Die Sorge
Die Sonne sank. Ein Wandrer, einsam,
Verlassen, zieht den Felsensteg.
Es macht ein Weib mit ihm gemeinsam,
In Grau gehüllt, denselben Weg. - -
Zu ihnen sinkt der müde Mann.
Des wilden Jägers scheuer Rappe
Zieht in der Wolle über’m Tann.
„Umsonst, umsonst die Qual, das Ringen!“
„Es krönt das Streben kein Gelingen,
Und ach! umsonst ist jede That. -
Einst zog ich aus gen Rom, Neapel,
Die Brust von Sehnen hochgeschwellt;
Umsegeln sollt’ es diese Welt.
Mein Schüler strebte ungezügelt
In’s Ruhmesreich der Künstlerschaft,
so ward einst Francia überflügelt
Kein liebend Weib hielt ich umschlungen,
Ich stieß ein treues Herz zurück.
Ich hab’ kein Kind in Schlaf gesungen,
Ich hielt den Ruhm allein für Glück.
Ein Mönch, der allem Glück entsagt,
Und der umsonst nach einer Lethe
Das Leben vor dem Tode fragt.
Ich nannt’ ein Götterloos auf Erden
Der Erste Aller wollt’ ich werden,
Doch ach, der Erste bin ich nicht.“ - -
Das graue Weib in finstern Falten
saß noch bei ihm im Sternenschein,
„Du wirst auch nicht der Letzte sein.
Der Letzte nicht, der Erdengüter
Tief unter stolzen Lorbeer stellt,
Der, Priester nicht, nur Tempelhüter,
Der Letzte nicht, der Kunstbegeist’rung
Voreilig nimmt für eig’ne Kraft,
Dem nie gelingt des Stoffs Bemeist’rung,
Und der sich nur Enttäuschung schafft!“
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So Tag für Tag, wie Nacht für Nacht.
Es hat von ihr - Frau Sorge heißt sie -
Der Schlaf den Wand’rer frei gemacht.