Die letzte Nacht im Elternhause
Das griff an’s Herz, und ich vergeß’ es nimmer:
Es war die letzte Nacht im Vaterhaus;
Zieh’n sollt’ ich mit dem ersten Frührothschimmer,
Vielleicht auf ewig, in die Welt hinaus.
Denn viel bewegte mir die junge Brust:
Des Heimwehs Vorgefühl, des Scheidens Schwüle
Und Hoffnung doch und rege Wanderlust.
Da schlug es zwölf. Die Lampe brannte trübe,
Ein Geist erschien mir, doch ein Geist der Liebe;
Denn meiner Mutter gleich erschien er mir.
Sie nahte still, als wollte sie nicht stören
Des Sohnes, wie sie meinte, tiefe Ruh’.
Ich sah sie, doch ich schloß die Augen zu.
Wie nah’ ihr Odem! Ihre Hände lagen
Auf meinem Haupte, wie schon oft zuvor –
Erlauscht ich auch nicht ihrer Lippen Klagen,
Dann fühlt’ ich ihre Wange auf der meinen –
Warum umschlang ich liebevoll sie nicht,
Als ich sie weinen hörte, schmerzlich weinen
Und eine Thräne fiel auf mein Gesicht?
Und küßte leise diese Thräne fort.
Drauf ging sie wieder – still, wie sie gekommen.
Ich ließ sie geh’n und sprach dazu kein Wort.
– Am Morgen schied ich, ohne ihr zu sagen,
Treu hab’ ich die Erinnerung getragen
Im Herzen, wo des Menschen Bestes ruht.
Und dann, als ich nach wechselvollen Jahren
Am off’nen Grabe meiner Kinder stand,
Was jene Nacht mein Mütterlein empfand.
Und Lieb’ und Reue, Dank und heißes Sehnen,
Ich kost’ sie täglich, koste sie nicht aus.
Wohl bin ich glücklich – aber oft in Thränen
Cincinnati, O.