Die Zeit der Papierdrachen
[624] Die Zeit der Papierdrachen (s. Abbildung S. 621) ist wieder da; sie ist, wie alljährlich, mit den sich abwärts neigenden Sommertagen gekommen, und das Auge des müßigen Spaziergängers, wenn es sich wolkenwärts richtet, sieht manches langgeschwänzte Geschöpf von Buchbinders Gnaden mit den „Seglern der Lüfte“ um die Wette segeln. Da mögen denn Scenen, wie unser heutiges munteres Bild sie zeigt, nicht gerade zu den Seltenheiten gehören. So ein Drache ist ein wetterwendisch Ding, unbeständig und unbegreiflich in seinen Launen, wie das Element selbst, in dem er sich bewegt, unberechenbar, wie Wind und Wetter. Ein Windstoß fährt ihm in den papiernen Leib, und gleich verliert er Cours und Contenance und saust aus den himmlischen Bahnen erdenwärts – was weiß er: wohin? – durch Wolken und über’s Wasser, durch Baum und Busch in’s grüne Gras, oft genug den Pferden just vor die Füße: die schrecken zusammen und scheuen auf und bäumen empor, dem edlen Rosselenker aber fährt’s durch Mark und Bein ob des plötzlichen Rucks, der das ganze Gefährt erschüttert. „Na nu!“ ruft seine bessere Hälfte, die, hinten auf dem Wagen bequem in’s Stroh gekauert, eben von dem klingenden Mammon träumt, den sie auf dem Wochenmarkte der nahen Stadt für ihre ländliche Waare zu lösen hofft. Nun blickt sie sich verdutzt und mürrisch um und verschüttet dabei in Hast und Schrecken ein gut Theil der rothbäckigen Aepfel, welche sie im Korbe mit sich führt – ein Schade, den man bei der heurigen kargen Obsternte unmöglich mit kaltem Blute erdulden darf. „Jochen, holl an un sammel mi de Aeppels up!“