Die verstummte Laute
Sie mochte gern an seiner Schulter lehnen
In einem weichen Abenddämmerlicht,
Sie barg vor ihm das Rieseln ihrer Tränen,
Den halbenthüllten Reiz der Seele nicht:
Ich welke! Chastelard, auch du bist bleich!
Schlag deine Laute! Singe mir von weiland!
Von meinem ersten Königreich!“
Er stürmte durch die Saiten: „Jener Tage
Maria Stuart! Ich erhebe Klage,
Daß du geschluchzt an meinem Herzen hast!
Mit deinen Zähren bade hier dem reinen,
Entseelten Gott die Marmorfüße bleich –
Mit diesen Augen warm und weich!
Was war ich dir? Der nichtige Vertraute!
Ein Echo, das von deinen Seufzern scholl!
Ein Spiegel, drin sie eitel sich beschaute,
War dir die Laute nur, darauf zu breiten
Die Fingerspitzen, und ich hallte schön –
Ich hasse dich!“ Er riß entzwei die Saiten
Mit einem gellen Mißgetön.
Doch wo er lechzend schlürft’ aus einem Quell,
Sah er im Brunnen ein geliebtes Bildniß
Aus naher Tiefe schimmern dunkel hell,
Sah er ein blasses Angesicht in Zähren,
Von Sehnen und Erfüllen und Gewähren
Rauscht’s um den Born in Schilf und Rohr.
„Maria!“ so beginnt in ihrer Kammer
Am Lager knieend sie das Nachtgebet,
Ein Mund, der neben ihr im Dunkel fleht.
Sie schreit. Man kommt. Von Fackelglut umlodert
Bebt sie vor Zorn: „Ein Mörder! fesselt ihn!“
Er lächelt: „Bist du schön!“ Unaufgefordert
Er schreitet seinem Blutgerüst entgegen
In einem klaren kühlen Morgenrot,
Ins Ohr des Sünders flüstert angelegen
Ein Capuziner, der vermummte Tod:
Ich absolvire dich von Lust und Pein!
Von keiner weichen weißen Hand betastet,
Wirst du die stumme Laute sein!“