Zum Inhalt springen

Die araner mundart/Lautangleichung, lautkürzung und lautschwund

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
« Das lautgefüge Die araner mundart Die satzbetonung »
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
Zweites kapitel.
Lautangleichung, lautkürzung und lautschwund.

§ 316. Die im ersten kapitel dieses abschnitts behandelten lautveränderungen treten fast ausnahmslos ein, wenn die angegebenen bedingungen erfüllt sind, gleichgültig, ob der sprecher schnell oder langsam spricht, ob er sich einer sorgfältigen artikulation befleissigt oder alles mit einer gewissen nachlässigkeit äussert. Die in diesem kapitel zu behandelnden lautänderungen dagegen sind wesentlich von dem tempo der rede abhängig und unterbleiben im falle langsamer und sorgfältiger artikulation.

A) Lautangleichung.

§ 317. Vier arten von lautangleichung sind es, die wegen der häufigkeit ihres auftretens nicht für nur gelegentliche erscheinungen gehalten werden dürfen und daher hier eine, wenn auch kurze, besprechung erfordern:

a) der übergang eines stimmhaften oralen verschlusslauts in den entsprechenden stimmlosen nach einem stimmlosen reibelaute (s. § 318. 319);
b) der übergang eines stimmhaften oralen konsonanten in den entsprechenden stimmlosen vor einem stimmlosen laute (s. § 320. 321);
c) der übergang eines indifferenten konsonanten (vgl. § 98) in den entsprechenden palatalisierten (vgl. § 98) vor einem palatalen vokal der schrift oder einem palatalisierten konsonanten (s. § 322);
d) der übergang eines d in sowie eines ȷ in ń nach n mit darauf folgendem schwund dieses den übergang veranlassenden n (s. § 323).

§ 318. Die stimmlosen reibelaute, nach denen der übergang eines stimmhaften oralen verschlusslauts in den entsprechenden stimmhaften erfolgt (vgl. § 317 a), sind x s und š; die der angegebenen änderung ausgesetzten konsonanten sind b d ȷ g und ǵ. Während jedoch die reibelaute s und š die angeführten verschlusslaute alle ihres stimmtons berauben, nachdem ein vor ȷ oder ǵ geratenes s gemäss § 317c ins übergegangen, beschränkt sich der einfluss des x in der regel darauf, den übergang von d zu t zu bewirken. Die lautverbindungen, die demgemäss als ergebnisse des hier behandelten angleichungsprozesses erscheinen, sind also: xt sp st sk šp št šc šk šḱ. Dabei ist zu bemerken, dass auch šk meist in šḱ übergeht, dass mithin nur solche lautverbindungen zustande kommen, die dem sprecher als auch im isolierten wort vorkommende ziemlich vertraut sein müssen. Man vergleiche wörter wie l̄oxt „volk“, spānĭm „zeige“, stuəx „spitze“, skā „schatten“, špŕid „geist“ (neben spŕid), štīmr̥ „dampfboot“, əšcī́ „drinnen“, ĺešḱə ĺēšḱ „faulheit“.

§ 319. Beispiele für den § 317a und § 318 angegebenen lautwechsel sind: ə wān̄ tū l̄uəx tə hȳŕ, nuəŕ iərəs tū ē? „Bekommst du deinen arbeitslohn, wenn du darum bittest?“ [l̄uəx tə hȳŕ aus l̄uəx də hȳŕ]; rī mē xō cŕēn əs p ēȷŕ̥ lom „Ich lief so schnell wie möglich“ [s p ēȷŕ̥ aus agəs bə ēȷŕ̥; ēȷŕ̥ aus fēȷŕ̥]; šḱŕīvn̥̄ šē ən ræŋḱəš xō mŭȧ əs tā mə h-ī ə hæŋə-ʒūxəš hēn ī „Er schreibt französisch so gut, als wenn es seine muttersprache wäre“ [əs tā mə aus agəs dā mə; aus ]; nuəŕ ə xøniḱ šē mē, s kə brāx leš „Kaum hatte er mich erblickt, und fort war er schon wieder“ [s kə brāx aus agəs gə brāx]; əníš pə wȧ lm̥ ē hȧxt „Jetzt möchte ich wünschen, er käme“ [ aus ]; høš tə jŕāhŕ̥ n̥ krān̄ „Dein bruder hat den mast gemessen“ [høš tə aus høš də; zu høš vgl. II 294, 25]; hīl mē gə rø šē ńīš ceŕənī n̄ā šin „Ich dachte, es wäre schon später“ [ńīš ceŕənī aus ńīš ȷeŕənī aus ńīš [sic! ńīs] ȷeŕənī; vgl. hierzu § 317c]; wil tū ə gøl eǵ ə bostə? tāĭm, niš ḱə ȷīŕəx „Gehst du zur post? Ja, sogleich“ [niš ḱə aus əníš gə; vgl. II, 271,3].

§ 320. Die laute, vor denen der übergang eines stimmhaften oralen konsonanten in den entsprechenden stimmlosen erfolgt (vgl. § 317 b), sind p t c k ḱ f s š ç x h, die der angegebenen änderung ausgesetzten konsonanten sind: b d ȷ g ǵ v.

§ 321. Beispiele für den § 317 b und § 320 angegebenen lautwandel sind: l̄ūp šē n tlat „Er bog den stab“ [l̄ūp aus l̄ūb]; tā sūl ām, gə sāsō šib əníš mē, mar hāsə šip hænə „Ich hoffe, dass ihr mich jetzt ebenso zufriedenstellen werdet, wie ihr es früher gethan habt“ [šip aus šib]; bāt šōl „segelboot“ zu bād; ər āk tū də xōtə mōr də jiə? „Hast du deinen überzieher liegen lassen?“ [āk aus āg zu fāgĭm]; ńīrv ad n̥ mēc šin ax əwā́n ḱȧrū ūŕə „Das alles hat bloss eine viertelstunde gedauert“ [mēc aus mēȷ]; ńīr hiḱ tū mē „Du hast mich nicht verstanden“ [hiḱ aus hiǵ zu ciǵĭm]; tor əm də lāf ḱĺī! „Gieb mir deine linke hand!“ [lāf aus lāv aus l̄āv]; nȧf-çintəx „unschuldig“ aus ńȧv und ḱintəx.

§ 322. Die konsonanten, die in den § 317c bezeichneten fällen palatalisiert werden, sind: b d g k l n p s t. Beispiele sind: bĭ ǡr lm̥ ə ʒøl ə wȧlə „Ich möchte lieber nach hause gehn“ [bĭ ǡr aus ȧr [sic! ǡr]; ǡr aus fǡr nach § 263 b]; ȷ iniš din uəsl̥ lm̥ ē šin əńḗ „Ein herr erzählte mir das gestern“ [ȷ aus ]; d āǵ šē n cīŕ „Er hat das land verlassen“ [āǵ aus āg zu fāgĭm; neben d āǵ auch d āḱ nach §§ 317 b, 320, 321]; n̄ā h-īḱ šin! „Bezahle das nicht!“ [īḱ aus īk zu īkĭm], wuəĺ šē n dorəs „Er klopfte an“ [wuəĺ aus wuəl zu buəlĭm]; ń ȧ, n̄ax ḱŕeȷn̥̄ tū gə wiĺ šē fīr? „Was, du bezweifelst es?“ [ń ȧ aus ən ȧ, vgl. II 255, 33 ff.; ḱŕeȷn̥̄ aus ǵŕeȷn̥̄ nach §§ 317a, 318, 319; ǵŕeȷn̥̄ aus ḱŕeȷn̥̄ nach 283h]; rī mē xō cŕēn əs pĭ ēȷŕ̥ lom „Ich lief so schnell wie möglich“ [əs pĭ ēȷŕ̥ aus agəs bə ēȷŕ̥; ēȷŕ̥ aus fēȷŕ̥]; pīn əš ĺe-fīn „Anderthalb pfennige“ [əš aus əs zu agəs]; wil c ȧr sə mŭȧlə? „Ist dein mann zu hause?“ [c aus ; vgl. wil t æhŕ̥ sə mŭȧlə? „Ist dein vater zu hause?“].

§ 323. Beispiele für den § 317d erwähnten lautübergang sind: wil ḗn̄ín ən̄šín? „Ist jemand da?“ [ḗn̄ín aus ēn dinə; hinsichtlich des schwunds von ə s. § 324c]; ȷ imə šē eǵ ə h-ȳńēg ō xlog „Um elf uhr ging er fort“ [ȳńēg aus ȳn ȷēg]. Zuweilen lässt sich schwer entscheiden, welcher silbe das bzw. ń zuzurechnen ist. In den meisten fällen wird jedoch die schreibweise ēn inə, ȳń ēg der aussprache am besten gerecht.

B) Lautkürzung und lautschwund.

§ 324. Die am häufigsten eintretenden arten von lautkürzung und lautschwund sind – wenn man von den § 330 behandelten fällen absieht – folgende vier:

a) kürzung eines langen vokals unmittelbar vor einem stark betonten worte (s. § 325, 326);
b) schwund eines langen oder kurzen vokals vor der gleichartigen länge (s. § 327);
c) schwund eines ə vor oder nach einem vokal, wobei im falle des zusammentreffens von zwei ə ausfall des ersten anzunehmen ist (s. § 328);
d) ausfall des ersten von zwei gleichen, auch durch assimilation gleich gewordenen, konsonanten (s. § 329).

§ 325. Hinsichtlich der unmittelbar vor starkbetonten silben eintretenden kürzung langer vokale (vgl. § 324a) ist zu bemerken, dass durch dieselbe niemals eine änderung der qualität veranlasst wird, dass also ein ī beispielsweise nicht in den durch i bezeichneten offenen laut übergeht, sondern in ein kurzes geschlossenes i. Von einer besonderen bezeichnung darf jedoch nach dieser bemerkung wohl abgesehn werden.

§ 326. Beispiele für die kürzung eines langen vokals unmittelbar vor einem starkbetonten worte (vgl. §324a und §325) sind: si šīs! „Setze dich!“ [si aus zu sīm]; ńi akə mē hū „Ich habe dich nicht gesehn“ [ńi aus ńī]; dūŕc mē le šān nə h-æŕm̥ šə ə xør ə wȧlə „Ich habe Johann beauftragt, diese geräte nach hause zu bringen“ [le aus ], tā nə ńī sin le fāl agī „Ihr könnt die sachen bekommen“ [le aus ], wil is agət, ma fuəŕ šē bās? „Weisst du, ob er gestorben ist?“ [ma aus ]; ȷ īnšōx šī ən šḱēl əløg, da mĭøx əs eḱə ī „Sie würde die ganze geschichte erzählen, wenn sie sie kännte“ [da aus ; mĭøx ist starkbetont, əs aus is zu fis ist enklitisch]; pāriǵ o vŕiən „Patrick O’Brien“ [o aus ō „enkel“]; vī šē ə gøl o hȧx kə cȧx „Er ging von haus zu haus“ [o aus ō; aus nach § 317a]; tā tu krækālcə „Du bist verrückt“ [tu aus ].

§ 327. Beispiele für den nach § 324b eintretenden schwund eines langen oder kurzen vokals vor der gleichartigen länge sind: ń īsə mē ən t-rān šə „Ich werde dieses brot nicht essen“ [ń aus ńī]; n̄ā bŭȧn l ēn ńī! „Rühre nichts an!“ [l aus ]; m āgn̥̄ tū n̥ cīŕ, jau mē lȧt „Wenn du das vaterland verlässt, werde ich mit dir gehn“ [m āgn̥̄ aus mā āgn̥̄; āgn̥̄ aus fāgn̥̄ nach § 263a]; ḱē n fā, n̄ax ńīnn̥̄ t ūsāȷə gə nə hæŕm̥ šə „Warum machst du keinen gebrauch von diesen geräten?“ [t aus ].

§ 328. Beispiele für den nach § 324c eintretenden schwund eines ə sind: mar šin ə fuəŕ miš ē „So habe ich’s gefunden“ [miš aus mišə]; tā mē gøl eǵ ə bostə „Ich gehe zur post“ [mē gøl aus mē ə gøl aus mē əǵ gøl aus mē əǵ *døl]; is din uəsl̥ ē „Er ist ein feiner herr“ [din aus dinə]; tā tū gūnī kȧnc „Du schwatzest in einem fort“ [aus tā tū ə gūnī ə kȧnc]; l̄aurō myȷ n-ə himpl̥̄ l̄ā ḱīnc elə „Wir wollen einen anderen tag darüber sprechen“ [ḱīnc aus əḱī́nc]; din əḱī́nc „Jemand“ [din aus dinə]; imĭō mē gə blāklī́ noxt „Ich werde diese nacht nach Dublin reisen“ [noxt aus ənóxt]; ńīl tū nān anəxt də hiə „Du bist nicht im stande, dich aufrecht zu halten“ [nān aus ənā́n; anəxt aus ə anəxt]; toŕ fis dm̥, mā aiŕīn̄ ḱō ŕ bi „Wenn das geringste vorfällt, teile es mir mit!“ [ŕ aus əŕ].

§ 329. Beispiele für den nach § 324d erfolgenden konsonantenausfall sind: hȧ šē ŕ m ai „Er stand vor mir“ [ aus hȧš aus hȧs (vgl. § 317 c] zu šȧsĭm; is ā lm̥ ē „Das gefällt mir“ [ā aus āl]; ḱērd əs køsū leš? „Wie sieht das aus?“ [køsū aus køsūl]; tā šē ʒā vliən ńī šinə n̄ā mišə „Er ist zwei jahre älter als ich“ [ńī aus ńīš aus ńīs, vgl. § 317c]; ər šū lȧt! „Fort mit dir!“ [šū aus šūl]; ō ḱē n t-ām ə hōgə šə! „O, was für eine zeit das in anspruch nimmt!“ [hōgə aus hōgəš aus hōgəs (vgl. § 317c) zu tōgĭm]; ḱēr tā ort? „Was fehlt dir?“ [ḱēr aus ḱērt aus ḱērd; vgl. § 317b]; vŕi šib ə ŋ́ȧl̄ „Ihr habt euer versprechen gebrochen“ [vŕi aus vŕiš zu bŕišĭm].

§ 330. Besonders bemerkenswert ist der zum teil weitgehende lautschwund in einer reihe von fällen, wo sich neben starkbetonten formen besondere schwachbetonte herausgebildet haben. Die wichtigsten dieser formen sind: gəs əs s zu agəs „und“, ām am zu agm̥ „bei mir“, āt at zu agət „bei dir“, ǡń æń zu agń̥ „bei uns“, əs s zu is aus ə is zu fis „wissen“, l zu wil aus fŭil zu tāĭm, s əs zu is „ist“, lm̥ zu lom „mit mir“, ərm̥ rm zu orm̥ „auf mir“, ərt rt zu ort „auf dir“, əŕ ŕ̥ zu əŕ [sic! ] „auf ihm“, ərń̥ zu orń̥ „auf uns“, ərī zu orī „auf euch“, ərəb zu orəb „auf ihnen“, krəs zu okrəs „hunger“.

§ 331. Beispiele für die anwendung der § 330 aufgezählten formen sind: bī xō mŭȧ s kə ĺȧnā mišə! „Sei so gut und folge mir!“ [s aus agəs; aus nach § 317a]; tā mē fløx hŕīȷ əs hŕīȷ „Ich bin durch und durch nass“ [əs aus agəs; der wechsel der beiden schwachbetonten formen əs und s regelt sich nach § 324c]; tā sūl ām gə veḱə mē əŕī́šc hū! „Auf wiedersehn!“ [ām aus agm̥]; wil sūl at, gə wai tū ō n vȧr šə aibləgəȷ ə jīnə ʒm̥? „Hoffst du den mann dazu zu bewegen, mir einen gefallen zu erweisen? [at aus agət], is šeŕəvōntə n̄uə gə h-ømlān n̥ šeŕəvōntə š ǡńə „Unser dienstmädchen ist ganz neu im dienst“ [š ǡńə aus šə agń̥ə; hinsichtlich des schwundes von ə s. § 324c]; tā s ām ē le fadə „Das weiss ich schon lange“ [s aus ə is zu fis (vgl. § 324c); ām aus agm̥; le aus vor dem starkbetonten fadə nach § 324a]; ńī rau s eǵə tadə je „Er wusste nichts davon“ [rau s aus rø ə is]; møšə, ńī xirń̥ ḱešc ort, dā mĭøx əs ām n-ə himpl̥̄ „Nun, ich würde dich doch nicht fragen, wenn ich etwas davon wüsste“ [əs aus ə is aus ə fis; zum wechsel von əs und s vgl. § 324c]; kā l tū gøl? „Wo gehst du hin?“ [l aus wil zu tāĭm; aus tū ə nach § 324c]; ńī l ēn çō ax šin? „Weiter nichts als das?“ [ńī l aus ńī il aus *ńī fŭil zu tāĭm]; s kømə lm̥ „Es ist mir gleichgültig“ [s aus is „ist“; lm̥ aus lom]; ḱēr tā rt? „Was fehlt dir?“ [ḱēr aus ḱērt aus ḱērd (vgl. §§ 324d. 317b); rt aus ərt (vgl. § 324c) aus ort]; tā krəs orm̥ „Ich habe hunger“ [krəs aus okrəs].



« Das lautgefüge Die araner mundart Die satzbetonung »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).