Zum Inhalt springen

Die Zeiten. Zwei Blätter – Erstes Blatt

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Die Zeiten. Zwei Blätter – Einleitung W. Hogarth’s Zeichnungen, nach den Originalen in Stahl gestochen/Zweite Abtheilung (1840) von Franz Kottenkamp
Die Zeiten. Zwei Blätter – Erstes Blatt
Die Zeiten. Zwei Blätter – Zweites Blatt
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


[Ξ]
Die Zeiten.


Erstes Blatt.
[Ξ]

DIE ZEITEN.
THE TIMES.
I.

[Ξ]
Die Zeiten.
(The Times.)




Erstes Blatt.

Die Kriegsflammen haben eine ganze Reihe von Häusern ergriffen und mehrere beinahe schon gänzlich zu Grunde gerichtet. Die Schilde vor denselben geben Andeutung, welche Staaten Hogarth unter den Gebäuden verstand. Das vordere hat die Weltkugel und soll also die Verbreitung des Kampfes in allen Welttheilen bezeichnen; dann folgt Frankreich als ein Haus mit der Lilie; alsdann Deutschland, durch den Reichsadler kennbar; endlich Spanien, wo der Brand erst begonnen hat, (Spanien wurde zuletzt, wie erwähnt, in den Krieg gerissen). Das Schild zeigt einen Spanier mit Mantel und Halskrause, der einem Franzosen die Hand reicht. Dies soll eine Andeutung auf den Familienpact der beiden bourbonischen Häuser sein, worin sie Bündnisse und Kriege auf beiden Seiten für gemeinschaftlich erklärten. Pitt (Lord Chatham) marschirt auf Stelzen und schürt mit einem Blasebalge die [866] Feuersbrunst an. Die Stelzen sollen eine Anspielung auf die gewaltige oratorische Kunst dieses großen Redners sein, welche die Bewunderung der Zeitgenossen und der Nachwelt erregte. Hogarth war aber nach seiner Sinnesart und Erziehung viel zu platt, um die Bedeutung der parlamentarischen Beredtsamkeit zu begreifen. Um den Hals trägt Pitt einen Chester-Käse mit der Inschrift: 3000 Pf. Dies bezieht sich auf den einzigen Vorwurf, den man jenem sowohl durch Talente wie Charakter großen Staatsmanne während seines Lebens machen konnte. Er nahm von der Regierung nach ihm, die er verachtete, eine Pension von 3000 Pf. an, und schrieb bei dieser Gelegenheit an den König einen Brief, der seiner unwürdig war, wie man aus den kürzlich abgedruckten Memoiren sehen kann, worin sich derselbe wiederfindet (Correspondence of William Pitt Earl of Chatham edited by the executors of his Son). Lord Brougham macht in seinen Sketches (Skizzen über britische Staatsmänner) mit Recht die Behauptung, Georg III. habe jenem Manne, den er von Grund der Seele haßte, die Pension nur gegeben, um ihn in der öffentlichen Meinung herabzusetzen. Leider hatte Pitt die Pension angenommen. Dies war also eine Schwäche, welche Hogarth mit einigem Grunde hier anbringen konnte. Die Pension hängt Pitt in der Form eines Chester-Käses um den Hals, weil in der Rede, welche er bei seinem Austritt aus dem Ministerium im Parlamente hielt, die Worte vorkamen: „Ich will lieber von einem Chester-Käse und einer einfachen Hammelskeule leben, als mich den Feinden Großbritanniens unterwerfen,“ Worte, die sich sowohl auf den Aufwand des Lord Bute, der vielleicht aus unreiner Quelle floß, wie auf dessen Nachgiebigkeit gegen die äußeren Feinde bezogen. – Hogarth hat übrigens hier andeuten wollen, indem er dem Käse den Umfang eines Mühlsteines ertheilt, jenes Gewicht sei so schwer, daß es Pitt’s Popularität zuletzt zum Untersinken bringen müsse, eine Voraussetzung, die jedoch weder bei den Zeitgenossen, noch bei der Nachwelt in Erfüllung ging.

Diese Popularität Pitt’s hat Hogarth in solcher Weise dargestellt, wie sie dem Hofe gefallen mußte. Das Publikum besteht aus Schlächtern, die blutgierig ihre wohlklingende Musik, mit dem Schlachtmesser und Markknochen, machen, und aus Aldermen, die knieend den auf Stelzen einherschreitenden Götzen verehren. Die Corporation der City hatte sich nämlich entschieden gegen die neue Regierung ausgesprochen und beharrte auch in ihrer Opposition bis zum Schluß des amerikanischen Krieges. An dem Charakter der Aldermen klebt eine gewisse Lächerlichkcit; deßhalb hat Hogarth die City hier durch jene Beamten Londons repräsentirt. Die übrigen Bewunderer Pitt’s bestehen nach Hogarth und [867] den andern feilen Vertheidigern des Hofes in Pöbel; man erkennt dies aus einer Procession, von welcher Mistgabeln und Knittel sichtbar sind.

Die auf Pitt folgende Regierung ist von Hogarth natürlich in anderer Weise dargestellt. Ueber der Feuersbrunst schwebt die Friedenstaube mit dem Oelzweige im Munde. Lord Bute leitet die Spritze, welche das Feuer löschen wird. Er steht auf einer Erhöhung, auf deren Seite vier Hände dargestellt sind, die sich einander in Freundschaft verbinden, nämlich England, Frankreich, Spanien, Oesterreich. In dieser Andeutung beging Hogarth eine neue Erbärmlichkeit, denn sein Franzosenhaß ist Allen zur Genüge bekannt, welche die Zeichnungen des Künstlers auch nur oberflächlich betrachtet haben. Die Erhöhung zeigt eine Inschrift, die sich für den Friedensschluß eignet: Union office (Vereinigungsamt). Lord Bute, der als Spritzenmeister auf dem Arme das königliche Schild trägt mit der Krone und den Anfangsbuchstaben des königlichen Namens (G. R.), wird von Soldaten, Matrosen und Hochländern unterstützt, die Wasser herbei tragen und in anderer Art bei der Spritze beschäftigt sind. Soldaten und Matrosen als die wahre Nation hier anzubringen, ist sicherlich nicht sehr glücklich; die Hochländer haben deßhalb ihren Platz, weil Lord Bute ein Schotte war. Hogarth theilte bekanntlich die Vorurtheile seiner Landsleute gegen die nördlichen Nachbarn. Wenn ihm hier nicht von Oben her eine bestimmte Verfahrungsart vorgeschrieben wäre, so hätte er sicherlich die Schotten verspottet, wie in vielen seiner andern Blätter, und in derselben Weise, wie der grobe Johnson die Frage des Lord Bute beantwortete, ob ihm die Schotten gefielen. Johnson gab nämlich zur Erwiederung: er liebe die quackenden Frösche, so lange sie in ihren Sümpfen blieben.

Dem Lord Bute wird übrigens von der andern Seite her entgegengewirkt. Dort befindet sich die Opposition, natürlich von Hogarth in der Weise dargestellt, worin das ganze Blatt entworfen ist. Lord Temple, der Schwager Pitt’s, der mit ihm aus dem Ministerium schied, greift ihn mit einer Spritze von hinten an. Er ist ohne Gesicht und kann deßhalb über sein nach Hogarth’s Begriffen unloyales Verfahren, daß er sich nämlich dem Hofe widersetzt, auch keine Schaam zeigen. Ferner wird der Mangel eines Gesichts die Andeutung geben sollen, Lord Temple selbst habe in der Regierung keinen Kopf gehabt, sondern nur dessen Schwager. Ein anderer ehemaliger Minister aus Pitt’s Cabinett, der einige Monate später austrat, der Herzog von Newcastle, bringt ein anderes Manöver in Ausübung. Er fährt einem Hochländer mit einem Karren zwischen die Beine, der mit denjenigen Tageblättern beladen ist, [868] welche dazu dienten, die Volksmasse aufzuregen. Diese sind der Monitor und der North-Briton. Das letztere war Wilkes berühmte oder berüchtigte Zeitschrift, welche die Nation auf eine Weise in Bewegung brachte, die bisher unerhört gewesen war. Hogarth beging hiebei übrigens eine Unredlichkeit. Er war mit Wilkes persönlich befreundet. Wilkes übersendete ihm ein Billet, als die Herausgabe des vorliegenden Blattes angekündigt war, worin er bei ihm anfragte, ob es wahr sei, daß er (Wilkes) mit seinen politischen Freunden darin verspottet werde. Hogarth leugnete dies, was Wilkes Person betraf, und bemerkte, nur der Spott betreffe Pitt und Lord Temple. Wilkes kündigte ihm jedoch die Freundschaft auf, weil die Parteirücksicht ihm über Alles gehe. Wie man sieht, hatte Hogarth dennoch Wilkes angebracht, indem er ihn mit seinem North-Briton einführte. Auch aus den Dachfenstern des Oppositionshauses, welches als Caffeehaus den Namen nach Lord Temple führt (Temple’s coffee house), wird Lord Bute hinterrücks von Zeitungsschreibern angegriffen, die als die ärmlichsten Opponenten in Dachstuben einquartirt sind. Eine Figur (die in der Nachtmütze) scheint Wilkes ebenfalls zu sein. Ueberhaupt ist die ganze Seite von der Opposition in Beschlag genommen. Dort wird das Wappen der Patrioten (Patriots’ arms) im Jahre 1762 emporgezogen, um Temple’s Caffeehause als Schild zu dienen. Es sind vier geballte Fäuste, die zum kreuzweisen Boxen gerüstet sind, im Gegensatz zu den vier vereinigten Händen an der Erhöhung, worauf Lord Bute steht. Der Arbeiter, welcher das Wappen emporzieht, ist aus dem Pöbel; aus der Tasche ragt ein Schlachtmesser empor und an der Mütze hat er sich ein Licht befestigt, um durch Anzünden neuer Häuser die Feuersbrunst zu vermehren.

Das zweite Haus gehört ebenfalls der Opposition ausschließlich an. Es trägt den Namen New-Castle-Inn (Newcastle-Wirthshaus), nach dem abgedankten Minister, Herzog von Newcastle. Das Schild mit einem neuen Schloß (Newcastle) ist jedoch beschädigt, denn der Herzog hat die Gewalt verloren. Ueber demselben ist ein zweites Schild zerbrochen, mit der Inschrift: Postamt (Post-office); der Generalpostmeister, einer der letzten, die aus dem Cabinett schieden, hat ebenfalls fortmüssen. Ferner hängt dort eine Spieluhr, mit einem Bilde, worauf marschirende Soldaten dargestellt sind, mit den Inschriften: Airs of the Camp by Harrington (Melodieen des Lagers bei Harrington); Norfolk jig (Tanz von Norfolk) und G. T. fec. Hogarth hat hier die Vorurtheile des gemeinen Engländers gegen Soldaten in Anspruch genommen, um die Opposition[WS 1] zu verhöhnen. Ein Mitglied derselben und Minister unter Pitt, George Townshend, hatte nämlich das jezt noch geltende Milizgesetz, [869] wodurch die Landesvertheidigung gesichert wurde, durch das Parlament gebracht und später bei Harrington ein Lager der Miliz von Norfolk errichtet, und dieselbe streng militärisch einexerciren lassen. Hier marschiren auch die Soldaten in aller Steifheit, die man nur von Puppen erwarten kann. Hogarth nennt diesen Marsch den Norfolktanz und setzt den Namen des Commandörs, als Erfinders und Künstlers, darunter (G. T. fec. George Townshend fecit). Unter der Spieluhr befindet sich das Bild eines amerikanischen Indiers, der in dem Hause gezeigt wird, mit der Unterschrift: alive from America (lebendig aus Amerika). Er hält Geldsäcke in der Hand und hat sich ebenfalls mit denselben den Leib umgürtet. Dies soll bedeuten, der Krieg in Amerika habe England ungeheure Schätze eingetragen, es sei somit unverständig, denselben zu beendigen und überhaupt irgend eine der dortigen Eroberungen herauszugeben. Letzteres war, wie erwähnt, ein Hauptvorwurf, welchen die Opposition der Regierung machte. Auf die Reichthümer, die der Amerikaner zeigt, konnte sie sich jedoch mit allem Recht berufen, denn England hatte sich noch nie so ungeheure Schätze durch einen Krieg erworben. Außer den elf Millionen der Hermione war bei der Eroberung der Havaña eine solche Beute gemacht worden, daß dem Staate nach Abzug aller Prisengelder und außer den genommenen Vorräthen noch fünfundvierzig Millionen Piaster übrig blieben. Auch hier pocht die Opposition besonders auf diesen Umstand. Unter dem Bilde steht ein Mann, der den zu zeigenden Indier ausposaunt, dies ist das Porträt des damaligen Lord-Mayor. Er ist deßhalb hier angebracht, weil die Corporation der City, wie bereits erwähnt, sich entschieden zur Opposition hielt. – Seitwärts vom Lord-Mayor sieht ein Fuchs (Fox) aus einem Hundehause heraus. Dies wird Henry Fox (Vater des berühmten Staatsmannes) sein sollen, der ebenfalls aus dem Ministerium geschieden war. Er hat sich vorsichtig in den Hintergrund entfernt, wahrscheinlich um den Erfolg abzuwarten, und sich alsdann zu derjenigen Partei zu schlagen, welche zuletzt die Oberhand behält. – Neben ihm sitzt ein Holländer, sein Pfeifchen rauchend, auf Waarenballen, und betrachtet wohlgefällig die Feuersbrunst. Wahrscheinlich hegt er keinen Zweifel, daß der Handelsvortheil bei längerer Fortsetzung des Krieges ihm anheimfallen werde, denn die Republik der vereinigten sieben Provinzen hat keinen Krieg zu führen.

Seitwärts im Vordergrunde erblickt man einige Gruppen, welche die kriegführenden Mächte des Festlands darstellen sollen. Dort sitzt der König von Preußen, an dem Hute kennbar, und fiedelt bei dem Elende seiner hungernden und sterbenden Unterthanen. Sein Eigenthum hat er zusammen gepackt, um sich im Nothfall davon machen zu können. Weßhalb Hogarth [870] Friedrich II. in dieser Art hier darstellen mußte, wird man aus der beigefügten Einleitung erkannt haben. Der Hof, für den er dies Blatt herausgab, hatte es ihm vorgeschrieben. – Etwas von ihm entfernt sitzt Maria Theresia, und fleht mit ihren Kindern im Gebet um Frieden. Weßhalb eines von den Kindern eine Uhr hält und mit dem Finger darauf zeigt, ist ungewiß, vielleicht soll die Nähe des Friedens dadurch angedeutet werden, denn der Minutenzeiger ist nicht mehr weit von der vollen Stunde entfernt. Eben so ungewiß ist die Bedeutung der alten Frau, die sich mit der Kiste unter dem Arm entfernt. Ireland sagt, es sei die Kaiserin von Rußland, Elisabeth. Diese war aber bei Herausgabe des Bildes bereits gestorben.

Endlich ist im Hintergrunde der Frachtwagen mit der Aufschrift: Hermione, zu erwähnen. Dieser soll das Datum 12. August 1762 andeuten, denn an jenem Tage wurde die auf der Hermione gemachte Beute unter pomphaftem Gepränge in den Tower gefahren.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Oppositon