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Die verdächtigen Küachli

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Textdaten
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Autor: Christian Hauser
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Titel: Die verdächtigen Küachli
Untertitel:
aus: Sagen, in: Alemannia, Band XIX, S. 42–43
Herausgeber: Anton Birlinger
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: P. Hanstein
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Erscheinungsort: Bonn
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Originalherkunft:
Quelle: Google-USA*, Commons
Kurzbeschreibung:
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[42] 1 DIE VERDÄCHTIGEN KÜACHLI[1]

Am linken Ufer der Ill, gegenüber dem zur Pfarre gehörigen Dorfe Gortipol, ist der Weiler Cavatal, der aus meren zerstreut ligenden Häusern bestet. Eines davon bleibt schon seit längerer Zeit verlaßen und öde. In der ersten Hälfte dises Jarhunderts[2] lebten in disem anrüchigen Hause zwei alte Weibsbilder, welche man in St. Gallenkirch allgemein für Hexen hielt.

Als genannte Personen noch junge und schöne Mädchen waren, hatte sich ein Gortipoler Bursche in die ältere verliebt und gieng, one etwas Schlimmes zu anen, öfter zu ir auf Besuch. Da war der „Funka“ oder „Küachlisonntig“ (der erste Fastensonntag) angekommen, an dem man im Montavon verschidenartige „Küachli“, Krapfen und Strauben zum Nachtmale bäckt, worauf die lebensfrohen Jünglinge noch gerne zu den hübschen Töchtern des Dorfes oder dessen Umgebung in den Heimgarten sich verfügen. Unser Bursche hatte sich bereits nachmittags, wie dises alldort ebenfalls Sitte ist, bei seiner Geliebten im Cavatal eingefunden. Dise war gerade mit „Küachlibacken“ beschäftigt, wärend ire jüngere Schwester in dem nahe gelegenen Stalle das Vih fütterte und tränkte. Der Gortipoler wartete lange in der Wonstube, biß seine Geliebte aus der Küche kommen und im angeneme Gesellschaft leisten würde. Doch alles Harren und Warten schin disesmal vergebens. Da brach seine Geduld, und er trat leise in den Hausflur hinaus, an dessen einer Wand ein Fensterchen angebracht war, durch das man gerade auf den Küchenherd sehen konnte. Neugirig blickte der Bursche durch dessen Öffnung und gewarte zu seinem grösten Erstaunen, wie sein geliebtes Mädchen die gebackenen Kuchen einzeln mit dem [43] „Küachlispiß“ aus dem heißen Schmalze hob und gegen den Rauchfang emporhielt, worauf sie dieselben in einen Teller legte. Dem Geliebten mochte dises „Küachlibacken“ höchst sonderbar und verdächtig vorgekommen sein, und er zog sich heimlich in die Stube zurück, one mer zum „Küachließen“ eine große Lust zu spüren. In Bälde erschin die Geliebte mit einem Teller voll „Küachli“ und lud iren Vererer freundlichst ein, davon zu eßen. Da gab er plözliches Unwolsein vor, so daß er es nimmer wage, dises Gebäckes zu genießen, vilmer sich veranlaßt füle, alsogleich den Heimweg anzutreten. Da packte one vile Umschweife das Mädchen die „Küachli“ dem unbäßlichen Geliebten in sein Sacktuch und schob sie im in seine Rocktasche. Diser hatte disesmal von seiner Geliebten külen Abschid genommen und befand sich auf dem Wege zu seiner Heimat. Unterwegs traf er die im bekannte Magd des Gortipoler „Herrn“[3], die soeben im Begriffe stand, demselben die Kühe zu füttern. Er gieng mit ir in den Stall und ließ alsbald die Bemerkung fallen, daß heute sein Mädchen im Cavatal im „Küachli“ mitgegeben habe, welche im durchaus nicht zu Dank wären, am liebsten möchte er sie dem Schweine zum Fraße anbieten. Dis erlaubte im die Magd ganz gerne. Da packte er die verdächtigen „Küachli“ aus und warf sie dem Schweine in den Trog. Dises verschlang nun eines nach der andern mit gröster Gir, und als es alle gefreßen hatte, wollte es, heftig grunzend, noch mer haben. Auf einmal lief es wie beseßen in seinem Ställchen herum, hüpfte sodann über dessen Bretterwand in den Kuhstall heraus und stürzte mit Windeseile bei der geöffneten Türe ins Freie. Von da rannte es fort, sezte über die Ill und eilte nach dem Hause, von wo die berüchtigten „Küachli“ gekommen waren. Weil dises jedoch fest verrigelt war, so lief es rasend um dasselbe herum, um einen Eingang zu erspähen; als im dis misglückt war, suchte es mit Ungestüm an den Wänden auf das Dach hinaufzukrabbeln, und ließ nicht ab, biß es verendete. Auf dises Ereignis hin trug der Gortipoler Bursche kein Verlangen mer, dises verdächtige Haus im Cavatal nochmals zu besuchen, und gab seiner Geliebten für immer den Laufpass.


  1. Kuchen aus dünnen Brot-, Käse- oder Apfelschnitten; am beliebtesten sind die »Käsküachli«.
  2. Die im Jare 1851 gestorbene Mutter des PJFritz, der mir dise und die folgenden Sagen mitteilte, hatte dise Weiber noch gut gekannt.
  3. Der hochw. Herr Expositus in Gortipol.