Die chinesischen Staatskalender
Die chinesischen Staatskalender.
Es erscheinen zu Peking, jährlich viermal, nämlich im Frühlinge, Sommer, Herbst und Winter, zwei Staats-Kalender, einer für die Civiladministration, der andere für das Militär. Sie enthalten die Namen aller in der Hauptstadt, im Lande der Mandschu, und in den achtzehn Provinzen des eigentlichen China’s angestellten Beamten, nebst mehreren vorangehenden und stehenbleibenden Notizen, deren Inhalt weiter unten angegeben werden wird.
Der Staatskalender für die Civiladministration führt den Titel Tai t’hsing tsin schin t’hsinan schu, das ist, vollständiges Verzeichniß aller im effectiven Dienst stehenden Civilbeamten des Hauses Tai t’hsing, oder der Mandschudynastie. Er besteht aus vier Bändchen, die zusammen 393 Seiten enthalten, und sowohl in groß als auch in klein Octavformat gedruckt werden, jedoch so, daß in beiden Ausgaben Seite mit Seite zusammentrifft. Der Einband dieser Bändchen ist von hochrother Farbe, und deßhalb sind die Engländer in Canton gewohnt diesen Staatskalender The Red Book zu nennen, wie ihren eigenen Londoner Hofkalender, der ebenfalls einen rothen Einband hat. Nach Vorrede und Inhaltsverzeichniß steht eine Art Einleitung mit folgenden vier Kapiteln: 1) die Aufzählung der neun Klassen der chinesischen Staatsdiener, deren jede in zwei Abtheilungen zerfällt, nebst der Angabe der ihren Mitgliedern zukommenden Auszeichnungen und Titel; 2) das Ceremoniel, oder die genaue Bestimmung der Höflichkeitsbezeigungen, welche sich die Mitglieder der verschiedenen Klassen wechselseitig schuldig sind, nebst einigen Artikeln ähnlichen Inhalts; 3) das Reglement, das die Vorschüsse bestimmt, welche der Staat den neuernannten Beamten macht, damit sie sich unverweilt auf ihre Posten in der Provinz begeben können; 4) das Reglement, das ihnen den Weg, welchen sie zu nehmen haben vorschreibt, so wie die Zeit in der sie an dem Ort ihrer Bestimmung angelangt seyn müssen.
Die vier Bändchen des eigentlichen Staatskalenders enthalten:
I Die Residenz Peking, und Sching king, oder Liao tung und das Land der Mandschu.
II Die Provinzen Tschyli, Kiang su, Ngan hoei, Kiang si, Tsche kiang und Fu kian.
III Die Provinzen Hu pe, Hu nan, Ho nan, Schun tung, Schan si, Schen si und Kan sü.
IV Die Provinzen Szü tschhuan, Kuang tung, Kuang si, Yün nun und Knei tscheu.[1]
In der ersten der neun Klassen chinesischer Civilbeamten sind die Staatsminister. Sie führen den Titel Ta hio szü, d. i. Meister der großen Lehre.
Zu der zweiten Abtheilung derselben Klasse gehören: 1) die Präsidenten der sechs Pu, oder Reichskollegien, von denen alle Civiladministration ausgeht; 2) der Ober-Censor des Reichs. Alle diese Beamten erhalten wegen ausgezeichneter Verdienste gewisse Ehrentitel, welche vormals wirkliche Aemter bezeichneten, jetzt aber als bloße Titel nur noch in sofern wichtig sind, als sie ihren Inhabern einen Adel ertheilen, der sich (wie es auch bei andern Titel der Fall ist) auf deren Vorfahren in absteigender Linie bis zu einer gewissen Generation, keineswegs aber auf deren Nachkommen erstreckt.
Die Mitglieder der ersten Klasse tragen als solche auf der Mütze eine Kugel aus einem rothen kostbaren Steine, die auf einem goldenen, drei Zoll langen, und schön gearbeiteten Stile steht, und oben mit einem Edelsteine verziert ist. Ihr Gürtel hat vier Plättchen von weißer orientalischer Jade (Yü genannt), mit goldener Einfassung und einem Rubine in der Mitte. Das Pu Fu, oder der viereckichte seidene Latz auf der Brust und auf dem Rücken, ein ferneres Abzeichen dieser hohen Beamten, ist in den Ecken reich gestickt, und zeigt einen Storch, von Wolken und Blumen umgeben. Wenn diese Beamten nicht in Gala sind, ist das Kügelchen auf ihrer Mütze von rother Coralle, und der Stil, worauf das Kügelchen steht, weniger hoch. Der Teppich, welcher im Winter über ihren Sitz gebreitet wird, ist von Wolfsfell mit rother Sarsche verbrämt, und mit sehr feinem rothen Filze gefüttert.
Die Beamten der andern Klassen haben alle ähnliche Abzeichen, und man unterscheidet sie an der Kugel auf der Mütze, an den Zierrathen des Gürtels, an den gestickten Lützen, und an dem Teppiche dessen sie sich bedienen; ebenso die nicht in den neun Klassen begriffenen Beamten, deren es eine bedeutende Anzahl giebt, die bei [134] Gelegenheit einer Beförderung eingereiht werden. Sie sind das, was wir Ueberzählige oder Supernumerärs nennen.
Außer seinem Gehalte, der im Ganzen geringe ist, erhält der chinesische Staatsdiener noch Yang liän oder Beköstigungsgelder. Ein besonderer kaiserlicher Befehl erlaubt ferner denen, die zu einem Posten in der Provinz ernannt werden, bei ihrer Abfertigung von Peking, zur Bestreitung der Reisekosten und zu ihrer dortigen Einrichtung, eine bestimmte Summe als Vorschuß von dem Reichsschatz zu nehmen. Die Größe dieses Vorschusses richtet sich nach dem Range der Stelle und nach der Entfernung der Provinz von der Residenz. So erhält z. B. der Präfect eines Departements der Provinz Yün nan, der südwestlichsten des eigentlichen China, eintausend Unzen Silber, während ein Präfect in Tschy li, oder der Provinz in der Peking liegt, nur 300 empfängt. Die Zurückzahlung dieser Summe, oder vielmehr ihr Abzug an den Beköstigungsgeldern, geschieht im Verlauf des ersten Jahrs, von der Ankunft des Beamten auf seinem Posten an gerechnet, in vier Terminen. Sind die Beköstigungsgelder geringe, so geschieht die Rückzahlung in achtzehn Monaten und in sechs Terminen. Stirbt der Beamte, ehe er diesen Vorschuß berichtigen konnte, so wird die restirende Summe auf alle Staatsdiener derselben Provinz, nach Verhältniß ihres Ranges, umgelegt.
Die neuen Beamten haben sich innerhalb zehn Tagen von Peking auf ihren Posten in den Städten der Provinz Tschy li einzufinden, und so nach dem Verhältniß der Entfernung in den anderen Provinzen des Reichs; so daß diejenigen, welche nach Yün nan, (der weit entlegensten Provinz) bestimmt sind, hundert und zehn Tage zur Reise bekommen; wer nicht zur bestimmten Zeit eintrifft, ist straffällig.
Um eine Uebersicht der ganzen chinesischen Civiladministration zu geben, lasse ich hier das Verzeichniß der hohen Dicasterien in Peking, von welchen die in den Provinzen abhängen, folgen:
1) Das erste Reichstribunal, Tsung schin fu ist das Forum der kaiserlichen Familie; es richtet und bestraft die Mitglieder desselben, wenn sie es verdienen. Die Beisitzer dieses Gerichts sind alle Prinzen vom Geblüt; der Präsident ist ein naher Verwandter des Kaisers.
2) Das Nui ko, oder innere Collegium. Seine Mitglieder bestehen aus Staatsministern und Gelehrten des ersten Ranges. Es zerfällt in drei Unterabtheilungen: a) die Geschichtsdirektion; sie hält ein genaues Tagebuch über die Handlungen des Kaisers, verzeichnet die von ihm ausgehenden Befehle, und sammelt alles was zur Verfassungder Geschichte seiner Regierung erforderlich ist; b) der Geheime Rath, empfängt und beantwortet die Schreiben fremder Höfe, verfaßt, nach dem Auftrage des Monarchen, die von ihm zu genehmigenden Befehle, und andere in seinem Namen erscheinende Schriften; c) die Gesetzcommission. Ihre Pflicht ist, nicht nur die alten Gesetze zu revidiren, und die nöthigen neuen zu entwerfen, sondern auch die Gesetze dem Kaiser stets vor Augen zu stellen, und den von ihm zum Nachfolger bestimmten Prinzen darin zu unterrichten.
Das innere Collegium giebt den vom Kaiser bestätigten Gesetzen Kraft, durch die Beidruckung der verschiedenen Reichssiegel, deren Aufbewahrung einem Verschnittenen des Palastes anvertraut ist. Wenn eines dieser Siegel zum Beidrucken erfordert wird, so muß das innere Collegium den Bewahrer desselben davon benachrichtigen, worauf er es selbst demselben überbringt, und gegenwärtig seyn muß, wenn es dem zu expedirenden Befehle beigesetzt wird.
Im Staatskalender wird die Kiun ti schhu genannte Kommission nicht angeführt, obgleich die wichtigsten Staatsangelegenheiten größtentheils durch ihre Hände gehen. Sie ist nämlich kein förmlich constituirtes Reichskollegium, sondern ein Ausschuß aus den ersten Personen der hohen Dicasterien, eine Art Staatsrath, dessen Mitglieder einzeln ihr Gutachten abgeben, und das Resultat ihrer Verhandlungen dem Kaiser vorlegen, der täglich von 5 bis 8 Uhr Morgens, im Conferenzsaale, dicht neben den Sitzungs-Zimmern dieser Commission sich aufhält, um die von derselben ihm zugeschickten Papiere zu empfangen, und deren Inhalt zu bestätigen, zu modificiren, oder zu verwerfen. Von ihm gehen diese Papiere an das innere Collegium ab, um mit dem Reichssiegel versehen zu werden. Haben sie diese Autorisation erhalten, so werden sie von neuem dem Kaiser vorgelegt, der sie noch einmal prüft, und dann ihre Absendung durch Staatsboten an den Ort ihrer Bestimmung befiehlt.
Dem Range nach folgt im Staatskalender das Collegium der Han lin, welches man die Akademie der Wissenschaften nennen könnte, wenn unsere Akademien in Europa eines so hohen Ansehens genößen, und so viel Einfluß auf die Staatsverwaltung hätten, als in Peking der Verein der ausgezeichnetsten Gelehrten des chinesischen Reiches.
Dieses Collegium besteht aus mehr als 200 Mitgliedern, von denen die vornehmsten die Vorleser des Kaisers sind.
Ein anderes gelehrtes Collegium führt den Namen Tschen szü fu; ihm liegt die Erziehung und Bildung des designirten Thronfolgers ob.
Auf die genannten hohen Reichsbehörden folgen die sechs Pu, oder großen administrativen Ministerien:
1) Das Ly pu,oder die Reichskanzelei, welche die Bestallungen der Civilbeamten ausfertigt, sie ein- und absetzt, und nach Verdiensten befördert, belohnt oder bestraft.
2) Das Hu pu, Finanzcollegium. Es verwaltet die Einkünfte des Reiches, bestätigt die zu machenden Ausgaben, und revidirt die Berechnungen der gemachten. Unter seiner Leitung stehen alle Ackerbauer und Ländereien des Reiches, so wie die Abgaben, welche in Natura von Getreide und anderen Landesproducten entrichtet werden, die Einfuhr und Ausfuhr des Getreides, Auflagen, Kopfgeld, Zölle auf Salz und andere Waaren, die Unterhaltung [135] der Armee und aller im Dienste stehenden Personen. Zu diesem Ministerium gehören vierzehn szü oder Expeditionen, welche nach den Provinzen, deren Angelegenheiten sie besorgen, benannt werden. Alle Geschäfte, welche die Erhebung von Steuern oder der Abgaben von den Ländereien betreffen, sind unter diese vierzehn Expeditionen vertheilt.
3) Das Li pu oder das Ministerium der Gebräuche. Von demselben hängt das Ceremonienwesen, so wie die Abfertigung und Annahme von Gesandtschaften ab. Bei dem ängstlichen Förmlichkeitsgeiste der Chinesen muß dieses Ministerium natürlich eine weit größere Wichtigkeit haben, als es uns Europäern scheint; da aber seine Beschäftigungen für uns von geringem Interesse sind, so glaube ich sie übergehen zu können.
4) Das Kriegscollegium, Ping pu genannt.
5) Hing pu, das Justizcollegium, oder Ober-Reichsgericht.
6) Kung pu, die Generaldirection der öffentlichen Arbeiten. Es hat dieselbe alle Bauten, Wege, Canäle, Brücken u. s. w. unter sich.
Diese Ministerien stehen unter keinem Minister, sondern jedes unter einem Präsidenten und Vicepräsidenten, von denen der erstere jedesmal ein Mandshu, der andere aber ein Chinese ist. Jedem pu ist noch eine besonderer kho, oder eine Fiscalcanzelei beigeben.
Das Li fan yuan hat die äußeren Provinzen des Reiches unter sich, nämlich die Mongolei, Tübet, die kleine Bucharei und das Land der Dsungar; es unterhält auch die Verbindungen mit den in Westen und Norden des chinesischen Reichs gelegenen auswärtigen Staaten, wie z. B. mit Rußland, und besorgt, in Gemeinschaft mit dem Ministerium der Gebräuche, den Empfang ihrer Gesandtschaften.
Das Tu tschha yuan, oder das Collegium der Reichscensoren, die das Recht und die Pflicht haben, dem Kaiser über Mißgriffe in der Regierung Vorstellungen zu machen, ihn von den in den Provinzen statthabenden Unordnungen in der Administration zu unterrichten, und die überhaupt die General-Controlle über die ganze Staatsverwaltung führen. Man könnte dieses Collegium daher das der öffentlichen Anklage nennen. Sowohl in den fünf Abtheilungen der Residenzstadt Peking, als auch in jeder Provinz befindet sich ein Mitglied des Tu tschah yuan, das strafbar seyn würde, wenn es dem Kaiser die dort obwaltenden Mißbräuche verheimlichte.
Alle im Vorstehenden aufgezählten Dicasterien bilden die obere Reichsverwaltung von China, dessen Verfassung also keinesweg, wie man gewöhnlich glaubt, eine unumschränkte Despotie ist. Die Gesetze gehen nicht einmal vom Monarchen aus, sondern werden von den obersten Staatsbehörden entworfen, discutirt, und ihm nur zur Bestätigung vorgelegt, bei der er freilich ein entscheidendes Veto hat, das aber nur durch Beistimmung jener Behörden ein jubeo werden kann.
[138] Der Staatskalender giebt noch folgende Administrationen in Peking an:
Thung tsching szü, die Direction der an den Kaiser gehenden Bittschriften.
Ta li szü, das Criminalgericht.
Tai tschang szü, die Direction der öffentlichen Opfer.
Tai pu szü, die Administration der Gestütte, Marställe und Heerden.
Kuang lu szü, die Direction der öffentlichen Feste und Gastmahle, welche der Kaiser an gewissen Tagen den Beamten und andern verdienten Personen gibt.
Kue tsü kian, die Reichsuniversität, aus welcher die zu den höchsten Staatsämtern sich bildenden Candidaten hervorgehen.
Hung lu szü, oder die Direction des Hofceremonials.
Khin thian szü, das astronomische Collegium, welches das Kalenderwesen besorgt, und unter dessen Beisitzern sich mehrere europäische Missionäre, gegenwärtig besonders portugiesische, befinden.
Tai i yuan, die Direction des Medizinalwesens.
Luan i wei, die Inspection über die Waffen, Wagen, Elephanten und andere Dinge die bei öffentlichen Zügen, wenn der Kaiser ausfährt, ausreitet, oder eine Reise unternimmt, gebraucht werden.
Endlich das Thi tu yuan, die Ober-Polizei-Direction von Peking, die eine Art Gensd’armerie unter sich hat. Sie darf die Schuldigen nur verhören, aber nicht richten, und sendet sie zur Verurtheilung an das Hing pu, oder Justizcollegium. In Sching king, oder Liao tung und dem Lande der Mandschu, ist die nämliche Verfassung, wie im eigentlichen China. Es steht ebenfalls unter sechs Ministerien, die ihren Sitz zu Mukden, der Hauptstadt, haben. Nur die Gegenden am Amurflusse und an der Grenze von Sibirien werden von Militärbehörden verwaltet.
Die Statthalter oder Vice-Könige der Provinzen führen den Titel Tsung tu; die Vice-Gouverneure heißen Siün fu oder Fu yuan. Diese beiden Gouverneure besorgen im Allgemeinen die Verwaltung der ihnen anvertrauten Provinz, mit Ausnahme der Finanzangelegenheiten, deren Administration dem Pu tsching szü oder Schatzmeister obliegt, welcher mit dem Finanzministerium zu Peking in directer Verbindung steht. Oft hat ein Tsung tu zwei Provinzen unter sich, wie der von Kiang si und Tsche kiang, von Hu pe und Hu nan, von Yün nan und Knei tscheu, dann aber hat jede dieser Provinzen ihren Siün fu. Der Thi tu ist zwar ein Civilbeamter, aber Chef aller chinesischen, in der Provinz in beständiger Garnison stehenden Truppen von der grünen Fahne. Dem Range nach steht er höher als der Vicekönig. Der Ngan tschya yuan ist der Chef der obersten Criminal-Behörde der Provinz. In mehreren Provinzen sind auch Yan yün szü, d. i. Ober-Salzinspectoren, und Liang tao, welche letztere die Verwaltung der Getreidevorräthe des Staates, so wie die Absendung der Abgaben in Naturalien auf den Canälen aus Peking besorgen.
Jede Provinz zerfällt in mehrere fu oder Departements, von denen die kleinern tschy li tscheu heißen, und die von besondern Präfekten regiert werden. Die Hauptstädte des Departements sind fu, oder Städte mit Administrationen vom ersten Range, oder tschy li tscheu, vom zweiten Range. Unter ihnen andere vom zweiten Range, tscheu genannt, und hian, oder vom dritten Range, von denen wieder Distrikte abhängig sind.
Für Europäer mußt es auffallend seyn, daß in China die Religion von Seiten des Staates gar nicht in Betracht gezogen wird. Man sieht sie in diesem Reiche als Privatsache der Individuen an, in welche sich die Regierung nicht zu mischen hat. Die chinesischen Regenten sind nie von dem Wahne angesteckt gewesen, die Religion als Mittel zur Beherrschung des Volkes anzusehen, denn sie wußten wohl, daß wenn durch Glauben geherrscht werden kann, es der Priesterstand ist, dem solche Herrschaft zu [139] Theil wird, und daß der Herrscher des Staates mit seinem Volke unter dieselbe verfällt.
Der Glaube, durch den Chinas Monarch regiert, ist der an die Institutionen und Grundgesetze des Reichs; ob gut ob schlecht, hängt von seiner Persönlichkeit ab, ein Fall, der selbst in constitutionellen Staaten zutrifft, in welchen die Theorie der Verwaltung stets vortrefflich ist, aber die Praxis ihr selten entspricht.
Der Militärkalender der Chinesen mit dem Titel tai t’hsing tschung tchhu pi lan, Uebersicht des ganzen Militäretats, besteht nur aus zwei Bändchen, die in eben den Formaten, und ebenfalls viermal des Jahres erscheinen, wie der Civilkalender.
In den ältesten Zeiten gab es kein stehendes Heer in China. Wollte der Kaiser irgend eine kriegerische Unternehmung machen, so führten ihm die Statthalter der verschiedenen Provinzen des Reichs, oder die kleinen von ihm abhängigen Lehnsfürsten eine bestimmte Anzahl aus dem Bauernstande ausgehobener Mannschaft zu, die, nach Beendigung des Krieges, wieder zum Pfluge zurückkehrte. Um indessen das Volk auch in Friedenszeiten in den Waffen zu üben, wurden nach der Erndte alle rüstigen jungen Männer versammelt, um, durch große regelmäßige Jagden auf Tieger und wilde Thiere, sich an militärischen Gehorsam zu gewöhnen, und Geschicklichkeit in den Waffen zu erwerben.
Am Anfange des siebenten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung bemeisterte sich der Stadthalter einer Provinz des ganzen Reiches, bestieg den Thron, und ward Stifter der großen Dynastie Thang. Durch eigene Erfahrung belehrt, sah er die Nothwendigkeit einer stehenden Armee ein, vermittelst welcher er Ruhe und Ordnung im Lande erhalten, und die häufigen Einfälle der, nördlich von China herrschenden, türkischen Völkerschaften verhindern könnte. Er ließ daher das Heer, durch dessen Hülfe er die Kaiserwürde erlangt hatte, nicht auseinander gehen, sondern vertheilte es auf die Punkte des Reiches, und die Grenzen, die wegen ihrer festen Lage oder aus andern Gründen als die wichtigsten erschienen. Seit jener Zeit sind die Lagerplätze der chinesischen Armee, mit Ausnahme weniger unumgänglich nöthigen Veränderungen, dieselben geblieben.
Das ganze chinesisch-mandschuische Heer besteht jetzt aus drei gänzlich verschiedenen Theilen:
1) die acht Fahnen, oder Divisionen, welche, nach der Farbe ihrer Feldzeichen, folgendermaßen benennt werden:
a) Die gelbe verbrämte. b) Die gelbe. c) Die weiße. d) Die rothe. e) Die weiße verbrämte. f) Die rothe verbrämte. g) Die blaue. h) Die blaue verbrämte.
Jede dieser Fahnen zerfällt wieder in drei Theile; den ersten bilden Mandschu, den zweiten Mongolen, und den dritten Chinesen, die auch schwere Truppen genannt werden. Diese Unterabtheilungen bestehen seit dem Anfange der Mandschu-Dynastie. Die in den acht Fahnen befindlichen Mongolen und Chinesen sind Nachkommen derjenigen Mongolen und Chinesen, welche mit den Mandschu bei der Eroberung China’s gemeinschaftliche Sache gemacht haben. Bei weitem der größte Theil aller dieser Truppen besteht aus Reiterei; die Anzahl der Fußvölker ist dagegen sehr gering. Diese acht Fahnen bilden so zu sagen den Kern des Heeres, und den Theil desselben, auf den die Regierung am sichersten rechnen kann, und doch übersteigt die Anzahl dieser Truppen nicht 200,000, mit welcher verhältnißmäßig geringen Macht ein so ungeheurer Körper, wie das chinesische Reich ist, zusammengehalten wird. Was die Mandschu im Besitz des Thrones erheilt, ist weniger jene Militärmacht, als das im ganzen musterhafte Betragen ihrer Kaiser und die Beobachtung der Gesetze gewesen. Ob sie sich noch lange in China behaupten werden, muß die Regierungsweise des jetzigen Kaisers lehren, welcher die schwache und tadelnswürdige Administration seines Vaters nicht nachzuahmen scheint; wenigstens nach der Energie zu schließen mit welcher er gegen die Rebellion der mohammedanischen Stämme der kleinen Bucharei zu Werke ging.
2. Das Heer der grünen Fahne besteht aus eingeborenen chinesischen Soldaten. In der ersten Hälfte der Regierung Khian lung’s, oder in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, zählte man 450 yng oder Waffenplätze, die je von einem Regimente von 1000 Mann besetzt waren. Nach dieser Angabe betrug also damals die Stärke dieses Heeres 450,000 Mann, eine Zahl, welche wegen der dem Berufe ihrer Väter freiwillig folgenden Soldatenkinder gegenwärtig doppelt so hoch angeschlagen werden darf. Die Regimenter dieser Fahne erhalten ihren Namen nach dem Waffenplatz, in dem sie in bleibender Garnison stehen, oder vielmehr dessen einzige Bewohner sie sind; selbst in Kriegszeiten werden die Soldaten nur selten an andern Orten verwendet; die höheren Offiziere können, bei Beförderungen, versetzt werden.
3. Irreguläre Truppen in den äußeren Provinzen des Reiches, nämlich in der Mongolei, in Tübet, der kleinen Bucharei und im alten Lande der Dsungar. Sie bestehen aus 207 Fahnen, welche man, mit Einschluß derjenigen, die noch nicht unter die Fahnen eingereiht sind, zu 95,000 Mann berechnet: 8 Fahnen Tschachak und Oelet, 49 Fahnen Mongolen, 2 Fahnen Tument von Chuchu choron, 86 Fahnen Kalka, 30 Fahnen Mongolen vom See Chuchu noor, 1 Fahne Oelet vom Berge Alashan, Mongolen in Tübet, 1 Fahne Turgut, 16 Fahnen freiwillig unterworfener Dsungar, Dsungar und Oelet, eine Fahne Dschachadsin, 11 Fahnen Uriangchai, am oberen Jenisei, 1 Fahne Mohamdedaner von Chamil, 1 Fahne Mohamedaner von Turfan, freiwillig unterworfene Mohamedaner, unterworfene Mohamedaner, zinspflichtige Mohamedaner.
Mit den Seesoldaten und Matrosen wird jetzt die ganze chinesische Heermacht auf 1,358,000 Mann angeschlagen; da dieselbe aber nie vollzählig ist, so kann man ein Drittel weniger annehmen, und sie zu 900,000 berechnen.
Der Militärkalender bezieht sich nur auf das in China stehende chinesische Heer, oder die Truppen der grünen Fahne, die aber zum Theil auch von Anführern aus den acht mandschuischen Fahnen befehligt werden. Dieses Heer besteht aus drei Waffengattungen: 1. Reiterei, mit [140] Säbeln, Bogen und Pfeilen, Panzer und Helm. 2. Reguläre Infanterie, mit Schießgewehr, Bogen und Säbel; dieselbe bedient sich auch der Lanze und des Säbels mit langem Schafte gegen feindliche Cavallerie. 3. Wachtinfanterie: eben so bewaffnet wie die vorhergehende, aber geringer besoldet, und nur zur Besetzung der minder wichtigen Posten gebraucht. Nach einer gewissen Dienstzeit wird der Soldat aus der Wachtinfanterie in die reguläre Infanterie, und aus dieser in die Cavallerie befördert. Die grüne Fahne besteht aus zwei Zehntel Cavallerie, aus zwei Zehntel reguläre Infanterie, und sechs Zehntel Wachtinfanterie.
So wie die Civilbeamten sind auch die Offiziere der Armee in neun Classen getheilt, deren jede wieder in zwei Unterabtheilungen zerfällt. Die hier folgende Tafel giebt eine Uebersicht der sieben ersten Classen, nebst ihren Titeln und Besoldungen. Die letzteren sind nach Unzen Silbers und Tausendtheilen von Unzen berechnet. Die chinesische Unze gilt in Canon 6 Schilling 8 Pence Englisch.
Klasse. | Abthl. | Titel. | Nach europäischem Range. |
Total. | ||||
Gehalt. | Feuerung. | Tafelgeld. | Bureau- Ausgaben | |||||
VII. | 1 |
Yng thsian tsung. Yng pa tsung. |
Fändrich |
– | – | – | – | 36 |
Der oberste Befehlshaber der Truppen einer oder zwei chinesischer Provinzen ist der Tsungtu, oder Vice-König derselben. Er ist stets ein Mandschu, und hat die höchste Civil- und Militärgewalt in Händen. Ihm liegen die Prüfungen ob, denen alle Offiziere der Armee unterworfen sind, wenn sie zu einem höhern Grade befördert werden sollen. Sie werden auf eine Vorstellung des Divisions-Generals, oder des Tsung ping, der sein Generallieutenant ist, zu diesen Prüfungen zugelassen; der Thi tu schickt sodann die Liste der zu Befördernden an das Kriegskollegium nach Pecking, welches auf seine Vorstellung die Patente ausfertigen läßt. Die Stelle eine Tsung tu ist nicht lebenslänglich, sondern er bekleidet sie nur drei Jahre lang, wenn er nicht abgesetzt, oder zu einem höhern Amte, wie zum Beispiel zur Präsidentur einer der beiden höchsten Reichskollegien, oder ins Ministerium nach Peking berufen wird.
Jede Provinz hat ihren Thi tu, oder General-Inspektor der Truppen, oft auch zwei, wenn die Ausdehnung es erfordert. In der Provinz Tu kian ist einer für die Landtruppen, und einer für die Flotte, welcher letztere zugleich die Insel Formosa unter sich hat. Nur eine lange Reihe von Dienstjahren führt zu dem Amte eines Thi tu, welches lebenslänglich ist. Der Thi tu residirt gewöhnlich in der Hauptstadt der Provinz, manchmal aber auch in einer andern Stadt derselben, die eine größere militärische Wichtigkeit hat; er commandirt ein eigenes ihm zustehendes Regiment von fünf Bataillons.
Die Anzahl der Tsung ping oder Generallieutenants ist nicht festgesetzt; in einigen Provinzen sind derselben acht, in andern mehrere, in der von Canton aber nur sechs. Jeder Tsung ping hat sein eigenes Truppencorps, das gewöhnlich aus drei Bataillons besteht, und in seinem ganzen Tschin oder Militärdistrikt vertheilt ist. Der Ausdruck Tschin bezeichnet nicht nur diesen Distrikt, sondern auch das Corps, welches derselbe inne hat. Die Tsung ping haben übrigens nicht die geringste Herrschaft über die Bewohner des Militärdistrikts, dessen Truppen sie befehligen.
Die Unterabtheilungen der Militärdistrikte und die Commandanten derselben der Reihe nach anzuführen, scheint mir überflüssig. Doch hoffe ich, daß diese Zergliederung der beiden chinesischen Staatskalender ein besseres Bild von der ganzen Einrichtung des Reiches geben wird, als man früher gehabt hat.
- ↑ Man sieht, daß der Staatskalender weder die Mongolei, noch Tübet, die kleine Bucharei und das alte Land der Dsungar begreift, weil diese Länder ihre eigenthümliche Verwaltung haben, und nicht nach chinesischen Gesetzen regiert werden.