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Die Tanzwiese

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Textdaten
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Autor: Friedrich Gottschalck
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Titel: Die Tanzwiese
Untertitel:
aus: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen, S. 23-31
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1814
Verlag: Hemmerde und Schwetschke
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Erscheinungsort: Halle
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Die Tanzwiese.

In eben dem Thale bei Aschersleben liegt eine Wiese, die Tanzwiese genannt, zu deren Namens-Erklärung man folgende Sage hat.

In diesem friedlichen Thale versammelten, vor Jahrhunderten, sich oft, an schönen Sommerabenden, die blühenden Töchter der benachbarten Stadt, um sich mit Tanzen zu belustigen. Besonders pflegten hier, auf der rings umschlossenen Wiese, die Bräute in den nächsten Tagen vor der Hochzeit mit den Gespielinnen ihrer Jugend, deren Kreis sie nun bald verlassen sollten, zu tanzen.

Lange blieb diese schuldlose Freude ungestört, bis die benachbarte Raubburg auch diese Bürgerfeste unterbrach.

Einst tanzten hier, am zweiten Vorabend der Hochzeit einer reich ausgestatteten Braut, viele geladene Jungfrauen, bis spät in die Nacht, welche der Vollmond erhellte. Gegen Mitternacht brach die jubelnde Schaar auf, um tanzend und singend heim zu kehren. Doch nicht alle der Geladenen kehrten zurück. Zwei der blühendsten Dirnen wurden in den elterlichen Häusern vermißt, und fanden sich, alles heimlichen Forschens und Suchens ungeachtet, nicht wieder. Nach einigen Stunden vergeblichen Harrens verbreitete sich Bestürzung über viele benachbarte Häuser, und die Sorge hielt manches weinende Auge wach. Auch die Rache entbrannte; denn Viele ahndeten schon, durch ähnliche Unbildung dazu berechtigt, eine, unter Begünstigung der Nacht und des Freudetaumels, verübte Entführung.

Und ihre Ahndung betrog sie nicht. – Einige Knappen des Burgherrn auf Arnstein hatten Kunde bekommen von diesem ländlichen Feste, und, um sich und ihrem Herrn einen Scherz nach ihrer Sitte zu bereiten, hatten sie, versteckt in dem Dickicht, welches die Tanzwiese begränzte, zwei der Tänzerinnen, die während des lärmenden Aufbruchs sich etwas von ihren Gespielen entfernt hatten, geraubt, und sie auf Umwegen in das nahe Harzgebirge geführt, um sie, zur ersehenen Zeit, unbemerkt in die Raubburg zu bringen.

Kaum blickte die Sonne auf, so versammelten sich viele der Bürger, welche die Nacht angstvoll durchwacht hatten, vor den Thüren ihrer Häuser, um mit den aufgeschreckten Nachbaren Rath zu pflegen, was zu thun sey. Ein heimlich ausgeschickter und mit der Morgenröthe heimkehrender Späher hatte nur zu sehr die Vermuthung einer gewaltsamen Entführung bestätigt, ob er gleich die Spur der Räuber im Gebirge verloren hatte, und es nur ahndete, daß sie auf dem Arnstein hauseten.

Die Schöffen, von dem sich verbreitenden Schrecken mit Tagesanbruch benachrichtigt, beriefen sofort den wohlweisen Rath, die Aldermänner und die Väter und Verwandten der Entführten zu einer geheimen Sitzung, und ließen Stille und Ruhe in den Häusern gebieten. – Die meisten der Versammelten riethen, augenblicklich die ganze waffenfähige Mannschaft aufzubieten, um die verhaßte Raubburg Arnstein zu erstürmen und von Grund aus zu zerstören. Aber, außer der Unbestimmtheit der Nachrichten, würden, wie der vorsitzende Schöffe klüglich bemerkte, Monathe kaum hingereicht haben, um in offner Fehde die wohlbefestigte und mit Lebensmitteln reichlich versehene Burg einzunehmen; und doch war schnelle Hülfe hier nöthig.

Und so fand, nachdem eine lange stürmische Berathung die Köpfe und Zungen der Eiferer, es sey betäubt, oder abgekühlt hatte, der Rath eines bejahrten Aldermanns Eingang, der den Versuch einer Kriegslist vorschlug, welche den Entführten schnellere Befreiung versprach.

Auf seinen Rath mußte jeder still nach seinem Hause zurückkehren, und Bestürzung und Rache tief im Herzen verschließen. Dann wurde (gleich als hätte man bei dem fortwährenden Freudentaumel jene Entführten noch nicht vermißt, oder erwarte ruhig ihre Heimkehr) so lärmend als möglich ein ähnlicher festlicher Tanz, auf den eigentlichen Polterabend, in den Häusern der Stadt angesagt, und die Nachricht davon durch vertraute Boten auch in den benachbarten Weilern und Dörfern verbreitet.

Und die Kunde davon kam auch bis zu den Ohren des Burgherrn von Arnstein, der bei einem Zechgelage, mit seinen Rittern und Knappen, die Dummheit der Bürger laut belachte, die für sie ihre Töchter groß zögen.

Unter Lachen und Fluchen ward ein großer Ausritt beschlossen; denn keiner der Anwesenden wollte dieß Mal zurückbleiben von dem lustigen Streifzuge nach der Tanzwiese.

Als die Dämmerung hereinbrach, füllte sich allgemach die Wiese mit Tanzenden. Doch dieses Mal waren die Dirnen daheim geblieben. Von dem Schatten der Nacht umschleiert, hatten sich die rüstigen Bürger, nebst ihren erwachsenen Söhnen, in Weiberkleidern, die geschärfte Waffen verbargen, eingefunden, um die Ehre ihrer Töchter, Schwestern und Verlobten zu rächen, und auf die Zukunft zu sichern. Sie tanzten laut jubelnd, doch nach Weiberart, bis gegen Mitternacht; während daß ausgesandte Späher, von dem stillen Heranzuge der Räuber von Arnstein immer nähere und nähere Botschaft brachten.

Jetzt brachen die Tanzenden auf, um im Großvatertanz und singend nach Hause zu ziehen. – Siehe! da stürmte der Burgherr von Arnstein, von vielen Reisigen, Rittern und Knappen zu Pferde und zu Fuß begleitet, heran, um den großen Fang zu thun, dem der gestrige nur das Vorspiel seyn sollte.

Der Burgherr, als er mitten unter die Tanzenden hineingesprengt war, saß ab von seinem Streitroß, um den Ruhm und die Freude zu haben, mit eignen hohen Händen die Braut entgegen zu nehmen.

Aber, wie ward ihm, der hohnlachend und mit donnernder Stimme die vermeinte Braut für sein Eigenthum erklärte, als ihm ein gezucktes Schwert entgegenblitzte, und den ausgestreckten Arm augenblicklich durchbohrte! Brüllend und Rache schnaubend stürzte er zurück, und forderte sein Streitroß. Aber zehn kraftvolle Arme hielten ihm Hände und Schultern und Füße, wie mit eisernen Fesseln umstrickt. Einige der Ritter und Knappen, die brüllend dem Burgherrn zu Hülfe eilten, wurden, nach kurzem Kampf, übermannt und gefesselt; die meisten entflohen schreiend, von schimpflichen Schlägen und Steinwürfen zerbläut.

Die eingefangenen Räuber wurden im lauten Triumph der Stadt zu geführt. Den Burgherrn von Arnstein spundete man vorläufig in einen großen eichenen Kasten ein. Und hier gestand er, durch die Anstalten zu seiner nahen Hinrichtung geschreckt, den verübten und den beabsichtigten Frevel. Die geraubten Jungfrauen wurden, auf seinen Befehl, augenblicklich zurückgebracht; und nur mit schwerem Lösegelde, und der eidlichen Zusage, sich nie wieder eines Frevels gegen die Stadt und deren Bewohner schuldig zu machen, erkaufte er seine Befreiung aus dem furchtbaren Kerker.

Der eichene Kasten, worin der Burgherr von Arnstein einige Monden schmachtete, ist noch jetzt auf dem Rathhause zu Aschersleben zu sehen, ein Denkmal der Sitten der Vorzeit für kommende Jahrhunderte.

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Von Otmar (Nachtigall in Halberstadt) erzählt und in „Das Alexisbad im Unterharz von Krieger; Magdeb. 1812. 8. S. 316.“ zuerst abgedruckt.