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Die drei Federn (Lehnert)

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Textdaten
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Autor: Johann Heinrich Lehnert
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Titel: Die drei Federn
Untertitel:
aus: Mährchenkranz für Kinder, der erheiternden Unterhaltung besonders im Familienkreise, S. 35–38
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: [1829]
Verlag: J. G. Hasselberg
Drucker: Gebrüder Unger
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg = Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
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[35]
6.
Die drei Federn.

Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne, welche er mit gleicher Zärtlichkeit liebte, obwohl der Jüngste unter ihnen für etwas dumm gehalten wurde, weil er so still und [36] friedlich war. Nun wußte der Vater nicht recht, wem von den Söhnen er das Reich hinterlassen sollte: daher beschloß er, es demjenigen zu übergeben, welcher das meiste Glück haben würde. So schickte er denn die drei Söhne in die Welt, und sagte, wer ihm das feinste Stück Linnen mitbrächte, sollte das Reich haben.

Als sie sich nun zur Reise fertig gemacht hatten, und Abschied nehmen wollten, nahm der König drei Federn, und blies sie, eine nach der andern, aus dem Fenster seines Schlosses in die Luft. Die eine flog nach Abend, dahinaus mußte der älteste Sohn ziehen; die zweite flog nach Morgen, dahin sollte der zweite seinen Weg nehmen; die dritte aber fiel auf einen großen Stein herab, der nicht weit von dem Schlosse lag. Da mußte denn der dritte Sohn zu Hause bleiben, und durfte nicht mit hinausziehen in die Welt, wiewohl er es gern gethan hätte. Die Brüder aber freueten sich darob, und neckten ihn, daß er nun bei dem Stein das feine Linnengewebe suchen möchte, da hätte er’s ganz nahe und ohne alle Mühe und Beschwerde.

Die beiden Brüder wanderten fort, ein jeder seines Weges; der dritte aber setzte sich auf den Stein, und weinte bis zum Abend. Da kam es ihm vor, als ob der Stein sich hin und her schöbe, und zuletzt war er auch wirklich fortgeschoben, und eine Marmorplatte mit einem Ringe kam zum Vorschein. Als diese aufgehoben war, fand er eine Treppe, die stieg er hinab, und kam in ein großes, unterirdisches Gewölbe, worin ein Mädchen am Webestuhl saß, und Linnengarn webte.

Das Mädchen sah ihm in die Augen, und fragte: „Hast Du geweint?“ – „Ja!“ sagte er, „ich habe sehr geweint.“ Und nun erzählte er, wie übel es ihm ginge. Da schenkte ihm das Mädchen ein Stück der allerfeinsten [37] Leinwand, und sagte: „Feiner bringen es deine Brüder gewiß nicht.“

Als er wieder auf die Erde hinauf kam, war er eben so lange Zeit weggewesen, als die Brüder, und wußte nicht, wie das zuging: denn es kam ihm vor, als sey er nur ein Stündchen unter der Erde gewesen.

Da nun Jeder dem Vater sein Stück Linnen vorzeigte, war des Jüngsten seines noch einmal so fein, als die Stücke, welche die Brüder gebracht hatten.

Nun hätte dem Jüngsten das Reich gehört, aber die Brüder beneideten es ihm, und machten allerlei Widerrede, und meinten, es müsse noch eine Probe gemacht werden.

Da verlangte der König den schönsten Teppich; wer den bringe, der solle das Reich haben. Der König blies die drei Federn in die Luft, und da ging es wieder, wie das erste Mal. Die eine flog nach Morgen, die andere nach Abend, und die dritte fiel wieder auf denselben Stein. Da lachten die Brüder den Jüngsten abermals aus, daß er wieder zurückbleiben mußte. Diesmal aber weinte er nicht, sondern hob den Stein auf, und ging in das Gewölbe. Da saß das Mädchen, und webte einen Teppich aus den allerfeinsten Fäden mit brennenden Farben und wunderschönen Blumen, den gab sie ihm.

Als die drei Brüder nun wieder zurückgekommen waren, und ihre Teppiche vorzeigten, war des Jüngsten seiner so schön, daß man die andern Teppiche nicht ansehen mochte. Aber die Brüder stritten wieder, und meinten, aller guten Dinge müßten drei seyn.

Der König war damit zufrieden, und versprach demjenigen das Reich, welcher die schönste Jungfrau heimbringen würde. Darauf ging es mit den drei Federn abermals so, wie vorher.

Da ging der Jüngste wieder in das Gewölbe, und [38] klagte dem Mädchen sein Leid. Das Mädchen trug ihm nun auf, in dem Gewölbe weiter zu gehen, da würde er die Schönste auf Erden finden. Er fand aber nur große Kammern voll Gold und Edelsteinen und einen großen Frosch, der an einem Teich saß. Der Frosch betrachtete ihn einige Augenblicke, und sagte dann: „Umarme mich, und senke dich mit mir in’s Wasser.“ Das sagte der Frosch ihm drei Mal, da that er es denn; aber kaum hatten sie das Wasser berührt, so hielt er die schönste Jungfrau in seinem Arm, gegen welche die Jungfrauen der Brüder ordentlich garstig aussahen.

Der König entschied nun, daß dem Jüngsten das Reich gehöre, da er ihm drei Mal das Beste gebracht hätte. Darüber waren aber die beiden anderen Brüder unwillig, und sagten, derjenige solle das Reich haben, dessen Jungfrau bis zu dem Ring hinaufspringen könne, der mitten im Saale hing. Die Jungfrauen der älteren Brüder sprangen und sprangen, doch vergeblich, sie konnten den Ring nicht berühren; die Jungfrau des dritten sprang aber mit leichter Mühe hinan, und hatte den Ring sogleich erlangt.

Die Brüder wollten ihm dennoch das Reich nicht lassen; der König aber sagte: „Nun ist es genug!“ und der dritte bekam das Reich, und heirathete die Jungfrau.

Da wurden die Brüder zornig gegen ihre Jungfrauen, und jagten sie fort, weil sie ihnen das Reich nicht hatten erspringen können.