Die grosse Feuersbrunst in Stolpen
Selten ist eine Stadt unseres Vaterlandes wohl so oft und schwer vom Brandunglücke heimgesucht worden, als Stolpen. Das größte und schwerste Brandunglück kam aber über Stolpen am 4. März 1723. Es war an einem Donnerstage, abends ½7 Uhr. Da brach „das erschreckliche Zorn-Feuer“ aus, welches auch nicht ein einziges Gebäude innerhalb der Ringmauer verschonte, ja, selbst einen Teil der Festung verwüstete. Das Feuer entstand in dem Hause des damaligen Kantors Joh. Heinrich Hartmann. Ein Kind war mit einem brennenden Lichte dem auf dem Boden liegenden Flachse zu nahe gekommen, der sich sofort entzündete und das ganze Haus in Brand setzte. Wäre nun hier alsbald den um sich greifenden Flammen gehöriger Widerstand geleistet worden, so hätte das Feuer vielleicht noch rechtzeitig gedämpft werden können. Allein es mangelte an Wasser und an Menschen zum Löschen, und diejenigen, die augenblicklich in der Nähe des Brandes weilten, wußten vor Schrecken nicht, was sie sogleich tun sollten. Daher breitete sich das Feuer in kurzer Zeit mit solcher Geschwindigkeit über die ganze Stadt aus, daß nach einigen Stunden alle öffentlichen und bürgerlichen Gebäude innerhalb der Ringmauer, die zwischen den Stadttoren befindlichen Häuser, ein Haus am Stadtgraben bei dem Obertore und ein Teil der Festungsgebäude in Asche gelegt wurden. „Zu allem Unglück entstand damals unter denen, die löschen sollten, eine unzeitige Furcht, es möchte das auf der Festung befindliche Pulver von dem allda wahrgenommenen Feuer entzündet werden, weshalb ein jeder mehr auf Rettung seines Lebens, als auf baldige Dämpfung der Feuersglut bedacht war. Wie heftig übrigens die Glut und der dabei entstandene Wind gewütet, ist daraus zu entnehmen, daß die umliegenden Dörfer Rennersdorf, Neudörfel und sogar das eine Stunde entfernte Schmiedefeld in Gefahr standen, entzündet zu werden wenn man nicht sorgfältig bedacht gewesen wäre, die dahin geflogenen brennenden Massen beizeiten zu löschen“. –
Bei diesem Brande ging auch die berühmte Kirchen- oder sogenannte Mönchsbibliothek leider vollständig verloren. (Vgl. „Die Stolpner Mönchsbibliothek.“) Auch das alte Ratsarchiv, mit Ausnahme der Statuten, wurde ein Raub der Flammen. Ausführliche Nachrichten über diesen schrecklichen Brand Stolpens gibt M. [115] Karl Samuel Senff, der daselbst von 1692 bis 1729 als erster Prediger wirkte. Die betreffende Schrift betitelt sich:
- „Historische Beschreibung des entsetzlichen Brandes, welcher den 4. März 1723 die Stadt und Bergfestung Stolpen betroffen“. –
Diese Schrift ist zu Budißin (Bautzen) bei David Richter noch in demselben Jahre gedruckt worden und hat einen Umfang von 3 Bogen. Auch M. Christian August Freyberg, wohlverdienter Rektor der Sankt Annenschule zu Dresden, hat dieses Brandunglück Stolpens näher beschrieben und zwar in der Schrift:
- „Historische Nachricht von der Meißnischen Stadt Stolpen und dem göttlichen Feuergerichte, welches anno 1723, den 4. März, über dieselbe ergangen.“
Die betreffende Schrift ist zu Dresden 1723 beim Hofbuchdrucker Stößel gedruckt worden und hat einen Umfang von zwei Bogen. –
Der damalige Kurfürst, August der Starke, nahm sich der armen Abgebrannten Stolpens landesväterlich an. Am 19. April 1723 ließ er zum Besten der Bürger und zum Wiederaufbau der niedergebrannten geistlichen Gebäude in seinem ganzen Lande eine Sammlung veranstalten. Auch ordnete er an, daß aus den königlichen, bez. kurfürstlichen Waldungen zum Aufbau aller öffentlichen Gebäude die dazu nötigen Baumstämme geschlagen werden sollten. Gern hätte es der Kurfürst gesehen, wenn die wiederaufzubauende Stadt nun auf die Südseite der Festung gekommen wäre. Er bot zu diesem Zwecke in hochherziger Weise der Stadt als Bauplatz den Tiergarten zum Geschenk an. Allein man wollte die liebgewonnene, trauliche Stätte der Väter nicht verlassen und machte von dem freundlichen Angebote des treusorgenden Fürsten keinen Gebrauch. Und so steht die Stadt Stolpen noch heute auf der Mitternachtsseite des Burgberges.
Auch die Nachbarstädte zeigten sich gegen Stolpen im hohen Grade opferwillig und leisteten den Unglücklichen hilfreiche Hand. Selbst aus Preußen und Schlesien, aus Thüringen, Bayern und Böhmen trafen gesammelte Gelder ein.
„Zum Gedächtnis dieser göttlichen Heimsuchung feierte Stolpen bis in das 19. Jahrhundert herein alljährlich am 4. März einen Buß-, Bet- und Danktag, an welchem sowohl Vor-, als auch Nachmittags über gewisse auserlesene Texte gepredigt, am Tage vorher aber Betstunde gehalten wurde.“
Wie Stolpen nach dem Brande am 4. März 1723 wieder aufgebaut ward, so ist es in der Hauptsache bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben. Gott schütze dieses traute Städtchen vor ferneren Heimsuchungen!