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Die schwarze Kunst des 19. Jahrhunderts

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Textdaten
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Autor: Maximilian Harden
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Titel: Die schwarze Kunst des 19. Jahrhunderts
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 2, S. 26–28
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Die schwarze Kunst des 19. Jahrhunderts.

Von Maximilian Harden.

Das Jahrhundert der Naturwissenschaften hat wenig Hang zum Wunderglauben – so behaupten zum mindesten weise Leute, die den Pulsschlag der Zeit besonders deutlich zu hören glauben und sich auf ihre Zugehörigkeit zum Zeitalter der „Realitäten“ nicht wenig zugute thun. Nun muß man ja freilich ohne weiteres zugeben, daß die Zeiten der Hexen, der Nekromanten, Magier, Goldmacher und zahlreicher anderer Spekulanten auf die – Unklugheit der Menge glücklich vorüber sind. Die umständlichen Experimente des Goldkochens würden bei einem Kinde der modernen Zeit kaum mehr als ironische Heiterkeit wecken und vollends der unselige Hexenglaube ist vor den Strahlen sonnenheller Wissenschaft verschwunden, allerdings nicht ohne einen weniger gefährlichen Erben in der platten, geschmacklosen Schwiegermutter-Antipathie zu hinterlassen. Dennoch kann man das selbstgefällige Lächeln, mit dem der moderne Kulturmensch auf die Leichtgläubigkeit harmloserer Zeiten zurückblickt, nicht ohne einigen mitleidigen Spott betrachten, denn, wenn sich auch die Objekte unseres Glaubens vielfach verändert haben, an so manches blaue Wunder glauben wir stolzen „Modernen“ doch auch noch.

Selbstverständlich scheiden hier von vornherein die wissenschaftlichen Wunder aus, die unseren Glauben eben durch ihre Natur erzwingen. Die Dienstbarmachung der Elektricität zu allen erdenklichen Zwecken, die Möglichkeit, auf meilenweite Entfernungen intime Gespräche zu führen, Töne und Worte auf lange Zeit hinaus zu bannen und zu bewahren, das sind sicherlich Wunder, die in den Verstand auch des skeptischsten Beobachters eingehen müssen, weil sie sich selbst beweisen. Von solchen Wundern ist unser modernes Leben rings umgeben, im Frieden wie im Krieg haben wir uns so an ihr Dasein gewöhnt, daß eben diese Gewöhnung uns dagegen abgestumpft hat. Wir wundern uns nicht mehr über diese Wunder.

Aber so tief im Leben der Völker wurzelnde Triebe wie der Wunderglaube verlieren sich nicht leicht, ohne sichtbare Spuren zu hinterlassen, man glaubt sie oft überwunden, während sie nur in veränderter Gestalt fortleben. Die Leichtgläubigkeit der Massen verlangt ihre Nahrung, und da sich die grobsinnlichen, oft einfach betrügerischen Wunder früherer Zeiten nicht mehr wirksam erweisen, ist an ihre Stelle eben eine andere Macht getreten, die bestimmt scheint, noch auf recht, recht lange Zeit den Bedarf zu decken, und die sich schlau und pfiffig selbst ihre Feinde, Vernunft und Wissenschaft, dienstbar gemacht hat: die Reklame.

Die prächtig gekleidete Dame Reklame ist nicht mehr jung, sie hat es nur verstanden, sich durch mancherlei geschickte Toilettenkünste ein frisches, jugendliches Ansehen zu geben; jedenfalls aber [27] steht sie augenblicklich in der Blüthe ihrer Jahre wie ihres Ansehens und es verlohnt sich daher wohl, sie einmal näher zu betrachten.

Was ist Reklame? – Hier stock’ ich schon – wer hilft mir weiter fort? Es ist wirklich einigermaßen schwer, eine treffende Erklärung des vielverwendeten Wortes zu geben. Reklame ist eben – Reklame. Wollte man das bequeme Fremdwort einfach durch „Geschrei“ übersetzen, niemand würde einen verstehen; eher könnte man noch von einem ungebührlichen, im eigenen Interesse erhobenen Geschrei sprechen, aber auch diese umständliche und langathmige Uebersetzung giebt nur unvollkommen den Wortsinn wieder.

Man macht gemeiniglich der modernen Zeit den Vorwurf, die Reklame gewissermaßen erfunden zu haben, und die Lobredner vergangener Epochen schmähen die unsere deswegen mit besonderem Eifer. So ganz verdient ist aber diese Anschuldigung doch nicht; die Familienchronik der Frau Reklame ist vielmehr schon recht alt, und es würde der Beweis dafür aus der Geschichte nicht schwer zu führen sein. Aber das muß wahr sein – das unglaublich schnelle Anwachsen, die fortwuchernde Ausbreitung der Reklameherrschaft ist eine Errungenschaft der neuen und neuesten Zeit; wir leben schneller, die Erscheinungen auf jedem Gebiet drängen sich, wer nicht die Ellbogen tüchtig zu brauchen versteht, der wird zerdrückt, zu Boden geworfen und über ihn hinweg tobt der Strom des rastlosen modernen Lebens. Da wird ein lärmendes Wesen fast zur Pflicht, und in der That kann man der anständigen Reklame ihre Daseinsberechtigung unter den heutigen Lebensverhältnissen nicht aberkennen.

Der „anständigen“ Reklame? Es giebt also eine anständige? Ganz gewiß. Ein großes, reell geleitetes Kaufhaus, welches dafür sorgt, daß möglichst weite Kreise ihm gewonnen werden, übt keine unerlaubte oder widerwärtige Reklame, wenn es durch mächtige Inserate das Publikum anzulocken versucht. Gute, solide Erzeugnisse, gleichviel ob sie geistiger oder stofflicher Natur sind, laut ankündigen, in der ausgesprochenen Absicht, von möglichst vielen gehört zu werden – das nennt man mit Recht anständige Reklame machen. Der Nutzen solchen Vorgehens fließt ja indirekt auch dem Abnehmer zu, der für billigen Preis gute Waare erhält, während er ohne das laute Angebot vielleicht weniger vortheilhaft eingekauft hätte.

Indessen – wie oft fehlt dem laut und vordringlich Angepriesenen die solide Grundlage, wie oft muß der schmetternde Trompetenstoß die Käufer zu den unehrlichsten Unternehmungen heranziehen! Jeder hat diese Erfahrung mehr oder weniger häufig in seinem Leben schmerzlich sich erhandeln müssen, jeder wäre leicht in der Lage, aus Selbsterlebtem mannigfache Beiträge zu diesem unerfreulichen Kapitel zu liefern. Nicht mit schwerer Pathetik kann man gegen diesen Unfug ankämpfen, nur die leichteren, aber nicht minder gefährlichen Waffen des Spottes sollte man dagegen anwenden. Die abenteuerlichen und grotesken Formen, die heute die Reklame vielfach angenommen hat, machen diesen Kampf zu einem nicht uninteressanten, denn er ermöglicht mancherlei lustige Betrachtungen über das Maß der – Einfalt, welches auch heute, im wissenschaftlichen Jahrhundert, noch vorhanden ist.

Den ersten Preis für geschickte Reklamefabrikation verdienen ohne Zweifel unsere Theater und öffentlichen Vergnügungslokale. Hier ist man bereits bei einem Superlativ der systematischen Verlogenheit angelangt, der selbst das harmloseste Publikum nicht mehr zu täuschen vermag. Es hat sich denn auch mit der Zeit ein offiziell zwar nicht anerkanntes, aber stillschweigend geduldetes Wörterbuch Geltung verschafft, welches die hochtrabenden Worte des Reklamestils in schlichtes, den Thatsachen entsprechendes Deutsch überträgt. Man weiß genau, wie man über die berühmten „ausverkauften Häuser“ zu denken hat; man kennt den durch Kassenrücksichten gebotenen Rückzug, der sich hinter der klingendem Phrase verbirgt, daß „kontraktliche Abmachungen die Direktion zu ihrem größten Bedauern veranlassen, ein noch immer außerordentlich zugkräftiges Stück vom Repertoire abzusetzen“, und was solcher kleinen Mittelchen mehr sind. Ist eine Vorstellung gut besucht, so meldet am andern Tage der im Direktionsbureau angefertigte „Waschzettel“, daß das Haus „überfüllt“ war, oder daß „Hunderte von Menschen lange vor Beginn an der Kasse abgewiesen werden mußten“; war es aber ganz leer, so spricht man von einem „stattlich gefüllten Hause“. Bei dieser lustigen Komödie ist der größte Theil des Publikums mit im Komplott, so daß man beinahe mit Freund Figaro fragen möchte: Wer ist denn hier der Gefoppte?

Freilich – nicht immer arbeitet der Reklameapparat so wenig geschickt, nicht immer sind die Mittel so harmlos und durchsichtig. Schon fangen große Unternehmer an, unter den wohlklingenden Namen von „Dramaturgen“ und „Sekretären“ dichterisch beanlagte Beamte anzustellen, deren einzige Aufgabe darin besteht, täglich neue Märlein zum Lob und Preise der betreffenden Institute zu ersinnen. Da entstehen denn herrliche Werke uneigennütziger dichterischer Begeisterung.

Mit Kleinigkeiten, wie es die nicht mehr recht zugkräftigen Unglücksfälle von Schauspielern und Artisten jeglicher Art sind, geben sich diese Edlen nur noch in den seltensten Fällen äußerster Noth ab; es muß schon starke Ebbe in ihrer sonst so herrlich fluthenden Phantasie eingetreten sein, wenn man liest, wie das „allen Kunstfreunden bekannte Fräulein Y. vorgestern in Gefahr schwebte, überfahren zu werden“, oder wie „die gestrige Aufführung der noch immer zugkräftigen Posse ‚Die neun Musen‘ beinahe arg gefährdet war, weil Ernst Schwarz, der hochbeliebte jugendliche Komiker, auf dem Wege zum Theater ein ins Wasser gestürztes Kind mit eigener Lebensgefahr und unter dem Jubel einer frohbewegten Menge errettete!“ Für gewöhnlich nehmen sie höheren Flug.

Da erscheint z. B. zwischen allerlei unverfänglichen Lokalanzeigen das folgende bewegliche Geschichtchen: „Die jetzt grassirende Epidemie der Schönheits-Konkurrenzen hat ihr erstes Opfer gefordert. Bald wird es sich vor dem Richter zu erweisen haben, ob der wiederholte Besuch einer Schönheits-Ausstellung ein – – Scheidungsgrund ist! Ein bekannter Kaufmann, Herr Sch. in der L … straße, hat den Zorn seiner liebenswürdigen Ehehälfte erregt, weil er von Bekannten der heißblütigen Dame mehrfach im Vaudeville-Theater angetroffen wurde, wo bekanntlich allabendlich unter außerordentlich starkem Zuspruch unserer vornehmsten Herrenwelt das Auftreten von zwölf konkurrirenden Schönheiten stattfindet. Ein heftiger Ehezwist erhob sich in der L … straße, und die Gattin des Herrn Sch. ist fest entschlossen, die Verirrung ihres Herrn Gemahls durch gerichtliche Scheidung zu ahnden. Hoffentlich gelingt es noch rechtzeitig liebevollem Zuspruch etc. etc.“

Alle Welt liest, belächelt und belacht die lustige Historie, am herzlichsten aber lacht der Direktor des Vaudeville-Theaters, dessen „Hausdichter“ die ganze Sache erfunden hat, denn der Erfolg ist stärker und sicherer als die Wirkung der größten Plakate.

Ein anderes, mit Recht beliebtes Mittel ist der Autorenbrief. Gleich nach der ersten Vorstellung erscheint in den Spalten der Zeitungen die „interessante“ Nachricht, daß Direktor X. den Verfasser oder Komponisten von dem sensationellen Erfolge seines Werkes benachrichtigt habe, da Herr Y. leider der dringenden Einladung, der Première beizuwohnen, nicht Folge zu leisten vermochte. Dieses war der erste Streich – doch der zweite folgt sogleich. Nach einer Anstandspause von einigen Tagen wird das Antwortschreiben des glücklichen Dramenvaters abgedruckt, worin dieser die glänzende Inscenirung, die er nicht kennt, die vortrefflichen Darsteller, die er nie gesehen, und die vollendete Uebersetzung, die er womöglich gar nicht versteht, mit gänzlich uneigennützigem Lobe ehrt. Der naive Theaterbesucher hat für den grotesken Humor dieser Lobesversicherungen auf Gegenseitigkeit nur selten Verständniß, auf ihn wirkt der Autorenbrief mit fast unfehlbarer Sicherheit.

Auch die Industrie verschmäht diese Geheimmittel nicht immer. Wenn man z. B. mitten in einer kleinen Manöverplauderei liest, wie die Herren Offiziere in einer freien Stunde während des Krieges im Frieden den schnellen Entschluß faßten, die kühle Feuchtigkeit durch eine Tasse des prächtigen Jamesschen Kakao zu vertreiben, und wie komisch den Beschauer das Bild der Chokolade zechenden Krieger anmuthete, so kann man füglich annehmen, daß die ganze rührsame Historie nur dem Bedürfnisse entsprang, dem p. t. Publikum den Kakao von James wieder einmal ins Gedächtniß zurückzurufen. Es ist der Vertreter von James, der da klappert – es ist sein Handwerk!

Den Tageszeitungsredakteur, der solchen Reklameartikeln Aufnahme gewährt, trifft keine Schuld. Einmal braucht er Stoff, um die Spalten seines Blattes zu füllen, also muß ihm jeder launig geschriebene Artikel willkommen sein, und andererseits ist es bei der eiligen Herstellung einer Tageszeitung gar nicht möglich, jede einlaufende Nachricht erst auf ihre historische Wahrheit hin zu prüfen. Solche Gewissenhaftigkeit würden ihm seine Leser schlecht danken, sie wollen gern lustig getäuscht sein.

Die eigentliche Gemeingefährlichkeit des Reklameschwindels fängt erst an, sobald er dazu dient, die Mittelmäßigkeit auf Kosten des wirklichen Talentes künstlich zu fördern und einen [28] Namen der Menge so laut und so unermüdlich in die geehrten Ohren zu tuten, bis sie schließlich an die gemachte Größe glaubt. Es ist sicherlich nicht schön und künstlerisch würdig zu nennen, wenn eine wirklich bedeutende Künstlerin, wie Sarah Bernhardt, von allen möglichen und unmöglichen Excentricitäten ihrer Lebensführung die Welt unterhalten läßt; viel schlimmer aber sind diese Orgien der Eitelkeit, wo es sich um eine Talmigröße handelt. Die Beispiele mangeln weder im lieben Vaterlande noch anderswo; unwillkürlich denkt wohl der Leser an den künstlich zum Heroen aufgebauschten französischen General, dessen einziges Verdienst bis jetzt darin besteht, daß er auf einem stattlich aufgezäumten Cirkuspferd leidlich gute Figur zu machen weiß, und der sogar die Hochzeitsfeier seines Kindes zum Anlaß der würdelosesten Reklame benutzt. Sein Beispiel ist lehrreich und typisch für die ganze große Schar seiner Nachahmer: man beginnt damit, über die lärmenden Virtuosen zu lachen, nach und nach verliert sich das Odium der Lächerlichkeit, und schließlich bewundert man den früher verlachten Helden. Es geht mit der Reklame wie mit der Verleumdung – es bleibt immer etwas hängen.

Kein Wunder also, daß sich eine ganze, geschäftige Industrie herausgebildet hat, um die schwarze Kunst des 19. Jahrhunderts nutzbar zu machen. Es giebt in der deutschen Reichshauptstadt große Reklamebureaus, deren einzige Thätigkeit im Tamtamschlagen besteht, und deren Besitzer sich von dem Ertrage dieses geräuschvollen Handwerks vortrefflich zu nähren verstehen. Skrupel kennen diese Braven nicht, sie gehen ebenso überzeugungstreu für Schlechtes wie für Gutes ins Zeug, sie stoßen in die Posaune für eine neue Seife, für ein großes Konzertunternehmen oder eine exotische Thierkarawane. Ihr großes Muster ist – Amerika. Das Dollarland ist die Heimstätte der Reklame um jeden Preis. Der nüchtern praktische Yankee, der an nichts glaubt und glauben will, verlangt seltsamerweise die plumpsten Reklamemittel. Deutsche darstellende Künstler, die nach Amerika hinüberkamen, waren entsetzt von der unglaublichen Geschmacklosigkeit, mit der man ihre Namen „populär“ zu machen gesucht hatte, aber all ihr Grollen und Schmähen half nichts, achselzuckend erklärte ihnen der „Manager“ (Unternehmer), daß sie ohne dies kunstvolle Arrangement von Wahrheit und Dichtung verloren wären. In der That könnte „drüben“ auch der größte Künstler nicht auf irgend nennenswerthe Erfolge rechnen, wenn er sich nicht mit gebundenen Händen einem geschickten Manager überliefert und sich durch lebensgroße bunte Bilder, durch Fackelzüge und Ständchen, durch gefälschte Biographien und märchenhafte Züge aus seinem Leben „anfeiern“ lassen will. Das amerikanische Publikum will einen Namen an allen Straßenecken in fußhohen Buchstaben lesen, ehe es an die Bedeutung des Trägers glaubt.

Nun – Gott sei Dank – ganz so weit sind wir noch nicht, aber man darf die Hoffnung nicht aufgeben, daß wir eines Tages auch dies schöne Ziel noch erreichen werden! Von Tag zu Tag mehren sich die Anzeichen dafür, daß wir auf dem besten Wege dazu sind, in dieser Hinsicht der neuen Welt als würdige Rivalen gegenübertreten zu können. Ist das ein Geschrei, ein Getöse, ein wechselseitiges Ueberbieten in der geschickten Handhabung der Lärmtrommel! Der schreiende Auktionator, eine stehende komische Figur stillerer Zeiten, ist heute beinahe zum Symbol für unser öffentliches Leben geworben. Geschäftsleute, Künstler, selbst einzelne Gelehrte werden von einer krankhaft nervösen Sucht nach Ruhm und Gold zu den äußersten Lungenanstrengungen veranlaßt, jeder von ihnen reißt seine Ladenthür auf und ruft die arglos Vorübergehenden an: „Nur hier herein, meine verehrten Herrschaften, so billig, so gut kaufen Sie niemals bei einem andern Geschäftsmann, meine halbseidenen Stoffe, meine echt englischen Parfums, mein neues Buch, meine großartige Koloratur sind ohne gleichen in der ganzen Welt – nur hier herein – ich bin der größte Gelehrte, der bedeutendste Künstler, und wir alle, alle sind die geschicktesten Kaufleute!!“

Und in dieses dem geübten Ohr beständig vernehmbare Geschrei lärmen die großen Reklameglocken ihr weithin schallendes Bim-Bam, klingen die feinen Schellen der vorübergleitenden Bicyklisten ihr grelles Klingling, und darüber hin leuchtet das weiße Licht der elektrischen Lampen in beinahe verletzender Klarheit und Helle. Die gute, alte Talgkerze ist längst verschollen, auch dem Gaslicht, dem gelblich trüben Gefährten ruhigerer Tage, droht der Untergang; unter dem Zeichen der Elektricität vollzieht sich der geräuschvolle Uebergang in eine neue lärmende Aera, die naturgemäß die Fehler ihrer Vorzüge haben muß.