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Die grosse Brücke über den Schuylkill und Fair-Mount-Water-Works bei Philadelphia

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
XLI. Dieppe Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band (1833) von Joseph Meyer
XLII. Die grosse Brücke über den Schuylkill und Fair-Mount-Water-Works bei Philadelphia
XLIII. Malta – La Valetta
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DIE GROSSE BRÜCKE ÜBER DEN SCHUYLKILL
bey Philadelphia, Ver: Staaten.

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XLII. Die grosse Brücke über den Schuylkill und Fair-Mount-Water-Works bei Philadelphia.




Philadelphia, die Hauptstadt Pennsylvaniens, ist an Pracht, Reichthum und Größe die erste der Union. Die Stadt liegt 2 Stunden über den Zusammenfluß des Schuylkill mit dem Delaware, in der gabelförmigen Ebene, welche diese beiden Ströme bilden. Hundert und zwanzig englische Meilen vom Meere entfernt, hat der Delawarestrom hier doch noch eine Breite von einer halben Stunde, und die für große Seeschiffe bis zu 1200 Tonnen Tracht nöthige beträchtliche Tiefe. Philadelphia genießt dadurch alle Vortheile einer Seestadt. Es wird jährlich von 600 Seeschiffen besucht, und Eisenbahnen und Kanäle strecken sich von hier in allen Richtungen aus und machen Philadelphia, das stets Hauptsitz der transatlantischen Kunst und Gelehrsamkeit war, zugleich zu einer Metropole der Industrie und des Handels. In dieser letzten Beziehung hat nur New-York noch den Vorrang.

Die Gründung der Stadt geschah von William Penn, dem Stifter der Sekte der Quäker, im Jahre 1682, durch die Erbauung von 80 Häusern. Hundert Jahre darauf zählte der Ort 6000 Häuser und 40,000 Bewohner. Die Zahl jener war 1830 auf 30,000, die der Bevölkerung auf 170,000 angewachsen. Jetzt bedeckt Philadelphia mit seinen Vorstädten die ganze Ebene zwischen dem Delaware und Schuylkill, und große Strecken jenseits des letztern Stromes in einer Länge von vier und einer Breite von drei englischen Meilen. Die Gesammtzahl der Wohnungen übersteigt 34,000, die ihrer Bewohner 200,000. Die alte Welt bietet kein Beispiel solchen Gedeihens eines Orts in so kurzem Zeitraum, und auch die neue hat nur ein zweites gleicher Größe an New-York aufzuweisen.

Penn’s herrliche Stadt ist in 300 schnurgeraden Straßen angelegt, welche sich von Norden nach Süden und von Osten nach Westen rechtwinklich durchschneiden. Einige und 50 Hauptstraßen haben jede eine Länge von 2 und 3 Meilen, bei 80 bis 115 Fuß Breite. Alle sind mit 10–16 Fuß breiten erhöheten Trottoirs für die Fußgänger zu beiden Seiten der Häuser versehen, und diese, nach dem Fahrwege zu, mit Bäumen bepflanzt, welche den Wandelnden Schatten und Schutz gegen Regen und Sonne gewähren. Nirgends beleidigt das Auge öffentliche Unsauberkeit, nirgends der Anblick des menschlichen Elends und der Verworfenheit in faullenzenden Bettlern, oder in ekelhaften Kranken und Krüppeln, in flehenden Greisen und Kindern; nirgends auch wird das Gefühl des Mannes durch umherschleichende, lungernde Schergen der Gewalt und buntfarbige Zwingknechte niedergebeugt, oder empört. Bürgerlicher Gemeinsinn und Achtung vor dem Gesetze, das all geachtet wird, weil es von Allen ausgeht, und Allen gerecht wird, – schaffen [100] hier ohne Polizeistock das Wunder der öffentlichen Ordnung. – Gemein- und Bürgersinn, jener allen edeln Menschen in der alten so gut wie in der neuen Welt innewohnende (aber dort in Fesseln verkrüppelnde, hier frei wirkende) Drang, Gemeinnütziges zu schaffen in dem größern, gesellschaftlichen Kreise, dem er angehört, haben Philadelphia mit unzähligen Anstalten zur Beförderung der öffentlichen Glückseligkeit, zur Minderung des Elends, zur Hülfe für Arme und Leidende, zur Verschönerung und zur Bequemlichkeit des Lebens, zur Rettung aus, und zur Verhütung von Lastern, Verbrechen und Unglück geschmückt. Die prachtvollsten Gebäude, welche die Hauptstraßen und öffentlichen Plätze zieren, deuten gewöhnlich auf jene Zwecke hin und dienen dem gemeinen Wohl. Wir werden später eine Veranlassung haben, alle diese bewundernswürdigen Anstalten übersichtlich zu betrachten, und begnügen uns jetzt mit der Beschreibung der Gegenstände unsers meisterhaften Bildes.

Jene herrliche Brücke (UPPER FERRY-BRIDGE), das kühnste Werk in diesem Zweige der Baukunst, welches Amerika aufzuweisen hat, befindet sich oberhalb der Stadt, am nordöstlichen Ende derselben. Von hohen Ufern überspannt sie den hier viertehalb hundert Fuß breiten Schuylkill in einem Bogen, und Niemand kann das gewaltige Werk anstaunen, ohne zugleich ein heimliches Grauen zu fühlen. Das Gewölbe des Bogens ist nämlich so flach, daß man kaum begreifen kann, wie es fähig sey, die schwersten Lastwagen, ohne Gefahr des Einsturzes, zu tragen. Die Brücke ist bedeckt; die Bedachung aber so geschmackvoll und leicht, daß sie an imposantem Ansehen dadurch eher gewinnt als verliert. Ihre Erbauung kostete über eine Million Gulden.

Rechts von der Brücke sehen wir einen Hügel (FAIR MOUNTAIN), dessen Scheitel mit einem Pfahlwerk umgeben ist. Auf diesem befinden sich die berühmten Werke, welche ganz Philadelphia mit gesundem Trinkwasser und den wirksamsten Waffen gegen Straßenschmutz und Brand auf das reichlichste versehen; ein Werk, das an Größe, Pracht und Zweckmäßigkeit in der Welt seines Gleichen sucht.

Man stelle sich innerhalb der sichtbaren Pallisadeneinfassung jenes Hügels, der eine Höhe von 105 Fuß über den Wasserspiegel des Flusses hat, drei 16 Fuß tiefe und 175 Fuß im Durchmesser haltende Reservoirs, aus weißem Marmor, eingemauert vor, die zusammen 200 Millionen Pfund Wasser fassen. In diese wird durch Pumpwerke, welche die Kraft des gestaueten Flusses treibt, das treffliche Wasser des silberhellen Schuylkill gehoben und von da in die Stadt in gußeisernen und zinnernen Röhren, welche zusammen eine Länge von 30 englischen Meilen haben, nicht allein zur Versorgung aller öffentlichen Brunnen geleitet, sondern auch in jedes Stockwerk jedes einzelnen Hauses, so daß mindestens jede Familie eigenes springendes Wasser besitzt. – Aber dieß ist noch nicht die ganze Wirkung der vortrefflichen Anstalt. Besondere Kanäle versorgen die Vorrichtungen, mittels welcher täglich das Abwaschen der Straßen der Stadt geschieht, und andere halten Röhren gefüllt, welche in von Strecke zu Strecke auf allen Straßen stehenden kurzen Pfeilern verborgen sind. In diesen Pfeilern befinden sich zugleich Schläuche mit Schrauben aufbewahrt, welche man bei ausbrechendem Brand sofort an die Wasserröhre, die mit einem Hahn versehen ist, befestigt, nachher den Hahn öffnet, und dadurch augenblicklich einen ununterbrochenen Wasserstrahl, der sich 80 Fuß hoch erhebt, als wirksamstes Löschmittel zur Verfügung erhält. Größeres Brandunglück ist, seitdem diese musterhafte Anstalt besteht, von Philadelphia gänzlich fern gehalten worden.