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Die sociale und politische Stellung der Deutschen in den Vereinigten Staaten:Seite 10

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Die sociale und politische Stellung der Deutschen in den Vereinigten Staaten
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Kolonie in Jowa das kleine Ende des grossen Anlaufs. Cabet glaubte in dem von den Mormonen 1845 verlassenen Nauvoo in Illinois den Platz für sein mit ziemlichem Kapital unter­nommenes kommunistisches Experiment zu finden, und seine in mehreren Sprachen erscheinende „Reise nach Icarien“ an Morus’ Utopia erinnernd, sollte die nöthigen Kolonisten zu­sammenposaunen. Die anfängliche Idylle wurde jedoch bald genug zum Spektakelstück und Nauvoo wurde zum zweiten­mal zur modernen Ruine. – In New-York wurde noch der Versuch gemacht, ein Boardinghaus auf socialistischer Grund­lage zu errichten, aber die Welt ging nichtsdestoweniger ruhig ihren alten Gang, wie denn auch in Deutschland die Konsumvereine denselben nicht zu verändern vermocht haben. Die überspannten Erwartungen werden in solchen Fällen so sehr getäuscht, dass man später aus dem eifrigen Socialreformer den grössten Egoisten nicht selten geworden sieht.

     Der Kultus des Heimwehs, in dem man für die Härten der Existenz Trost suchte, nahm je nach der Grösse des Ortes, in dem man vegetirte, verschiedene Formen an. In den Fabrikdörfern von Massachusetts, in welchen die deut­schen Arbeiter kein Bier bekommen konnten – sie mussten es sich von der benachbarten Grenze Connecticuts holen, in welchem es damals noch kein Temperenzgesetz gab – sassen die Armen den ganzen Sonntag in ihren Wohnungen um mächtige Schoppen zusammen, schimpften auf die Augen verdrehenden Yankees, von denen sie lebten, sangen die unvermeidlichen Lieder: „Bekränzt mit Laub“, „Wer hat Dich du schöner Wald“ und liessen des Abends beim Aus­einandergehen das wehmüthige „Steh’ ich in stiller Mitter­nacht“ in die puritanische Sabbathsstille erschallen. In