der Baukunst als solcher tritt uns der Tempel entgegen; in ihm findet das religiöse Bewußtsein eines Volkes, bei welchem sich das Verhältniß zum göttlichen Wesen bereits in bestimmten Anschauungen ausgeprägt hat und für die Ordnung der gesellschaftlichen Verhältnisse entscheidend geworden ist, seinen Ausdruck. – Dem Tempel folgte dann der Herrscherpalast als bedeutsam für die Architectur; er ging aus dem Tempel deshalb hervor, weil in den frühesten Zeiten die königliche Person als oberster Priester Gottes, ja sogar als sichtbare Verkörperung desselben betrachtet wurde. – Erst in späterer Zeit übte der Tempelbau auf die Privat-Architectur, die früher schlicht und unkünstlerisch gewesen war, Einfluß aus und vermochte den Werken alltäglichen Bedürfnisses die höhere Weihe der Kunst aufzudrücken. Mit vorgeschrittener Kultur ist es nun Aufgabe der Baukunst geworden, wenn sie nicht auf der Stufe des Handwerks stehen will, allen baulichen Bedürfnissen des Lebens in künstlerischer Weise gerecht zu werden, und deshalb müssen sich auch an jedem Werke der Architectur die beiden Elemente, des Praktisch-Nothwendigen und des Idealen, deren Vereinigung erst das Kunstwerk ausmacht, nachweisen lassen. – Fast jedes Volk hat sich im Alterthume, gemäß der in ihm vorhandenen geistigen Bildung, eine eigene Architectur geschaffen, in der sich aber anfangs der Volksgeist gewöhnlich sehr einseitig und schroff ausspricht. Erst die Griechen brachten edle Harmonie und schöne Einheit in die Werke der Architectur. – Es läßt sich die Geschichte der Baukunst in folgende Epochen scheiden: I. Vorklassische Architectur, mit der indischen, babylonisch-assyrischen, persischen und ägyptischen Baukunst; II. Klassische [596] Architectur, mit der griechischen (mit dorischem, ionischem und korinthischem Styl), etruskischen und römischen Baukunst; III. Uebergangs-Architectur, mit der altchristlichen Baukunst, dem Basiliken- und byzantinischen Centralbau; IV. Muhamedanische Architectur, der sich die russische Baukunst anschließt; V. Christlich-mittelalterliche Architectur mit dem romanischen und gothischen Style; VI. Neuere Architectur mit der Renaissance und der Baukunst des 19. Jahrhunderts.


A. Indische Baukunst.

Asien, die Wiege des Menschengeschlechtes, hat wohl die ältesten Werke der Baukunst (von 1000–2000 vor Chr. Geb.) aufzuweisen und zwar in Gestalt von Grottentempeln und Freibauten, d. s. freistehende religiöse Gebäude, wie pyramidenähnliche Tempel oder Tope’s und Pagoden. – Die alten Inder oder Hindu’s mit ihrer Sanskritsprache und ihrer unbestimmten, schwankenden Verehrung des Gottes Brahma (mit Siva und Wischnu zu einer Dreinigkeit gruppirt) und des Gottes Buddha, schufen enorme Bauten mit einer maaßlosen, aus den üppig wuchernden und mannigfaltigsten Naturerzeugnissen ihres Landes erwachsenen Phantasie und mit grenzenloser Willkür der Formbildung, ohne alle Schönheit, Harmonie und Klarheit. Es hat dies seinen Grund wahrscheinlich darin, daß sie bei geringer geistiger Bildung, in einem Lande der üppigsten Triebkraft, des jähesten Wechsel und der schärfsten Gegensätze in den Naturerscheinungen lebten und so zum Wundersamen, Schwankenden, Uebermäßigen und Chaotischen hingeführt wurden. Es blieben sich die Inder auch in dieser Bauweise mehrere Jahrtausende ganz gleich, wie die Vergleichung der ältesten Grottentempel und der neuesten Pagode (von Jaggernaut; im Jahre 1198 nach Chr. vollendet) oder eines riesigen Saales zur Aufnahme der Pilger (Tschultri) zu Madura, im Jahre 1623 nach Chr. begonnen, auf’s Deutlichste darthut. Jener Saal wird von 124 in vier Reihen gestellter Pfeiler getragen, deren jeder bis zum Kapitäl aus einem einzigen Granitblocke besteht; die Pfeiler sind auf allen Seiten so vollständig mit Ornamenten der wunderlichsten Art überladen, die Gesimse so vielgliederig in buntestem Formwechsel zusammengesetzt, die Sockel und Flächen der Pfeiler mit einem solchen Gewirr seltsamen Bildwerks bedeckt, daß das Auge rastlos in dieser gleichsam toll gewordenen Ornamentik umherirrt. – Nur geringe Fortschritte lassen sich bei der indischen Bauweise im Uebergange vom brahmanischen zum buddha’istischen Grottenbau, sowie von den Grottentempeln zum Freibau erkennen.

Pagode von Madura.

Die Grottentempel stellen weitläufige Höhlen dar, die im Granitkerne der Berge ausgehauen und bisweilen nach oben offen sind, mit flacher Decke und Reihen von Pfeilern oder Säulen. Neben dem Haupttempel finden sich dann noch zahllose verbindende Treppen, Brücken und Kanäle, Vorhöfe, Corridore, Gallerien, Pilgersäle und Wasserbasins. Die umfänglichsten Grotten trifft man zu Ellora bei Bombay und im südlichen Dekan, unfern von Madras; letztere werden Mahamalaipur (Stadt des großen Berges) genannt und standen mit sieben frei gemauerten Pyramiden (Pagoden) in Verbindung. Die dem Gotte Brahma geweihten Grottentempel sind mit unzähligen und phantastischen Ornamenten übersäet, während die buddhaistischen einfacheren Tempelgrotten wenig bildliche Ausschmückungen und nur die Statue des Buddha mit über einander geschlagenen Beinen in kolossaler Größe enthalten. – Die Freibauten der Inder, wahrscheinlich buddhistischen Ursprungs und dem Todtenkult geweiht (besonders auf Ceylon zu finden), waren seltsame, fast pyramidenförmige, hohe (bis zu 150 Fuß) aus Quadersteinen zusammengesetzte und aus vielen Etagen bestehende Bauwerke, wunderliche Zwitterdinge (thurmartige Grabmäler) von Pyramiden, Säulen, Kuppel und Thurm. Tope’s nennt sie das Volk nach dem Sanskritworte „Stupa,“ welches Grabhügel, Thurm bedeutet; eine kleine viereckige Zelle in jeder Etage derselben enthielt Reliquien. Diese Freibauten standen gewöhnlich mit Tempeln, Pilgersälen, Säulenhallen, Basins u. dergl. in Verbindung, und bildeten dann in Gemeinschaft mit diesen die Pagoden (heiliges Haus), Gruppen von Bauwerken voll verwirrender Mannigfaltigkeit und seltsamer Phantastik. Die Südspitze des Dekan weist die meisten und bedeutendsten dieser Bauten auf; ungeheuer sind die Pagoden von Chillambrum, von Ramisseram und von Madura an der Coromandelküste.


B. Babylonisch-assyrische Baukunst.

Bei den Bewohnern von Mesopotamien, – welches, vom Euphrat und Tigris eingeschlossen und von jährlichen Ueberschwemmungen heimgesucht, Babylon und Niniveh als die frühesten Hauptsitze der Kultur aufzuweisen hat, – war der Sinn, im geraden Gegensatze zu den phantastischen, schwärmerischen Indern, auf das Praktische rein weltlicher Zwecke gerichtet, auf Werke alltäglicher Nützlichkeit; daher ihre Wasserbauten, Dämme, Kanäle, Schutzmauern und Paläste, daher kein eigentlicher Tempelbau. Wie in Indien war aber auch hier das architectonische Streben auf Kolossalität der Anlagen und auf Luxus der Ausstattung gerichtet. Dort war es jedoch eine regellose Phantastik und Willkür, die sich in den abenteuerlichsten Formen berauschte, hier ist es eine nüchtern verständige Richtung, die in monotonen Wiederholungen sich hinschleppt. Der Kunstgeist der Inder war ein verzerrter, verworrener; den Babyloniern und Assyrern scheint ein eigentlich architectonischer Kunstgeist fast ganz gemangelt zu haben. Merkwürdig ist, daß das vornehmste Kriteron jedes Baustyles, die Art der Raumbedeckung, an allen babylonischen Werken nicht mehr zu erkennen ist. Wahrscheinlich waren hölzerne Decken und Dächer im Gebrauche, welche von hölzernen Säulen getragen wurden.

Unter den Bauwerken Babylons ragte der von Xerxes zerstörte Tempel des Belus oder Bal, des assyrischen Jupiters, durch seine Kolossalität hervor, sowie auch die beiden königlichen Paläste, deren jüngerer und prächtigerer dem großen Nebukadnezar seine Entstehung verdankte. Dieser König, welcher um 600 vor Chr. regierte, umgab auch die Stadt mit einer dreifachen Mauer und führte das Wunderwerk der hängenden Gärten (seiner medischen Gemahlin Nitokris zu Liebe) auf. Von allen diesen, aus Ziegeln aufgeführten Bauwerken ist Nichts erhalten als eine Reihe riesiger Schuttberge und wirrer Trümmerhaufen (zu Hillah am Ufer des Euphrat). – Auch die Bauwerke Niniveh’s, die wenigstens 606 vor Chr. bestanden haben müssen, finden sich jetzt in der Nähe der Stadt Masul am Ufer des Tigris in ähnlichem Zustande der Zerstörung. Es scheinen hier mehrere Königspaläste dicht neben einander bestanden zu haben, wie die Ausgrabungen zu Nimrud beweisen.


C. Persische Baukunst.

Die drei Völkerstämme, die Baktrer, Meder und Perser, welche das Land vom Indus bis an den Tigris bewohnten, und den Gesammtnamen der Arier führten, heute aber unter der Bezeichnung des Zendvolkes bekannt sind, trugen gleichmäßig zu der Kulturentwickelung bei, welche ihren Höhepunkt zuletzt im persischen Reiche fand. Bei ihnen, welche der, einem einfachen Kultus (an Feueraltären) ergebenen Religion Zoroasters (welche in den heiligen Büchern der Zend-Avesta niedergelegt ist) huldigten, finden wir eine in vieler Hinsicht eigenthümliche Baukunst, die weniger poetisch-phantastisch, als verständig klar, frei und heiter, mehr auf den Palast- [597] als Tempelbau gerichtet ist und sich durch kolossale Terrassen, graziöse Schlankheit der Säulen und die Form des Einhorn- oder Stierkapitäls auszeichnet. Jedoch fehlte ihr ein einheitliches System, gerade wie den Persern auch in politischer Beziehung staatliche Einheit mangelte. Uebrigens blieb die persische Architectur nicht ohne fremde Einflüsse, und zwar scheint der ägyptische und griechisch-ionische Styl darauf eingewirkt zu haben. Das Gebälk und die Täfelungen der Wände waren von Cedern- und Cypressenholz, das mit Platten von Gold und Silber überzogen war.

Persische Einhornssäule.

Unter den auf unsere Tage gekommenen Ueberresten persischer Baukunst sind vorzüglich die Grabmäler der persischen Könige (in der Ebene von Merghab) erwähnenswerth; ausgezeichnet vor allen ist das Grabmal des Cyrus, welches, aus schönem weißen Marmor gebaut, einem kleinen mit schrägem Steindache bedeckten Hause gleicht und auf einem aus sieben kolossalen Stufen bestehenden terrassenartigen Unterbaue thront. Auch in den Trümmern von Persepolis, unweit Merdasht, zeigen sich noch Spuren eines großartigen Königspalastes mit mächtigen Terrassen- und Treppenanlagen, schlanken, glänzendweißen Marmorsäulen. Die zahlreichen, an den Gebäuden entdeckten Keilinschriften beziehen sich auf Darius und Xerxes.

Grabmal des Cyrus.


D. Aegyptische Baukunst.

Aegyptens Geschichte reicht bis in die graueste Urzeit hinauf und schon vor mehr als 3000 Jahren vor Chr. errichtete man im alten Reiche von Memphis in Unter-Aegypten die Kolossalbauten der Pyramiden. Eine etwa 2000 vor Chr. stattgehabte Eroberung durch ein barbarisches Nomadenvolk, die Hyksos, deren Herrschaft etwa 500 Jahre dauerte, trennt die Geschichte Aegyptens in die des alten und des neuen Reichs; in letzterer wurde nach Vertreibung der Hyksos durch Thutmes III. das hundertthorige Theben der Mittelpunkt. – Den meisten Einfluß auf die Bildung der Aegypter, welche, wie bekannt, in der Geometrie und Astronomie schon viel leisteten, übten die räthselhaften, mit merkwürdiger Regelmäßigkeit wiederkehrenden Ueberschwemmungen des Nils aus, deren Ursachen man bis jetzt ebensowenig wie die Quellen des Flusses erforscht hat. Sie zwangen das Volk zur Berechnung des Eintritts der Ueberschwemmung, zur Regulirung des Stromes, zu Kanal- und Deichanlagen. Wahrscheinlich bildeten auch diese Ueberschwemmungen durch die Regelmäßigkeit ihrer Wiederkehr bei den alten Aegyptern den Sinn für strenge Ordnung und Regelmäßigkeit aus. Allen ihren Einrichtungen ist nämlich ein Geist festbegründeter Norm eingeprägt, und der Volkscharakter zeigt eine scharfe und einseitige Ausbildung des Verstandes. Die Religion des Volkes, welches dem Todeskultus sehr ergeben war und weit mehr unter der Macht des Priesterthums als der Könige stand, war zwar eine vielgötterige, aber in den Hauptgottheiten Isis und Osiris waren zunächst nur die natürlichen Erscheinungen der Nilanschwellung symbolisch ausgedrückt. Im Uebrigen gesellte sich ein Thierkultus von ziemlich roh sinnlichem Gepräge hinzu, wie man denn auch selbst den Göttern Thierköpfe aufsetzte. Für den vorwiegenden Trieb nach geschichtlichem Leben, sowie für das Bedürfniß bildnerischer Thätigkeit der Aegypter spricht ihre merkwürdige Erfindung der Hieroglyphen, in welcher ungefügen Schrift denkwürdige Thaten und Ereignisse den Denkmälern eingegraben sind.

Aegyptischer Säulensaal.

Die hauptsächlichsten Merkmale, welche das Wesen der ägyptischen Architectur ausmachen, – die durch die kolossale Massenhaftigkeit und das gewaltig Gediegene ihrer Werke, im Vereine mit der bestechenden Pracht bildnerischen Schmuckes zur Bewunderung hinreißt, – sind: Solidität und Regelmäßigkeit der ganzen aus Stein errichteten schlichten, ernsten, eintönigen, aber durch seine Großartigkeit imponirenden Construktion; die flachen Steinbalkendecken; kurze, stämmige, in geringen Abständen aufgestellte kanellirte Säulen, die den mächtigen Deckenbalken als Stütze dienten und gebündelten, mit Bändern umwundenen Rohrstäben oder Lotosstengeln glichen; schräges Ansteigen aller Außenmauern, die ein fest begründetes, in sich zusammenhängendes Strebesystem als Gegendruck gegen die wuchtenden Steindecken bildeten. – Es ist unverkennbar, daß die ägyptische Baukunst im Vergleich mit der indischen, babylonischen und persischen große Fortschritte gemacht hat, denn es spricht uns bei den Aegyptern aus der klaren Anordnung, der mannigfachen Durchführung der hauptsächlich zum Religionskultus dienenden Bauten das Walten eines schlicht verständigen Sinnes wohlthuend an, während der architectonische Gedanke bei den Indern unter der Ueberfülle phantastischer Decoration erstickt wurde und bei den Babyloniern und Persern eine einseitig ausschließliche Richtung auf die äußeren, praktischen Zwecke des Lebens, auf Reichthum, Wohlleben und Pracht hatte. Der Kern des ägyptischen Baustyls ist aber der Bau flacher, steinerner Decken, der hier zum ersten Male in großartiger, consequenter Anlage uns entgegentritt, rückwirkend auf die enge Stellung kräftiger Säulen und den dadurch bedingten ästhetischen Eindruck der innern Räume, verbunden mit einem System von stützenden, umschließenden und gegenstrebenden Gliedern. Man fühlt bei dieser Architectur, daß sie Großes, Bedeutsames erstrebt hat, wenngleich die Schönheit ihres Baustyls so einseitig beschränkt ist, wie der Charakter jenes schroff eigenthümlichen Volkes.

Von den auf unsere Zeit gekommenen Denkmälern des alten ägyptischen Reiches sind die bedeutendsten und ältesten die Pyramiden von Memphis, ungefähr 40 an der Zahl und von der verschiedensten Größe. Sie liegen in einer Ausdehnung von acht Meilen in Gruppen zerstreut an der Grenze des fruchtbaren Nilthales und der öden Sandwüste; die größten, welche ihren Namen von den Königen Cheops und Chefren erhielten, haben eine quadratische Grundfläche von über 700, eine Höhe von fast 450 Fuß; sie sind vierseitig und sich sehr allmälig stumpf zuspitzend, aus großen bis zu 20 Fuß langen Bruchsteinen und zum Theil aus Ziegeln aufgeführt, genau nach den Himmelsgegenden gerichtet. Nur einige schmale Gänge, deren Eingang durch Granitplatten verdeckt waren, führen in den Mittelpunkt der Pyramide, wo sich eine kleine Grabkammer befindet, die den Sarcophag des königlichen Erbauers birgt – In der Nähe der Pyramidengruppe [598] von Ghizeh erhebt sich aus dem Wüstensande, zum Theil in diesem noch verborgen, ein kolossales Skulpturwerk, die berühmte Sphinx, die 89 Fuß lang und wahrscheinlich über 70 Fuß hoch ist. Sie ist mit bewundernswürdiger Kühnheit und Sicherheit aus einem einzigen Felshügel gemeißelt und hält zwischen den Vordertatzen einen kleinen Tempel, an dessen Hinterwand Thutmes IV. steht. Demnach würde dies Werk in die ersten Zeiten des neuen ägyptischen Reiches und in die Glanzperiode ägyptischer Entwickelung fallen. – Die wichtigsten Denkmäler des neuen Reiches sind großräumige Bauwerke, welche wahrscheinlich gleichzeitig (wie die spätern Klöster) Tempel und Wohnungen der mächtigen Priesterschaft enthielten, vielleicht auch Sitz der Pharaonen waren. In ihnen ist der eigenthümliche, eben angegebene Baustyl am deutlichsten ausgeprägt. Am Hauptportal finden sich häufig Obelisken, auf schmal rechtwinkliger Grundlage steil aufsteigende, zu der Spitze pyramidenartig schließende Denkpfeiler, welche aus einem einzigen ungeheuren Granitblock gehauen und mit Hieroglyphen bedeckt sind. – Unter den Denkmälern von Theben ist der auf dem östlichen Nilufer gelegene, im 14. und 15. Jahrhundert vor Christ. erbaute Tempel von Karnak am bedeutendsten; in ihm will man den berühmten Ammonstempel wieder erkannt haben. Etwas jünger ist der südwestlich von ihm liegende Tempel von Luksor, welcher mit dem Tempel von Karnak durch eine Allee von ungeheuren Sphinxen verbunden war. Am westlichen Ufer des Nil, wo die Todtenstadt gelegen zu haben scheint, finden sich Trümmer kolossaler Gebäude, Reste der ungeheuren, in den Fels gehauenen Königsgräber, der Hypogäen. Noch ungeheurere Trümmer von steinernen Gebäuden, sowie Reste von 17 Riesenstatuen liegen unweit von Medinet-Abu und haben dem Orte den Namen „das Feld der Kolosse“ gegeben. Die Statuen waren gigantische, in Sandstein ausgehauene Königsbilder; das größte ist das Memnonsbild, über 70 Fuß hoch und gegen 3 Millionen Pfund schwer, welches beim Gruße der Morgensonne einen klagenden Ton von sich gegeben haben soll. – Auch im untern Nubien trifft man auf zahlreiche Spuren der großen ägyptischen Bauthätigkeit; die großartigsten sind die Gräber von Ipsambul mit kolossalen Statuenpfeilern. – Von den spätägyptischen Bauwerken verdienen die Pyramiden von Meroë in Ober-Nubien einer Erwähnung; sie sind Nachahmungen der unterägyptischen Pyramiden, aber weit kleiner und steiler ansteigend als diese, auch ist ihnen eine Vorhalle mit einem Fenster über dem Eingange hinzugefügt. Von Tempeln ist der prachtvollste der zu Denderah unterhalb Theben, welcher von Kleopatra und Cäsar begonnen wurde und dem, im Vergleich mit den altägyptischen Tempeln, die Vorhalle sammt dem Pylon (der doppelt-thurmartige Bau am Portale) fehlt, wie den meisten spätägyptischen Bauten. (Fortsetzung: die klassische Architectur, später.)