Die Schwestern von Lesbos
Schau Likoris! es neigt im Purpurschimmer die Sonne
Schon sich näher dem Schooße des Meers, und glänzender kräuseln
Steigende Wellen sich dort am Felsengestade des Eilands!
Laß nicht länger darum uns säumen die Krüg’ an des Thales
Traute Gespielinnen dort, im dämmernden Schatten versammelt,
Zum gewohnten Gespräch, die gern es mit Frag’ und Erzählung
Oft verlängern, ich meyne sie halten auch heute zurück uns,
Bis die schweigende Nacht auf thauigten Flügeln herabsinkt.
Sie, die Erstgebohrne, der Liebling des alternden Vaters;
Denn ein jugendlich Bild der frühbetrauerten Gattin,
Welche der Tod ihm entriß, war jetzt die treffliche Jungfrau,
Ernst wie die Mutter und sanft, gleich ihr die Stütze des Hauses.
Sie zu verbinden dem Jüngling, dem blühenden, welcher sie jüngst erst
Sah und liebend erkohr, dem gelbgelockten Diokles.
Und leichtschwebenden Fußes der Schwell’ enteilend, erwiedert’
Ihr Likoris darauf, das rosenwangige Mägdlein:
Dort in der Laube, die rings das lieblich duftende Geisblatt
Hochaufrankend umblüht, und mit schattendem Laube der Weinstock,
Stehn die gehenkelten Krüge; da traf mich am Morgen Diokles.
Blumen hatt’ ich begossen und viele brechend gesammelt,
Ordnend wählt er mit Fleiß, er saß mir zur Seite, die schönsten
Aus dem Körbchen für dich, und dort vergaß ich die Krüge.
Also Likoris! und still durchwandelten neben einander
Beide Schwestern den Pfad, den sanftgekrümmten; doch bald schon
Traun! du ahndest mit Recht daß heute dir, wo du zuletzt noch
Unserm Kreise gehörst, verzögert werde die Rückkehr.
Doch nicht Fragen allein, auch rührende Worte der Freundschaft
Halten schmeichelnd dich fest, denn nicht gewöhnliche Neigung
Welche vor allen dich schmückt; des Geistes reifere Bildung
Ehren sie gern in dir; ja, aller Vertrauen gewannst du,
Als dein eigenes stets bewahrend jeder Geheimniß,
Dir geschwätzig enthüllt. Schon manche, dies weiß ich, erfreute
Auch herrscht lieblicher Friede durch dich im Kreise der Jungfraun.
Denn, den störenden Streit abwendend, nahest du jeder
Die zuweilen gekränkt sich wähnt im muntern Gespräche,
Und besänftigest leicht ihr rasches Zürnen; den andern
Still beschämt den Blick, vermeiden dein leuchtendes Auge.
So auch scheu ich es selbst! des Vaters heftiges Schelten
Trifft nicht inniger mich, als deine sanftere Warnung.
Doch liebkosend zu ihr geneiget versetzte Simaitha:
Denn so theuer und werth die Liebe holder Gespielen
Meinem Herzen auch ist, so bleibt die Neigung der Schwester
Mir vor allen doch werth, einst von der sterbenden Mutter
Meiner Sorge vertraut. Ach! damals wußtest du kaum noch
Liebend zog sie uns hin aufs traurige Lager, um beide
Schlang sie den zitternden Arm, ich hob in den meinen empor dich,
Daß sie dir küßte die Stirn und heiße Thränen benetzten
Die hochklopfende Brust, der Töchter Wangen entströmend.
Nur zu sprechen, es grub der Schmerz sie tief in die Brust mir:
„O Simaitha! du weißt’s, zur Magd bestimmt die Gewohnheit
Dir dies verwaisete Kind, doch laß es dir Schwester auch bleiben!“
Ja du hast sie erfüllt, die sorgende Bitte der Guten!
Nun Likoris bewegt: Noch war dem kindischen Sinne
Unverständlich ein Wort, das jetzt bedeutend und heilig
Meinem Geiste sich zeigt. So waltet ein himmlischer Rathschluß,
Unsern Blicken verhüllt, im stillen über das Leben.
Liebe lehrte mich nur und Güte den heitern Gehorsam,
Und vor vielen bey uns bin ich allein die Beglückte.
Denn wie grausam übt die ältere Schwester ihr Vorrecht
An der Jüngeren hier! Mit stolzerem Sinne, nach Willkühr
Nicht durch die Sitten verwandt, den übrigen Töchtern der Griechen.
Wie unwissend bis jetzt, verglich ich dem heimischen Eiland
Auch die übrige Welt! die vielverschiedene wähnt’ ich,
Dumpf, in kindischem Sinn, von jenem Gesetze beherrschet,
Gönnt, zur dienenden ihr die jüng’re bestimmt, die niemals
Hymens Fackel erblickt, von liebender Mutter entzündet.
Auch dem Bruder versagt Besitzthum diese Gewohnheit,
Der dem Meere dann oft, dem falschen, kühn sich vertrauet,
Mildere Sitte regieret, so rühmt’ es jüngst uns ein Fremdling,
Ueberall und vertheilt des Lebens heitere Güter
Gleich, wie sie mütterlich auch Natur auf die Kinder verbreitet,
Sag! was verwandelte hier allein nur der lächelnden Kindheit
Jenes frühesten Glücks des holdgeselligen Daseyns,
Welches die Jugend verschönt, auf immer viele beraubend?
Und zu der Eifernden drauf, mit ernsten Worten Simaitha:
Nimmer geziemt es dir, heftig zu tadeln die alte Gewohnheit!
Waltet sie, alle beherrschend, in nur verschiedner Gestaltung.
Streng ist jedes Gesetz; doch giebt auch jedes der Milde,
Der beglückenden, Raum, und selbst die trefflichste Ordnung
Wird von dem rohen Gemüth verkehrt zu schädlichem Misbrauch.
Die dich niemals gedrückt, und wiss’! uns ehret ihr Ursprung.
Denn nicht immer erfreute sich Mitylene des Schutzes,
Den jetzt friedlich Athen gewährt der blühenden Pflanzstadt!
Unruhstiftend, zertheilt durch heimlich gährende Zwietracht,
Schrecklich reizten sie einst den Zorn der mächt’gen Beschützer,
Da sie der heiligen Treu uneingedenk sträflichen Frevel
Wagten, und feindlicher Macht sich gesellten, dem kriegrischen Volke
Welches Sparta bewohnt, und damals bewaffnet die Fluthen
Wurden eröffnet für sie, obschon der Klügere warnend
Abrieth. Also verirrt in eitel thörichter Ruhmsucht,
Freute unsicheren Siegs mit der trotzigen Sparta, die Menge
Sich, den frühern Bund den sie gebrochen, verhöhnend.
Im umzingelten Port, zertrümmert sanken die Mauern
Die den Erbauern getrotzt. Die spatbereute Verschuldung
Büßten vom rächenden Stahle getroffen, viele der Männer,
Nicht, mehr Bürger der Stadt, die nun ein rauchender Schutt war.
Thätig die Frauen bewahrt, die gern unsicheres Wagniß
Meiden, stilleren Sinns und zugethan der Gewohnheit.
Diesen vertheilte der Sieger, die blühenden Güter des Eilands,
Dankbar zum steten Besitz, und schloß die Männer vom Erbtheil
Zu verwegnem Beginnen, das frevelnden Aufruhr begünstigt.
Warnung bleibet ihm jetzt dies Angedenken der Vorzeit,
Wie von der Treue der Frau’n ein rühmlich dauerndes Denkmal.
Also im Wechselgespräch hinwandelnd, hatten die Schwestern
Rings ein Rasen sich zog, von Wegen durchschnitten und ostwärts
Lieblich vom Hügel begränzt, der sanft und beschattet empor stieg.
Zwischen Cypressen schwankte die schlank-aufstrebende Pinie,
Dort, aus dunklerem Grün erhob sie heiter die Krone;
Senkte sich leichter hinab, im Kreise die Wiesen umfassend.
Hier entschäumte dem Felsen, den rings mit üppigen Ranken
Dunkler Epheu umschlang, die klare reichliche Quelle,
Füllte mit leisem Geräusch das Marmorbecken und eilte
Die in lieblicher Füll’, es lockte der wärmenden Sonne
Freundlicher Strahl sie hervor und der milde Odem des Lenzes,
Hier am Fuß entsproßten der hohen Cypressen; in Büschen,
Welche den Fels umwoben, ertönte der munteren Vögel
Rings umher, in die Kelche der Hyazinthen sich senkend.
Hier wo beschattet die Bank zum halben Runde sich bildet
Weilte der Wandernde gern, ergötzt durch die lachende Aussicht.
Weithin schweifet der Blick in heiterer Ebne, von herrlich
Endlich im Dufte der Fern’ erhob die trozzenden Mauern
Mitylene, stolz sich längs dem Gestade verbreitend.
Wie ein silbernes Band den Busen umschließet der Jungfrau,
Schlang den bläulichen Streif das Meer um die steigenden Ufer.
Feigen tragend und Wein, gekrönt mit blassen Oliven,
Gegen den stürmenden Nord; hier sammelten täglich des Thales
Mädchen sich, und es mischte sich dann in der Quelle Gemurmel
Still vertrautes Gespräch und der Scherze frohes Gelächter.
Laut den nahenden Schwestern ein froh Willkommen entgegen.
Anmuth schmückten und Reize der Jugend sie, denn vor allen
Wogenumrauschten Inseln berühmt sich die felsige Lesbos
Lieblich blühender Weiber. Es eilten die fröhlichen Jungfraun
Sich gesammelt um sie; die junge Dämo, Chariklo,
Welche die muntere hieß, auch Kalithoa, nicht fehlte
Thestülis, welcher zugleich die nährende Brust mit Simaitha
Einst die Trakerin bot, sie nannten beide sich Schwestern.
Eine der andern die Red’ entreißend, neckten die Freundin,
Die zu ihnen geneigt mit liebreich freundlichem Lächeln
Schweigend die Munteren hört; denn ernster stimmte sie heilig
Stiller Liebe Gefühl. Da nahte der trefflichen Jungfrau
Sprich! wie scheinest du doch so ruhig immer und kalt mir?
Seltsam doch daß du nie im muntern Gespräche des Jünglings
Auch nur einmal gedenkst, den morgen auf immer dir Hymens
Lächelnde Feyer vereint. Von jenen, welche, bekränzet,
Schön wohl mancher und würdig dein froher Gatte zu heißen;
Aber noch wüßten wir nicht ob dieser schön, ob er häßlich?
Ja, uns quälte noch heute die unbefriedigte Neugier,
Käme gefälliger nicht allein an den Brunnen Likoris,
Wunder doch nimmt es uns nicht wenn tief im ruhigen Busen
Dir die Liebe geweckt, der herrliche Mann. Ein Halbgott
Scheint er uns allen, obgleich uns durch Erzählung bekannt nur.
Manches Stündchen, nicht achtend der Mutter Schelten, verweilten
Immer reichlich entströmt, so fließt das unendliche Lob auch
Von Likoris Lippen. Der Sterblichen keiner ist schöner,
Edler an Sitten wie er, und werther der Lieb’ als Diokles!
Also endet sie stets, ja sollt’ ich jetzo es wahrhaft
Scheinet, rieth ich nur sie, der dort die brennende Wange
Freundlich die Myrthe beschirmt, in den Schooß die Blüthen ihr streuend.
Sorglos schien sie bis jetzt die Silberblätter zu zählen,
Bis aus dem Traume sie schnell der holde Name geweckt hat.
Da saß. Also färbt im goldnen Schimmer Aurorens
Höherer Purpur die Rose, ihr glich die junge Likoris.
Denn im Innersten nun enthüllend ihr tiefstes Geheimniß,
Hatte das scherzende Wort sie getroffen mit schmerzlicher Wahrheit.
Und die rosigen Finger der hüllenden Hand ihr benetzend,
Wie der perlende Thau von Aeos Fingern herabfleußt.
Aber Simaitha trat der Weinenden näher und schloß sie
Zärtlich schonend ans Herz, sie redete liebreich die Worte:
Heiterer Lauf getrübt, durch Zähren meiner Likoris,
Die unerwartet mir schnell die Freude verkehren in Unmuth?
Ach! wir erfahren so oft daß der Götter waltender Rathschluß
Sorge gattet mit Lust und Furcht mit der lieblichen Hoffnung;
Lebhaft fühlet das Herz, das unerfahrne, und wähnt sich
Oft verwundet, wenn leicht des Scherzes Pfeil es berührt hat;
Aber dir, die im Schooß erwuchs der zärtlichen Liebe,
Bleibe fremd der Verdacht, ein froh Vertrauen geziemt dir!
Meide nicht den Blick der nie dich zweifelnd verkannte,
Reuen möge dich’s nimmer was hier du geredet voll Unschuld.
Denn so freuet sich jetzt dein kindlich Herz auch des Glückes
Welches freundlich mir naht, als sey’s das Deine, ich weiß es.
Streng den verweisenden Blick sie und sprach mit ernster Bedeutung:
Unbedachtsame Worte, o Mädchen, sind dir entflohen!
Deiner Jugend allein verzeihlich, denn sie verrathen
Nur den kindischen Sinn. Es hätte keine der andern
Eh muthwillig der Scherz den lächelnden Lippen entgleitet
Sehe jedes doch zu auf wen es richte die Pfeile.
Immerhin necke getrost der muntre Spötter den Gleichen,
Welcher die beißenden Worte gewandt und schnell ihm zurückgiebt;
Leichtverwundender Scherz, der unerfahren und schüchtern
Nicht den fröhlichen Spott beherzt zu erwiedern geübt ist.
Und so nanntest du auch mich kalt, o Dämo, mit Unrecht;
Denn verschieden gebildet ist jedes Gemüth und es wechselt
Laut des gelungenen Wunsches im frohen Rausch; es bewahret,
Still, in verschlossener Brust, der andre die gleichen Gefühle.
Besser auch ziemt es dem Menschen, den stets das dunkle Verhängniß,
Schnell beschwinget, ereilt, daß still, mit bescheidener Freude,
Gleich gefaßt auch das Uebel, das immer nahe, zu dulden.
Laute Freude sie ist der Kindheit flüchtiges Erbtheil,
Welche die Gegenwart, die schnell verrauschte, genießet;
Doch bald reifet das Kind zum Menschen, da faßt ihn der Kummer.
Heiter geht er dem Schmerz entgegen, ernster der Freude.
Und die Herrliche schwieg; die Seele bewegt’ ihr Erinnrung,
Süß und bitter gemischt, mit langverhaltenen Thränen
Füllend ihr glänzendes Aug’, es windet sanft aus den Armen
Doch jetzt sprach sie gefaßt: lang weilten wir plaudernd und mancher
Harret mit spähendem Blick, an der Schwelle, die Mutter vielleicht schon.
Mög’t ihr eingedenk aber der Bitte seyn, so geleitet
Noch die Schwester mir heim, dünkt nicht zu groß euch der Umweg.
Bald erhebt sich der Mond und leuchtet schön mir zur Rückkehr.
Grüßend schied nun und freundlich die Schaar der Mädchen, zurückblieb
Thestülis nur, die am Fels mit traurigem Schweigen gelehnt stand.
Doch als die leichten weißen Gewänder der wandelnden Mädchen
Schlang sie heftig den Arm und fest um den Nacken der Freundin,
Also sprechend zu ihr, in bitter klagendem Unmuth:
Ach! daß allzu spät kurzsichtigen Menschen die Zukunft
Sich, die nahende, zeigt, wenn, bang, von Trauer begleitet,
Doch nicht fesselt die Scheu dein zartes Herz zu verwunden
Länger die Zunge mir an, enthüllt sey nun das Geheimniß!
Längst schon ahndet’ ich still, verborgen nähret Likoris
Sträfliche Flammen im Busen. Für deinen Verlobten entbrennt sie.
Sie, die Schuldbewußte, verrathen hat sie sich selbst nun.
Ach! daß er nur getreu sich dir bewahre, die Neigung
Niemals ahnde der Schwester. Denn schwankend oft ist der Männer
Eitler Sinn, und es reizt die Wankelmüthigen manchmal
Wie! genüget es nicht dem unversöhnlichen Schicksal
Daß die schäumende Fluth dir raubte den frühen Geliebten!
Sollte den Bräutigam auch, die Schwester, welche du selber
Liebend gebildet, dir jetzt entführen mit tückischem Undank?
Doch ihr entgegnete drauf, mit ernster Fassung, die Freundin:
Sprich! wie redest du so in übereileter Hitze,
Seltsame Worte, im Busen mir quälenden Argwohn erweckend?
Immer fand ich bedeutend und wahr was du sagtest, doch scheint mir’s
Zögre länger nicht mehr vom bangen schmerzlichen Zweifel
Schnell zu befreyen die Brust, das verworrene Räthsel mir lösend.
So die Jungfrau. Da rief die andre: Wunderbar fügen
Waltende Götter es nun, daß dir, die immer nur spottet,
Daß dir selber ein Traum verkünde das drohende Schicksal.
Nicht dem eigenen Blick, dem treuen Auge der Freundschaft
Zeigte der Warnende sich, den du verschmähet; sie legt ihn
Dir an’s Herz, als den Wink empfang’ ihn freundlicher Mächte.
Aeos geöffnet, einschlief ich aufs neu, und nimmer geschieht dies,
Stets erweckt mich die Lerche, die frühe, zur munteren Arbeit.
Festlich, dünkt es mich, waren, geschmückt, wir alle versammelt,
Kränze flechtend im Thal, zur heitern Feyer des Lenzes;
Als es im herrlichen Blau die silbernen Schwingen bewegend
Immer tiefer herab zu uns sich senkte. Die Mädchen
Schrieen froh dir zu, den Lieblingsvogel erkennend,
Deine Taube, Simaitha, die jüngst du schmerzlich vermißtest!
Dir vom Schooße die Blumen, die du gesammelt; die schönen
Lagen auf thauigtem Grund, dir rings um die Füße zerstreuet.
Schmeichelnde Namen entgegen der Wiederkehrenden riefst du,
Strecktest die Arm’ empor die zarten Schwingen zu fassen:
Dreymal umkreist’ er das Haupt der braungelockten Likoris,
Wiegte ruhend sich dann am Busen ihr, auf des Straußes
Duftenden Blumen, und schlug, liebkosend, mit glänzendem Fittig,
Buhlerisch, bald ihr die Schulter und bald den blendenden Nacken.
Sprich Simaitha! erscheint der Träume klärster der Deutung
Wohl bedürftig dir noch? und eitel die Sorge der Freundin?
Doch es nahet das Uebel nicht unerwartet und plötzlich
Ueberraschend sich jetzt, du hast, dies sey dir gestanden,
Gnügte dir, da du kühn die alte Sitte verschmähtest,
Mild die Schwester zu lösen von angebohrener Knechtschaft?
Zogst du nicht sie empor, wie allzu zärtlich die Mutter
Sorgsam des Lieblings pflegt, den seltne Güter erwarten;
Ihm zum Liebling wähle, das unbestechliche Schicksal.
Darum wähnet sich jetzt, mit gleichem Rechte, Likoris
Froher Liebe bestimmt und den lieblichen Banden des Hymens,
Darum lodert ihr längst die sträfliche Flamm’ in dem Busen
Häufe zu Schmerzen mir nicht den seelerschütternden Vorwurf!
Was du als Fehler mir schiltst soll nie mich reuen! Die Knechtschaft
Tödtet nimmer in uns die allbesiegenden Triebe,
Welche die ewige Mutter so tief in den Busen gesenkt hat.
Liebe das Mädchen genährt, und Gegenliebe der Jüngling;
Opfert ich freudiger nicht der Schwester dann und der Freundin
Selbst das süßeste Glück, als würd’ es mir schlau von der Sclavin
Kalt und tückisch geraubt? Doch geh jetzt Thestülis, einsam
Fremde Leiden bestürmen sie heut’ und neue Gefahren
Drohen der heiligen Ruh, es droht dem liebenden Herzen
Kalter schmerzlicher Haß. O! weht ihr säuselnden Lüfte,
Wehet Frieden mir zu! In deinem freundlichen Schooße
Schläft an der nährenden Brust, der Leidenschaft regeste Stimme.
Abend senkte sich nun und still vertrauliche Dämmrung
Auf die Fluren herab, es streiften leiser die Winde
Ueber der schlummernden Trifft, mit Kühlung wehendem Fittig.
Fern in Westen entglimmt’, am Purpursaum des Gewölkes,
Welche die schweigende Nacht erhellen, mit freundlichem Schimmer.
Säuselnd wiegten die Zweige der blühenden Myrthe des Tages
Fröhliche Sänger in Schlaf, es kehrten emsige Bienen
Noch mit süßer Beute beladen, summend zurücke.
Leis’ den farbigen Kelch, der zarten Düfte Bewahrer.
Und an den Felsen gelehnt, saß unbeweglich die Jungfrau,
Senkt’ in die stützende Hand ihr Haupt mit sinnendem Schweigen.
Ersten Blickes vielleicht, ging hier ein Wandrer vorüber,
Eingewiegt von des Quells leisflüsternd sanftem Gemurmel,
Theile sorglos sie auch der Götter freundlichste Gabe
Mit der ganzen Natur, den holderquickenden Schlummer.
Aber die liebliche Ruhe verscheuchte die schmerzliche Sorg’ ihr,
Und so sprach sie zu sich, im Stillen manches erwägend:
Ja! wie kann ich es selber mir bergen! stand doch Likoris
Erst mit Erröthen vor mir, in stumm beschämter Verwirrung,
Und das unendliche Lob, wie scherzend es nannten die Mädchen,
Oder trübte vielleicht ein kränklich nichtiger Argwohn
Thestülis spähenden Blick und schuf ein täuschendes Schreckbild?
Ist auch strafbar darum Likoris weil sie die Neugier
Der Gespielinnen stillt, mit munterm Plaudern, des Jünglings
Hebt mir doch froh der Gedanke den Busen, daß ich sein eigen
Bald auf immer nun bin, und wenn ich der lieblichen Hoffnung
Jetzt mich stiller erfreue, gereift durch das ernstere Schicksal,
Zürne gerecht ich darum, ihr, die in reizender Unschuld
Daß sie offen ihr Herz uns zeiget sicher und arglos?
Also redend erhob mit heitrer Ruhe Simaitha
Schon den entwölkten Blick, doch plötzlich umschwebt’ ihr die Stirne,
Dunkler Ahndung voll, des warnenden Traumes Erinnrung.
Sah den Bräutigam, los aus ihren Armen sich reißend,
An dem Busen der Schwester und barg in die Hände das Antlitz.
Doch ein kurzes Besinnen gab schnell die Fassung zurück ihr,
Und so sprach sie bewegt: Kann denn ein nichtiges Dunstbild
Ja, ich fühl’ es, den Geist bewahret vor schädlichem Irrthum
Mehr die Zufriedenheit, als je die Vernunft und die Wahrheit.
Kühn verschmähet und stolz der Beglückte den Wahn, er vertrauet
Freundlichen Göttern, es bürgt die Gegenwart für die Zukunft;
Weicht auch die stützende Hand der Himmlischen, trostlos und einsam
Bebt der Sichere jetzt und faßt, in grausender Dämmrung,
Dann der Ahndung schwankendes Band; sie knüpft an die Hoffnung
Leis’ ihn wieder aufs neu, indem sie der Furcht ihn verbindet.
Sanft die Sorge zu täuschen des heimlich quälenden Argwohns;
Als, die bethaueten Wiesen durchwandelnd, jetzo Diokles
Ihren Blicken sich zeigte, es hatte dieser der Jungfrau,
Wenn der Tag sich geneigt, an den Brunnen zu kommen verheißen.
Den am schirmenden Felsen des Pfades Krümme nun herführt.
So wenn, das Dunkel besiegend, in herrlich strahlender Klarheit,
Neu verjünget der Tag aus blauen Fluthen emporsteigt,
Düstres Gewölk verscheucht, der Nächte Schatten, mit Rosen
Also färbte frohes Erröthen die Wange der Jungfrau,
Und der Unmuth entfloh, es floh der quälende Zweifel,
Vor des Geliebten Nähe. Sie trat, in heitrer Erwartung,
Aus der Bäume Kreis, der noch sie, in dichter Umschattung,
Aber als ihm, der sinnend, im wachen Traume, die Blicke
Starr zur Erde gesenkt und, unbekümmert des Pfades,
Unbewußt ihm gefolgt, die sanfte Stimme Simaitha’s
Tönte, die hohe Gestalt entstieg den Schatten der Dämmrung,
Bis mit fragenden Worten die Jungfrau also ihm zurief:
Sprich! was fesselt so starr am Boden den wandelnden Fuß dir,
Daß nicht eilend, wie sonst, und gern dein Schritt mir begegnet?
Schreckte die Stimme dich der Geliebten? O wie verschieden
Furchtlos würde ich stets die deine hören, und stieg mir
Auch entgegen der Ruf aus dem Schooße des nächtlichen Orkus;
Nur ein Nachhall noch der Stimme lieblicher Sehnsucht
Würde nimmer fremd sie mir ertönen noch schreckbar.
Traun, du Treffliche zürnst mir billig, selber doch dünkt mich
Jetzt befremdend, wie dir, mein furchtsam zögerndes Staunen.
Aber als du hervor am Felsen schwebtest, umwallte
Lichterer Glanz die herrliche Bildung, ähnlich den reinen
Silbernen Fluthen entsteigend, zum Reihen sich sammeln, erschienst du,
Eine der Himmlischen mir, umwebt von dem Schimmer der Gottheit.
Also Diokles beschämt, und ihm erwiedert Simaitha:
Nicht was ich eben dir schien, ein Wesen höherer Abkunft,
Denn die Göttin verehret der Mann, ihn fesselt das Weib nur.
Scheinet doch dies Wort, so sprach der blühende Jüngling,
Aus den Tiefen der Brust geraubt mir! In schöner Bedeutung
Sprichst du klarer nur aus, was dunkel längst mich Empfindung
Kaum erreichet der Dampf des Dankaltars die Gewölbe
Ueber denen sie thront, und froh vertrauend nur neiget
Sich zum Menschen der Mensch, um Freud’ und Gebrechen zu theilen,
Und die Schwäche nur knüpft die unauflöslichen Knoten.
Wenn im hohen Olymp die Götter thronen, so sind sie
Nicht uns ferner darum, und stiege zu ihnen des Dankes
Stimme nimmer empor, so strömte doch nieder die Wohlthat.
Heiter umwallet uns stets des Tages freundliche Klarheit,
Ueber beide ja waltet ein hohes himmlisches Antlitz!
Phöbus der strahlende schenkt den Tagen Freude; der Schwester
Immer wechselndes Licht erhellet die zögernden Nächte.
Schau, dort steigt sie hervor, am waldumkröneten Hügel;
Schlummern die Zephyre hier, gewiegt auf thauigten Blumen.
Doch was lehnst du Geliebter dich schweigend an die Cypresse
Hin? Du scheinest versenkt in traurigernste Betrachtung?
Also fragte sie; tief erseufzend versetzte der Jüngling:
Rings die nächtliche Ruh, der weiten lebenden Schöpfung.
Muß im dämmernden Reich des süßen Schlummers, allein denn
Stets die menschliche Brust beweget bleiben und rastlos?
Aber ihm nahte gelassen, mit ernsten Worten Simaitha:
Zart und fühlend gebildet, der Freud’ und dem Kummer empfänglich?
Doch von außen dringt und oberflächlich der Schmerz nur,
An die ruhige Brust, wo tief im Innern das Glück quillt.
Aber sage warum doch jetzt, so nahe der Stunde
Trübes Schweigen nur ists und scheu verschlossener Kleinmuth
Welche dem offenen Blick, der heitern Rede begegnen.
Bist auch du es Diokles, und war es wirklich die theure
Stimme, die ich vernahm? So wie vom ferneren Felsen
Jedes schmeichlende Wort der Liebe ein neidischer Lufthauch,
Also hör’ ich auch nun den Ton der das Herz mir beweget;
Aber des froherwünscheten Sinnes lausch ich vergebens.
Laß von hinnen uns gehn! Es weben zürnende Nymphen,
Sorg’ und Zweifel mir nur; die kalte Hand des Verdachtes
Löst von dem liebenden Busen die schönsten heiligsten Bande.
Also sprach sie und wandte sich abwärts, doch es ereilte
Bald der Jüngling sie und rief voll tiefer Bewegung:
Jetzt nicht schmerzlicher dich, als mich die Scheu dich zu kränken;
Aber den Doppelsinn hass’ ich der schmeichelnden Worte. Noch immer
Zeigt’ ich offen mich dir, und rein sey unser Verhältniß!
Ja, ich bekenn’ es dir frey: mit still gehegter Besorgniß
Fühle mich ängstlich nun dir fremder; doch richte du selbst mich.
Zweymal füllte sich kaum die wechselnde Scheibe des Mondes,
Seit ich zuerst in dem Tempel dich sah, die schönste der Jungfraun,
Liebe durchglühte die Brust mir, du kamst dem schüchternen Jüngling
Das Bekenntniß mir gleich der neuen süßen Gefühle.
Nur das reizende Weib entzückte mich; heiter, um Liebe,
Liebe zu tauschen, dies wähnt’ ich eure höchste Bestimmung;
Doch als, näher ich dir, erstaunt die besonnene Klarheit
Heilige Still’ und Huld, wie schien ich selber so klein mir!
In dem Innern des Hauses erschienst du, ähnlich dem Schutzgeist,
Freundlich waltend vor mir, die kleinsten Geschäfte veredelnd;
Stets um alles besorgt, zugleich mit heiterer Ruhe
Engbeschränkter Kreis, mir jetzt so nichtig und zwecklos.
Sprich! was könnt’ ich dir seyn, das du nicht alles dir selbst bist ?
Was dem liebenden Weibe im frohen Bunde gewöhnlich
Wird der reifere Mann, ein Freund der, reich an Erfahrung,
Mild die Schwächen der Gattin erträgt, sie lehrend zurecht weist,
Nimmer werd’ ich es dir! O sprich, welch seltenes Schicksal
Hat, auf die zarteste Form des Weibes, höherer Weisheit
Ernstes Gepräge gedrückt, und was gesellte der Blüthe
Aber Simaitha sprach, die schöne, traurig erwiedernd:
Eine Welt von Erfahrung und Leiden trag’ ich im Busen!
Zürnt denn aber so streng ein unversöhnliches Schicksal,
Daß die höhere Ruh und Fassung, welche das Unglück
Mir entriß, anjetzt mir den Geliebten entfremdet,
Und durch den schönsten Besitz, mir raubet die lieblichste Hoffnung?
Doch, wohl fühl ich’s, bedarf der Augenblick eines Wortes
Das ich im Busen verschloß. Ja, hätte, theurer Diokles,
O! so knüpf uns aufs neue zusammen Vertraun und Empfindung!
Seltsam schein’ es dir nicht, wenn ich geschwiegen, denn zögernd
Löst ein langeverschlossener Schmerz sich nur von des Busens
Schweigendem Heiligthum, wo er einst ein Gott uns geworden,
Lange geweihet! und stürzt die Zeit auch den traurigen Altar;
Ehrt das geheilete Herz noch still was einst ihn geheiligt.
Einen Freund besaß ich, als kaum mir der lächelnden Kindheit
Rosiger Nebel zerfloß. Die Zeit, wo das tändelnde Mädchen
Für das junge Gemüth, und, wie auf grünenden Höhen,
Hold gewecket vom Strahl des goldnen Tages, die Blume
Früher den farbigen Kelch entschliefst, wenn im Dufte der Dämmrung
Schlummern die Kinder des Thals, auch so entfaltete schnell und
Aber der herrliche Mann, der stolze, verschmähte den Vortheil
Den die Sitte gewährt, nach welcher dem ärmeren Jüngling
Gern das begüterte Mädchen die Hand reicht, im Handel des Auslands
Wollt’ er Schätze für mich erwerben. Unselige Großmuth!
Tönte kein trauriges Schluchzen der Braut, nicht ruhn die Gebeine
Unter beschattetem Maal, verschlungen hat ihn der Abgrund.
Aber die ganze Natur war nun bedeutend und heilig
Mir geworden, ein Kranz, der schön die ewigen Blüthen
Jene blauliche Fluth, die fern im Schimmer des Abends
Dort uns glänzet, durchschnitt vordem das eilende Fahrzeug,
Das von hinnen ihn trug; an diesem felsigen Ufer
Stand ich weinend vor ihm, als männlich fest er des Abschieds
Duftende Kränze flechtend, ich weihte sie glaubig den Nymphen,
Daß sie mir schützten den Freund und zähmten die brausende Meersfluth.
Auch zum Himmel empor, wo still die Söhne der Leda
Neben einander die Bahn durchlaufen, in seliger Eintracht,
Tröstend erscheinen dem Schiffer, ein frohes Zeichen der Rettung,
Wähnt’ ich mir nah und verwandt, sie theilten die Sorgen der Liebe.
So wand Erd’ und Himmel, im ernstern heiligen Kreise,
Sich bedeutend um mich, und als die lächelnde Hoffnung
Aber mein Herz bedarf des deinen, daß ihm die Jugend
Ach, die goldne, zurück noch kehre! Liebe nur knüpfet
Freundlich dann es aufs neu fest an die verödete Zukunft.
Und sie neigte die Stirn, die reine blühende Jungfrau,
Sie umfassend, rief: Vergieb des Schüchternen Blödsinn!
Wie ein sterblicher Mann, den unerwartet der Göttin
Himmlische Liebe beglückt; fühl auch ich Herrliche selig
Mich in deinem Besitz! O lehre das Glück mich ertragen!
Weih’ ich ein Leben dir ganz, das deine Liebe geheiligt.
Freundlich zeigte sich schon die heitere ländliche Wohnung
Nah dem wandelnden Paar, umpflanzt mit schwankenden Pappeln,
Deren silbernes Laub sich mischte mir dunklerem Ahorn,
Zwischen den weißlichen Säulen, die schön geordnet den Eingang
Lange Filemos, still die liebliche Tochter erwartend,
Die er, heiteren Blicks, empfing mit scherzenden Worten:
Ey! wie kehret so spat mein Töchterchen heute zurück doch?
Nicht des harrenden Vaters eingedenk, schweift sie im Mondschein!
Denn am schattigen Born, wo gerne die Mädchen verweilen,
Säumtest du nie, und warst zuerst bedacht auf die Rückkehr,
Bis sich der kindische Gott auf grünendem Pfad dir gesellt hat.
Aber es nahte dem Greis mit schmeichelnden Worten die Jungfrau:
Früher kehrte zu dir; mit freudig wärmerem Herzen
Eilte die Glückliche heut’ entgegen deiner Umarmung.
Nimmer schadet der ernsteren Pflicht die freundliche Liebe;
Denn zur Thätigkeit ermuntert schöner den Geist sie,
Ja, sie lehret allein des flüchtigen Augenblicks Werth uns.
Eilend bring’ ich den Wein, den stärkenden, ordne das Mahl dir,
Wenn es Likoris nicht schon, so wie ich geboten, bereitet.
Und mit Lächeln versetzte, die Tochter umfassend, Filemos:
Bietet, wie er’s gewohnt, sie nicht dem Vater der Liebling!
Deinen freundlichen Blick erwartet’ ich, welcher den meinen
Gern begegnet und kaum bewußte Wünsche mir ablauscht.
Doch schon senkt sich die Nacht, und schädlich ist’s zu verweilen.
An Diokles Hand zur geräumigen Halle, wo freundlich
Sie Likoris empfing, beym ländlichen Mahle beschäftigt.
Hier bot kühlende Milch; gleich Silber schimmernd, Erquickung,
Hochgelb glänzte das Gold des süßen duftenden Honigs,
Schon gefüllt mit dem Saft des selbstgepflegeten Weinbergs.
Wo der gepolsterte Sitz auf erhobener Stufe bereit war,
Lagerte nun sich der Greis und hob mit heiterem Antlitz,
Hoch empor die Schaale von schön getriebener Arbeit.
Denn sie geben Gedeihen den Erdgebohrnen, doch streng auch
Zürnen des Lässigen sie, der schuldiges Opfer verabsäumt.
Ihnen vergieß ich darum den Wein hier, eh er die trockne,
Durstige Lippe mir noch erquickend netzte, das Gleiche
Ist dem Glücklichen süß und leicht. Den Unsterblichen näher
Bringet Freude das Herz und hebt zu ihnen empor uns.
Freudig seh ich mich jetzt am Ziel! und wähne begonnen
Neu die Laufbahn mir, die fast vollendet zurückliegt.
Seh ich, wie es mein Wunsch! Nun lohnet der züchtigen Jungfrau
Hymens heitres Glück, im Schooß der Lieb’ und der Unschuld.
Ha! schon seh ich die Zeit, wenn zwischen blühenden Enkeln,
Statt des Stabes gestützt auf die zarten Schultern der Kleinen,
Froher brech’ ich dann die purpur-schwellenden Trauben
Für die muntere Schaar, die ungeduldig erwartend
Mich umhüpft. So eilen, durch Lieb’ und Eintracht erhellt, mir
Schneller die zögernden Stunden des dunklen Alters vorüber.
Einfach, reizend zeigest du mir, o Vater, die Zukunft;
Doch verarge mir nicht, wann trüb’, mit stiller Besorgniß,
Ich der liebenden Mutter gedenke, welche des Sohnes
Nun auf immer beraubt sich siehet. Gern auch erfreute
Hält die zögernde Krankheit daheim die Theure gefangen.
Leer steht nun das geräumige Haus und öd’ ist die Halle,
Wo die muntern Genossen der Jagd sich lärmend versammelt,
Wenn das frohe Geräusch erscholl der festlichen Mahlzeit.
Harrt sie des Sohnes, umsonst, gequält von schmerzlicher Sehnsucht.
Wär’ es von dir mir vergönnt, daß stets des rollenden Jahres
Hälfte künftig zu ihr mir folgte die liebende Gattin!
Daß du willig mich doch begleiten möchtest Simaitha!
Also ordnet’ es selbst die Mutter, steht der Gemächer
Schönstes für dich; dort gewähren dir hohe Fenster die Aussicht
Ueber den Hafen, und zeigen ein stets ergötzendes Schauspiel.
Fröhlich tanzen die Schiffe vom fernen Saume des Himmels
Stolzer schwellen die Segel im Morgenhauche, und schäumend
Rauscht, von den Rudern bewegt, in gemessenen Tönen die Fluth auf.
Dort am Ufer das frohe Gewühl! Erscheinet ein Fahrzeug,
Forschet jeder bewegt, ob das erwartete komme?
Schleicht entgegen der Greis, und Freude krönt die Erwartung.
Peitschet Sturm das dunkele Meer, dann liegen die Schiffe
Ruhig im schützenden Port. Es rauschen friedlich die Wipfel
Hoher Ulmen herab, auf die gesicherten Maste.
Freundlich waltendes Licht, schnell rüstet sich jedes zur Abfahrt.
Lüfte blähen das Segel, die Anker werden gelichtet,
Kränze umflattern den Mast, aus Opferschaalen vergießet
Wein der Schiffer ins Meer, er fleht den starken Poseidon
Ja, vor allen Pallästen, mit welchen längs am Gestade
Mitylene prangt, erfreute die eigene Wohnung
Mich, vom frohen Gewühl geschäftigen Lebens erheitert.
Und entging im bunten Gedräng’, so fragte Simaitha,
Dort auf befurcheten Wangen die Blässe nagenden Grames,
Hier die quälende Angst, der starre Blick der Verzweiflung?
Siehst du am Halse des Mann’s nicht oft die scheidende Gattin,
Die ihr lallendes Kind schon jetzt als Waise beweinet?
Hinstarrt, welche die Stütz’ ihm des einsamen Alters verschlangen?
Wo sich in dichteren Massen die Menschen drängen, vervielfacht
Schmerz und Kummer sich auch; im selbstgebildeten Kreise
Wirken freudiger sie und sichrer. Nur in des Glückes
Elends quälendes Bild, das Gefühl der eigenen Ohnmacht.
Also sprach sie, und ihr entgegnete freundlich der Jüngling:
Willst du, gesammelt in dir, der Stadt bewegliches Schauspiel
Mit dem stilleren gern vertauschen; in freundlicher Fülle
Nah’ dem kleinen Hafen, der, minder besuchet und südwärts
Liegt, erheben sich Hügel, die rings der geschäftige Städter
Mannichfaltig bepflanzt, in lieblich wechselnder Mischung;
Rauh ist und felsig der Grund, wo ihn der Fleiß nicht, betriebsam,
Ueber dunklem Gestrüpp, das wildernd zwischen der Felskluft
Nickt. Der rauschenden Fluth entsteigen, trotzend und steiler,
Fangs die Klippenufer, ein abgerissenes Felsstück,
Aus der Titanen gewaltiger Hand zum Abgrund geschleudert
Weit den Rücken ins Meer. Hier sitzen singende Fischer,
Emsig betrügliche Netze bereitend, wo von des Oelbaums
Schwankenden Schatten beschützt, sich bilden die sicheren Buchten.
Dichte verbreiten sich hier am Ufer die strebenden Aeste,
Oft verweilt’ ich dort, wo gern sich in freundlichen Träumen
Meine Seele verliert. Es rauscht ein heilig Entzücken
Aus den Wipfeln auf mich herab, und süßere Ahndung
Weht mir schmeichelnd um’s Haupt. Hier rief, die Rede des Jünglings
Mir, das schönere Loos der unbefangenen Jugend!
Unbewußt, auf Trümmern des Glücks, auf der Asche der Vorwelt
Wandelt ein neues Geschlecht, genießt und hoffet; der Schauplatz
Bleibt derselbe; ob Schmerz, ob einst ihn die Freude bezeichnet,
Ist der Vergangenheit Stimme, die keine Spur ihm zurückruft.
Wie du sie schilderst, erkenn’ ich genau die Gegend, es zeigt mir
Dort ein trauriges Bild der fernen Jahre Geschichte.
Wehmuth würde mich nur und Schauer fassen, beträt’ ich
Wohl entsinn’ ich mich noch, obschon die purpurnen Früchte
Bald zum dreyßigsten mal gereifet am schattenden Oelbaum.
Denn, ein Jüngling noch, bewohnt’ ich die fröhliche Stadt auch,
Spät, mit der Gattin erst, erwählt’ ich die stillere Wohnung.
Eines Morgens mich einst, auch mir die Neugier erweckend.
Als dem forschenden Auge sich bald ein rührendes Schauspiel
Zeigte, den Wogen kaum entrafft ein Mädchen, das leblos
Lag. Ihr hatte des Todes erstarrende Hand das Gepräge
Schwere Locken herab, genetzt mit bitterer Meerfluth.
Rings umfloß sie das Haar, das lange; in wilder Verwirrung
Waren die seidenen Flechten gelöst, die Zierde der Jungfraun.
Und aufschaudernd rief Likoris: weh! mit Entsetzen
Doch zum traurigen Grab die tosenden Wellen? Unglaublich
Scheinet immer es mir, daß, von dem freundlichen Daseyn
Willig scheidend, ein Mensch die Tage selber sich abkürzt.
Denn so lange das Leben nur währt, auch währet die Hoffnung;
Näher drängte sich nun und tief beweget das Mägdlein
An des Vaters Seite, der also gesprächig erwiedert:
Daß die Unselige selbst hinab sich stürzte, dies hatten
Fischer, die eben dort beschäftigt verweilten, bestätigt.
Schäumende Wellen hinan, sie wälzten entgegen den Leichnam
Schon dem eilenden Kahn, der spät die säumenden Retter
Ihr vom Hafen gebracht, und nur die Entseelte zurücktrug.
Lykos zweyte Tochter, des reichsten Bürgers war Daphne,
Um die ältere warb ein Jüngling; schimmernder Reichthum
Lockte zu dieser, es zog zu jener fesselnde Schönheit
Bald den schwankenden Sinn, so zwischen beiden, Liebe
Heuchelnd und fühlend zugleich, stand bald er schwach und bald treulos.
Hymens Freuden auch der Jüngern gönnet, ernährte
Still, in verschlossener Brust, das Mädchen die täuschende Hoffnung,
Seiner Treue gewiß; ihr war der schmeichelnden Männer
Lockende Sprache noch fremd, ihr trüglicher Zauber gewann das
Gab sie glühende Liebe für eitle sträfliche Selbstsucht.
Ganz dem Geliebten vertrauend, erblickte sie wachsame Vorsicht
Noch im kalten Verrath. So täuschet sich Leidenschaft immer,
Schliefst freywillig das Auge am Rande des gähnenden Abgrunds!
Reicht er der Schwester die Hand. Am Tage, welcher dies Bündniß
Festlich auf immer zu knüpfen bestimmt war, riß auch die Arme
Zu den trauernden Schatten hinab ihr dunkles Verhängniß.
Also erzählte Filemos, als heftig schluchzend, Likoris
Mit dem weiten Gewand umhüllend, lehnt’ an den Marmor
Sie die brennende Stirn und achtet nicht auf des Vaters
Rasches Zürnen, der heftig verweisende Worte ihr zurief.
Weibliche Schwäche nur sah der Greis in dem Schmerze des Mädchens,
Doch die Weinende nicht mißdeutend blickte der Jüngling,
Aengstlich stumm, nach ihr. Was leis’ ein dunkles Gefühl ihm
Zugeflüstert, dies sagt ihm lauter nun die Gewißheit.
Zartes Erbarmen zog und sanft verführendes Mitleid
Leises Verlangen erweckt und mied, im stillen Bewußtseyn,
Scheu Simaitha’s Blick, der ernst und prüfend ihn faßte.
Denn enthüllet erschien auch dieser das trübe Geheimniß,
Keinen Zweifel vergönnend. Zu quälenden Schmerzen gesellte
Schonend zu täuschen, und sprach in stiller himmlischer Anmuth
Also geneiget zu ihm, gelassene Ruhe erheuchelnd:
Vater! wenn im Schimmer der Abendröthe du mit uns
Unter den Säulen verweilst, und purpurn dann ein Gewölke
Pflegst du warnend oft zu sprechen: Kinder! der Morgen
Dämmert freundlich heiter wie heut’ uns nicht, denn es dräuen
Dort Gewitter und Sturm. So scheinet nun in der Wehmuth
Trüber Wolke mir auch der ruhige Abend verdunkelt,
Unglück rauschet er mir und Schmerz, ich bekämpfe der Ahndung
Dunkel wirkende Macht vergebens. Laß mich, o Vater!
Jetzt im stillen Gemach die Götter bitten vom Haupt mir
Mild zu wenden den Sturm. Doch ist es des höheren Schicksals
Zu dem prüfenden Schmerz, vielleicht zugleich die Ergebung.
Aber Diokles hörte voll tiefer schmerzlicher Rührung,
Was Simaitha sprach, und rasch zu den Füßen ihr sinkend
Barg er sprachlos, verwirrt, im Schooße der herrlichen Jungfrau
Doch mit sanfter Gewalt hob still das Haupt sie ihm aufwärts.
Rings an den glänzenden Schläfen die goldnen Locken vertheilend,
Drückt auf des Jünglings Stirn sie leis’ die keuschen Lippen
Und entwand sich dem Arm, der noch das Knie ihr umfaßt hielt.
In der Kammer, die nun des Mondes dämmernder Strahl nur
Schwach erhellete, sank betäubt Simaitha auf’s Lager;
Nicht das ruhige mehr, zu dem des heiteren Tages
Lächelndes Bild ihr gefolgt, im leisen Schlummer erlöschend.
Hier mit schmeichelndem Arm, und keins der bunten Gebilde,
Welche die schweigende Nacht mit täuschenden Farben erzeuget,
Schwebte sonst um das Haupt der sorglos schlummernden Jungfrau;
Doch jetzt floh der gefällige Schlaf; sie umwankten des Tages
Schwebten traurig und fremd an ihren Blicken vorüber.
Aber noch einmal faßte die immer freundliche Hoffnung
Sanft der Jungfrau Hand, mit liebreich tröstendem Zuspruch:
Fremd vielleicht noch war der Schwester sträfliche Neigung
Unwillkommen enthüllt, nur Ueberraschung und Mitleid
Sprach sein staunender Blick: so flüsterte schmeichelnde Hoffnung.
Aber die Leucht’ in der Hand, betrat nun Likoris die Kammer,
Noch der älteren Schwester zum Dienst, so wie sie gewohnt war.
Lag, mit verhülltem Gesicht, sie schien in Schlummer versenket.
Denn die Treffliche mied, bewegt und traurig, des Mädchens
Anblick, welcher so kurz noch willkommen ihr immer und süß war.
Aber Likoris trat mit zögernden Schritten nur vorwärts;
Da mit verbotenem Licht sie das duftende Lager erhellte,
Und den himmlischen Reiz erblickte des ewigen Jünglings.
Still nun faltete sie die Gewande, eilte sodann auch
Nahrung der Lampe zu geben, der nächtlichen, zierliche Kettlein
Drauf sie den Teppich, der weich aus bunter Wolle gewebt war.
Lange heftet sie so, in finster stummer Betrachtung,
Starr auf die Schwester den Blick, doch heftig ergriff sie die Wehmuth
Und der gewaltige Schmerz, sie rief die klagenden Worte;
Tückisch fürwahr ist der Schlaf, und immer feindlich den Menschen,
Gern betrügt er den Günstling des Glücks um des heitern Genusses
Schnellbeflügelte Stunden, die bald auf immer dahinfliehn.
Nur wo mit Zähren der Gram das traurige Lager benetzet
Täuschet er selten den quälenden Schmerz in kurzem Vergessen.
Was doch ordnet’ ich hier gedankenlos diese Gewande?
Nicht ziemt häusliche Tracht so festlichem Tage, du prangest
Morgen in bräutlichem Putz; bewundernd schauet Diokles
Und ich sollte dies Haar mit heiteren Blumen durchflechten,
Freude heuchelnd mich mischen ins Chor der fröhlichen Jungfraun,
Welche mit festlichem Tanz begleiten die Hymnen der Hochzeit?
Ha! schon stockt mir im Busen der fliehende Laut und es wanket,
Nein, der die Liebe mich lehrte, er lehrte nicht der Verstellung
Oft willkommene Kunst das junge Herz, das sich schuldlos
Keines Wunsches bewußt, der holden Neigung dahingab.
Ihn zu sehen ja schien genug mir, ach! ihn zu lieben!
Nun geworden! und fremd erschreckt mich die eigne Gesinnung.
Also entzündet geheim ein Funke, welcher der Lampe
Unbeachtet entfiel, den Purpur weicher Gespinnste,
Welche die Weberin sammelt; es steigt die zischende Flamme
Wie im Busen mir jetzt Verlangen und liebende Sehnsucht
Lang verhalten auch verzehrend lodert; nicht länger
Berg’ ich die siegende Glut. O! hätte nimmer sein Blick doch
In den meinen gelacht, der Stimme lieblicher Wohllaut
Schmeichelnd heimlichem Wunsche. Doch nein, nicht trauriges Mitleid
Gab er der Liebenden nur, der Gegenliebe Gewißheit
Strahlt mir heilig und hold; er theilt der schmerzlichen Sehnsucht
Qualen, schöner ja hat es sich heut’ und fest mir bestätigt.
Noch dich trauriger Schmerzen zu freun des geliebtesten Jünglings?
Nicht mehr duld’ ich das Leiden; der Herrliche, welcher der Seele
Krankheit erregte, nun schaff’ er die Mittel auch der Genesung.
Schlafe du Schwester indeß; es wache der nagende Jammer
Nun nicht länger die Nacht und meerwärts lenk’, o Selänä!
Still dein leuchtend Gespann; ihr Sterne sinkt daß ich einmal
Weil ich lebe noch, das Haupt umfasse des Lieblings,
Also das klagende Mädchen; und rasch verließ das Gemach sie,
Neu und stärker, das Wort verirrter Leidenschaft aufrief.
Schmerzlich büßte Simaitha der niegeübten Verstellung
Unwillkührliche Schuld, die stets die heimlichen Waffen
Treulos gegen ihn selbst, der sie gebrauchet, zurückkehrt.
Mit der Liebe zugleich auch löste die tröstende Hoffnung.
Weh! so seufzete bang, nach langem Schweigen, die Jungfrau,
Scheu das düstre Gemach mit zweifelnden Blicken durchirrend:
Webt, mich zu schrecken, der Schlaf entsetzlich täuschende Träume
Sanft mich fassend, zugleich mir hätte gegönnet die Täuschung,
Welche mir ewig entflieht. Bewegte sich wirklich Likoris
Meinem Blicke vorbey? Ihr Kranz, den Locken entrissen,
Liegt entblättert noch hier; der Freude heiteres Sinnbild
Ja, das schwarze Bekenntniß entfloh den Lippen, die sonst nur
Zärtliche Worte des Dankes mir sprachen und fühlender Freundschaft;
Und das Verhältniß erscheint mir nun in schrecklicher Klarheit.
Allzu lang nur umwölkte Vertraun den befangenen Blick mir;
Stets, ein heiteres Kind, noch unbekannt mit dem Argwohn.
Nur dem sträflichen Sinn erwacht die Furcht mit der Neigung;
Diesem wird der Verrath ein hellersehender Amor.
Wohl erklär’ ich den thätigern Fleiß nun, welcher die Schwester
Froh, als Tugend an ihr, die Frucht des tückischen Undanks.
Aemsig sah ich sie immer bemüht zu dienen dem Jüngling;
Lachte, Verdacht war mir fremd, der achtsam kindischen Sorgfalt.
Schöner erfüllt in dem seinen sah stets ich den eigenen Wunsch mir;
Hatte der Lenze doch keiner, so schien mir’s, je noch der Blumen
Gleiche Menge geweckt, frisch wanden an jeglichem Morgen
Tausendfarbige Kränze sich rings um die Säulen des Eingangs
Aus Diokles Hand, er saß im Schatten des Ahorns
Doch wenn am Abend sich nun die duftenden Kelche gesenket,
Löste Likoris das volle Geflecht, aufs eigene Lager
Streute die welkenden sie; oft scherzt’ ich daß sie, was mein sey,
So mir raube, dann log die Falsche heitere Unschuld.
Von Diokles Hand für sie gereihet, ein Spott nur
War ich beiden, ich fühl’s, und schaamroth glühet die Wange,
Die unwillig sich jetzt von schimpflichen Zähren benetzt fühlt.
O! der Thörin, die schon des Kummers volleste Schaale
Tödtende Hefe zurück. Beglückt ist, welchem das Schicksal
Früh, mit schonender Hand entnimmt das Liebste, der Achtung,
Ach! und der Thränen noch werth, des gern ernähreten Trauerns
Süßen Zoll! Nicht drängt im Busen schmerzlicher Unmuth
Bringt kein Streit dem Herzen, mit Liebe dann die Verachtung.
Doch was sag’ ich? mit Huld noch schauen himmlische Mächte
Mich, die jegliches Schmerzes Vertraute, fremd noch der Schuld blieb.
Denn mit zerstörender Macht ergreift sie rastlos des Armen
So entlehnte sie schlau der Liebe lockenden Liebreiz,
Freundlicher Hoffnung Stimm’ und stahl sich leicht in Likoris
Unbewahrtes Gemüth, das jedem Eindruck sich hingiebt.
Ach! auf immer vielleicht verscheucht sie den Frieden der Unschuld
Streitende Leidenschaft regt, empört ihr die Tiefen der Seele,
Raubt, vermählet der Angst, dem furchtsam lauschenden Mistraun,
Ihren Nächten die Ruh und jede Freude dem Tage.
In der Freundschaft Blick liest still sie den mahnenden Vorwurf,
Nein, zu strenge doch rächst, o Nemesis! du der Vergeltung
Ernste Göttin, dir Schuld, und ach! in dem traurigen Herzen,
Dem sie alles geraubt, erweckt die Glückliche Mitleid.
Wie? und büßet auch er des Wankelsinnes Verschuldung
Nun Diokles Stirn, die jüngst so heiter und frey mir
Glänzte? Elend, er ists, ihr Götter! denn er ist treulos!
Möchte der Liebenden doch auf immer verlohren sein Herz seyn,
Hätt’ er der Tugend es nur, der Wahrheit treu noch bewahret!
Nein! führt sie die ich liebte, verklärt, im Glanze der Unschuld
An die verwundete Brust zurück, den Verirreten reicht’ ich
Gern, versöhnet die Hand. Ich dank’ euch, himmlische Mächte!
Tröstend senket ihr schon im Vorgefühle die Wonne
Hebt ihr empor die Schwache zu euern höheren Freuden.
Doch du strebest umsonst, Unselige, länger ein Glück dir
Festzuhalten, das streng ein gebietendes Schicksal dahinreißt.
Also bemüht am Gestade sich noch der Arme, der Güter
Weiter schon ihm entführt, er steht verarmt an dem Ufer
Wo ihm der Hoffnung Ziel aus blauer Ferne gestrahlt hat.
Also sprach voll Schmerz Simaitha, streitenden Entschluß
In unruhiger Brust bewegend, heftete jetzt sie
Wehend graues Gewölk umzog die Sterne; nur Blitze
Gossen, mit schwebendem Schein am fernen Saume des Himmels
Zuckend, ein flüchtiges Licht umher; doch schnell wie es aufstrahlt,
Schnell auch verschlang es die Nacht. So hellt der freundlichen Hoffnung
Eines Augenblicks nur, besiegt von der düsteren Trauer.
Aber langsam erhob ihr strahlendes Auge die Jungfrau
Dann, und der trockenen Wimper entstürzte, lindernd, der Zähren
Reichlich fließender Strom, entlockt von sanfterer Wehmuth.
Die ihr in schweigender Luft mit grünenden Armen emporstrebt,
Traurend sah ich euch oft, wenn rauh, durch die schwankenden Aeste,
Herbstlich sauste der Sturm, die falben Blätter entschüttelnd,
Hoch im Wirbelwind mit wildem Spiele sie umtrieb,
Und der schlankere Wipfel sich neigte, seufzend und schmucklos.
Lieh ich dem traurenden Baum; und sollt’ ich es irrigen Wahn jetzt
Nennen! Neigen sich nicht in einsam schweigender Nacht mir,
Da der zerrüttende Sturm den eigenen Busen durchwühlet,
Sanft die Wipfel herab? Sie säuseln freundliche Tröstung
Grausam übst du die Macht, die über Götter und Menschen
Dir verliehen ist, aus, o! schmerzerregender Eros!
Kein Gesetz ist dir heilig, du überspringest mit Willkühr
Kühn die Schranken der Pflicht, die ernst den Menschen gebietet.
Bogen, wie dir’s gelüstet. Der sittlichen alten Gewohnheit
Achtest du nicht und zerreißest geprüfte Bande der Freundschaft.
In des Jünglings Brust, in den reinen Busen der Jungfrau
Gießest du lodernde Gluten, der Liebe schmerzliche Sorgen
Keines entgehet dir je, und oft noch wähnet sich sicher
Einer, dem sich der Pfeil schon tief in den Busen gesenket.
Scheutest doch du dich nicht, dem Donnerschleuderer, Liebe
In der göttlichen Brust erweckend, ihn vom Olympos
Ja in wildumgreifendem Frevel schonest du selbst nicht
Auch der eigenen Mutter, der lächelnliebenden Küpris.
Aber allein geschützt vor dir und deinem Geschosse
Sind Mnemosynens Töchter, die lieblich redenden Musen,
Thaten der Menschen singen, so wie der unsterblichen Götter,
Welche die Liebe bethört; doch sie beschützt des Gesanges
Zauber, den Busen bewegt allein der liebliche Wohllaut.
Waltet huldreich denn, ihr hohen heiligen Jungfraun,
Heimlich lodernde Lieb’ und die Liebe der jungen Likoris.
Ach! die Arme, sie hatte das sinneverwirrende Gift schon
Aus dem ersten Blick des Jünglings gesogen, der ähnlich
War den Göttern an Wuchs und edler blühender Bildung.
Eros und Himeros, schlau ihn den ersten Wegen entlockend.
Denn Simaitha besaß sein Herz! Die höhere Schönheit
Ehrt’ er fühlend in ihr, der Krone herrlicher Jungfraun;
Doch zu nah erschien ihm der Unschuld rührender Liebreiz,
Sah gerührt er durch sich im zarten Busen gewecket,
Und so wandte sein Herz zum holdaufblühenden Mädchen
Leis’ sich hin; denn schwer ists widerstehen der Neigung,
Die, nicht Erwiederung fordernd, uns unbegränzet sich hingiebt.
Höher hob sich stets und unerreichbar Simaitha
Seinen Blicken empor, es schmiegte der jungen Likoris
Liebelächelndes Bild sich enger dem Busen des Jünglings
Und vertraulicher an, zu spät erwacht das Bewußtseyn,
Also ermuntert vergebens sich einer, der an des Nachens
Steuer entschlief, wenn entfesselt die Wuth der Orkane daherbraust.
Nacht umhüllt ihm den Blick, die leitenden Sterne verschleyert
Trüglicher Nebel, indeß, verirrt, das schwankende Fahrzeug
Uferlos und fern vom heitern Gestade der Heimath.
Auch Diokles Aug’ schloß nicht sich heute zum Schlummer,
Sorgen hielten ihn wach! So schien, im bangen Gefühl, ihm
Länger die säumende Nacht, und kaum erröthet, in Osten,
Als er, den Morgen zu grüßen, aus seines Gemaches Umdämmrung
Eilt, auf bethauetem Pfad, den dichtangränzenden Weinberg
Aufwärts wandelnd, er stand umblickend still, wo der Fußsteig
Führte zum ebenen Rund, der Höhe Gipfel, hier dehnte,
Unbegränzet rings eröffnete weit sich die Aussicht
In die heiteren Thäler des reichen blühenden Eilands,
Das die felsigen Ufer aus grünlichen Fluten emporhebt.
Und schon glühte das Meer, von des weitwallenden Schleyers
Antlitz flatternd weht, der Fluten heiteren Spiegel
Kräuselt aus Osten der Wind, der jedem Blatte Bewegung
Giebt, mit schmeichelndem Hauch die zarten Knospen umsäuselnd,
Daß sie zu Blüthen entfaltet, im Glanz erröthender Unschuld,
Der vom flüsternden Laub ein sanfter Regen herabträuft.
Aber schmerzlich kehrte die sinnenden Blicke der Jüngling
Zu dem bescheidenen Dach, in dessen stiller Umschirmung
Stets der Friede gewohnt und bey der Freude die Eintracht.
Die beschützend vordem gewaltet am häuslichen Altar,
Grausam nun verscheucht durch Eros verderbliche Willkühr.
Ja, ihm schien auf immer in trüb verschleyerter Zukunft
Jeder Ausweg verhüllt, und ängstlich sann er vergebens
Als er den Blick erhebend, nicht fern die junge Likoris
Unten vor sich sah, die rasch die Steile hinanstieg.
Zu Diokles wandte sie schon die Blicke mit Sehnsucht,
Der auf der Höhe sich zeigt und jetzt erschrocken zurückschwankt.
Blind hinwandelnd, verläßt; auf Nachtumhülletem Pfade
Schreitet er ahndungslos, umringt mit dunklen Gefahren.
Wenn sein Name nun plötzlich ins Ohr ihm tönt, er erwachend,
Scheu, mit starrem Entsetzen das Auge wendet vom Abgrund,
Ob er den strauchelnden Fuß zurücke, ob er ihn vorwärts
Setze, noch hält ihn die Furcht des nahen Sturzes gefesselt,
Wo er in schwindelnder Angst nun unvermeidlich ihm vorschwebt.
Also Diokles, er spähte bestürzt die Wege zur Flucht noch,
Schon, das eilende, stand, die hochgeröthete Wange
An die Schulter ihm lehnte. Des Busens schnelleres Klopfen
Hemmte noch ihr die Rede; sie schaute tief athmend und sprachlos,
Still zu ihm empor; doch abgewendet das Antlitz,
Unbesonnen doch eilst und wählst du den steileren Fußsteig,
Da der bequemere Gang sich sanft an dem Hügel hinanzieht!
Sieh’ dir glühet die Wang’ und schädliche Kühlung umwehet
Hier dir die brennende Stirn, doch lohnt das herrliche Schauspiel
Hier der Sonne zu sehn, die heut, in blendender Klarheit,
Aus dem wogenden Bad des weiten Meeres heraufsteigt.
Schau wie, das lichte Gewölk durchbrechend, blitzende Strahlen
Aufwärts schießen. So wirkt in den zart durchsichtigen Schleyer,
Hell auch glänzen die Zinnen der Stadt und die heiteren Söller!
Aber, heftig bewegt, entgegnet ihm eilig die Jungfrau:
Schweig! o schweige hievon! Du zeigest wozu mir das Auge,
Ach! wozu mir auch jetzt der unbefangene Sinn fehlt.
Still aufwandelnd erstieg, der Morgenröthe begegnend;
Doch nicht also heut; des Herzens heftige Regung
Sie verschlingt, wie des Meers empörte Wellen des Mondes
Heitern Abglanz, mir der Natur erfreuliches Schauspiel.
Siehe! mit Bitten steh ich vor dir, ach! aber bestrafe
Nicht den vielleicht befremdenden Wunsch, mit versagendem Unmuth.
Thöricht scheinet wohl oft und unbesonnen der Entschluß,
Den ein Gott in die Brust, unsichtbar tröstend, uns senkte;
Rühret mein Flehen dich jetzt, erwart ich froh die Gewährung.
Denn als gestern du so fromm der kränkelnden Mutter
Dachtest, welche nach dir sich sehnet in einsamer Wohnung,
Sieh! da ergriff mich lebendig der Wunsch, die Theure zu pflegen,
Um zu gehorchen doch erst Befehle der Frau, und der Kranken
Stets abwechselnde Wünsche belauscht die sorgende Tochter.
Mutter werde sie mir, die Würdige, da sie mich aufnimmt.
Staunend trittst du zurück! Du weißt es selber, verschieden
Stets bey der Schwester zu weilen, bey ihr die der dunkleren Kindheit
Treue Pflegerin war, und dann dem wachsenden Mädchen
Traute Gespielin erschien und freundlich belehrendes Beyspiel.
Glücklich wähnt’ ich mich schon, wenn ich beglückt nur die Schwester,
Doch jetzt fühl ich’s! es stört doch nur die lästige Zeugin
Euch im heitern Genuß, auch zieht das ähnliche Schicksal
Nun die Einsame hin, zu ihr, die verlassen wie sie ist.
O gewähre die Bitte! Geleite selbst mich zur Mutter,
Sanft, willkommen mich auch, mich Unerfahrne belehrt sie.
Wenn mit der Spindel bey ihr ich sitze, wenn an dem Webstuhl
Hin und wieder die Hand bewegt das glänzende Schifflein;
Dann erneuet sich ihr mit Wehmuth süß die Erinnrung
Du der schönste gewandelt, bey jeder munteren Uebung
Auch der erste der Schaar, wie bald du zum männlichen Jüngling
Reiftest, ihr zur Lust, und für das Alter die Hoffnung.
Aber es weinen die Fraun, die dienenden, wenn sie die Thränen
Und in den Schooß entsinkt aus fleißigen Händen die Arbeit.
Wohl befraget jede mich dann: ob auch die Beglückte
Seiner würdig sey, sie die er sich wählte zur Gattin?
Und nicht zaudernd kalt, nein schnell, mit freudiger Neigung,
Die vor allen allein die deine zu heißen nur werth war.
Doch wenn das Tagewerk nun vollendet ist, stillere Nacht herrscht,
Schleich ich, vom Schleyer umhüllt, an jenes Ufer, von dem uns
Gestern der Vater erzählt’, mich leitet die treue Beschreibung
Ringsum schweifet der Blick und mißt mit Schaudern des Abgrunds
Tiefen. Wie! du erbleichst? O zittre nicht! Um wie jene
Tief in tobender Fluth den brennenden Schmerz zu versenken
Dazu ach! versagte den hohen Muth die Natur mir.
Also Likoris, es löst ihr rasches Wort das Geheimniß
Von der geängsteten Brust, und länger bezähmte Diokles
Nicht des eignen Gefühls allmächtig stürmende Regung,
Die er schweigend bekämpft und die jetzt siegend ihn hinriß,
Aber ihm am Busen verbarg die glühende Wange
Schamhaft scheu das Mädchen, indeß sie bebend ihn fest hielt.
Lauter klopften vereint und gleichen Schlages die Herzen,
Die sich sehnend so lang entgegen wallten, und höher
Aber plötzlich entwand dem Arm des geliebtesten Jünglings
Wild die Liebende sich; Aufschreyend barg sie das Antlitz
Tief in den moosichten Sitz, mit ängstlich gefalteten Händen,
Wies den Nahenden weg, ihn mit stummen Zeichen entfernend.
Hüllte sein liebend Gemüth, und, zart mit Sorge sich neigend,
Sprach er also zu ihr: Faßt denn die Reue so grausam
Quälend die reine Brust dir jetzo, daß ein Geständniß
Diesen Lippen entfloh, die niemals noch der Verstellung
Sprich! was Entzücken mir gab erregts dir so bittere Schmerzen?
Nimmer wird doch, so lange das Leben währet, ein Ton mir
Mehr das Ohr erfreun mit schmeichelnd süßerem Wohllaut.
Aber wie ich mit dir der Liebe kurzes Entzücken
Meinem Worte vertrau. O! weigre nicht, mir dein Anschaun!
Fliehen doch Feinde sich nur mit scheu gehässigem Mißtraun!
Bald auf immer ja trennt das Schicksal uns, und es sondert
Diese Stunde, die schöne, sich ab von den jüngeren Schwestern,
Einmal gönne mir denn, zum letzten male, den Blick noch,
Der dein Herz mir enthüllend, so tief das meine bewegt hat.
Da erhob sie das Haupt und sank mit Schluchzen dem Jüngling
In den Arm, der die Zähren von schattender Wimper ihr aufküßt.
Festen Schrittes und schnell. Es breitete weinend Likoris
Sehnende Arme nach ihm, vergebens hoffend, so lange
Sichtbar dem liebenden Blick der Wandelnde, ob er das Haupt noch
Rückwärts wende, das schöne, in dessen Locken der West spielt.
Ungesäumet betrat und still entschlossen der Jüngling
Nun das innre Gemach, doch schüchtern sich der Verlobten
Nahend; ihn quälte die Furcht, der Seele tiefstes Geheimniß
Uebereilt ihr vielleicht, mit raschem Wort, zu verrathen;
Er den forschenden Blick des klaren Auges begegnet;
Doch, gesammelter bald, sprach also, mit Fassung, Diokles:
Sey mir du Treffliche heut gegrüßet, aber verzeihe
Wenn ich am festlichen Tag, der unserm Bunde geweiht ist,
Auch entgegen bringe; doch wohlbekannt ist mein Herz ja
Schon, das offene, dir, das den unsträflichen Wunsch nicht
Lang’ in sich verschließt und ängstlich zweifelnd geheim hält.
Höre liebreich denn, mit hold begegnender Nachsicht,
Auch, und störender Sorge das ernste Gemüth dir bewegt hat.
Innig verbanden bis jetzt des Dankes heitere Pflichten
Dir die jüngere Schwester, für welche du Freundin und Mutter
Warest, und die du vom eisernen Druck verjährter Gewohnheit,
Aber es ändert sich bald, so fürcht ich, das schöne Verhältniß.
Einsam wird sie sich sehn, wenn nun der Gattin und Mutter
Süße Sorgen von ihr dich abziehn, traurige Zeugin
Eines Glückes, das sie nicht theilt und mit schweigendem Neid nur
Kannte je sie vorher getrennte Freuden? Genossin
War sie dir unschuldiger Lust, wie heiterer Arbeit.
Doch ein Ausweg bleibt; ich selbst geleite, wofern du
Dieses billigst, alsbald zu meiner Mutter das Mägdlein,
Auch, daß dir nicht darum entgeh die gewohnte Bedingung,
Sorg’ ich. Die mich gebahr erzieht seit Jahren mit Sorgfalt,
Sich zum eigenen Dienst, zwey Mädchen, welche den Haushalt
Klug zu führen verstehn, in zierlichen Künsten der Pallas
Wolle zu färben besaß Arachne nicht das Geheimniß,
Noch ein zarter Gespinnst zu drehn, auch entwallte dem Webstuhl
Manches Schimmergewand von ihren Händen gefertigt.
Dieser eine nun giebt dir gern zum Ersatze die Mutter,
Statt der jungen Likoris, die kaum entwachsen der Kindheit.
Und, sie ganz zu beglücken, erwähl ich selber, bedächtig,
Unter den Jugendgenossen, für sie den würdigsten Jüngling.
Welcher sie liebend begehrt und dem sie freudig sich hingiebt.
Dies verstatte du noch, für das Mädchen die schickliche Mitgift.
Keine Schwester, du weißt’s, entzieht mir des reichlichen Erbtheils
Vollen Besitz für mich, von liebenden Eltern gesammelt.
Ja aufs neue besiege die unnatürliche Sitte,
Auch die heiteren Bande beglückender Ehe versaget;
Und du erfreust dich des Bundes dann, den du selber geknüpft hast.
Also Diokles; und jetzt, indeß er der zögernden Antwort
Still noch harret, bewegt der Wünsche peinlicher Zwiespalt
Ob die Bitte ihm wohl, die fromme, weigre Simaitha?
Stritt, so wollt’ es Eros, die bängere Furcht vor Gewährung.
Doch ihr selber entnahm die ernste Bitte des Jünglings
Jenen stillen Verdacht, und scheuchte die Wolke des Trübsinns,
Also verdunkelt erscheint des Sees heitere Fläche,
Wenn ein dräuend Gewölk auf die Berge sich senkt und es rauschen
Trüb die Wellen empor, die beweglichen; nächtliche Schatten
Schwanken die Ufer hinan, bis schnell ein günstiger Lufthauch,
Dann von der ruhigen Fluth der Himmel glänzend zurückstrahlt;
Also, befreyet auch jetzt vom dunkel schwankenden Argwohn,
Oeffnet das reine Gemüth sich gern der tröstenden Wahrheit.
Klar durchschaut sie nun mit stillem Sinn das Verhältniß,
Recht ist was du begehrst, und hold begegnet Erfüllung
Deinem Wunsche schon, der auch den früheren Entschluß
Tief im Busen mir stählt; zu theuer kaufet der Ruhe
Hohes Kleinod sich nie, und nun erring ich es leichter,
Zeugin künftigen Glücks! Der kränkelnden Mutter vergönn’ ich
Gern zur Pflegerin sie, und dann vereinet dem Jüngling,
Der sie vor allen erwählte, dem froh sie und liebend sich hingiebt.
Ja so wird mir vielleicht der Schmerz des herben Verlustes
Aber gehe mein Freund! den Vater rufe! das Opfer
Wünscht’ ich früher vollbracht, das segenerflehende, bald sonst
Kommt der Gespielinnen lärmende Schaar! doch der stillere Sinn nur
Nahet mit frohem Gebet allein sich würdig der Gottheit.
Aber die Stufen hinan durchflog die Halle des Eingangs
Thestülis festlich geschmückt, ihr rief beweget Simaitha
Frohen Willkommen entgegen und sank in der Freundin Umarmung.
Leise lächelnd entfaltet die Kommende dann vor der Jungfrau
Also prangen, gepflegt von fleißiger Hand, Anemonen,
Purpurschimmernd, vom Blut der schönen Küpris geröthet.
Und mit innigen Worten der Liebe redet sie also:
Nimm dies Brautgeschenk, Simaitha, trefflichste Jungfrau!
Heute dem Gatten dich giebst! Der Neuvermählten umwallet
Dieser Schleyer das Haupt, auch flocht ich selber der Myrthe
Blühend Gewinde dir hier! schön schmücke heut die Beglückte
Hymens lieblicher Kranz, den die Hand der Jugendgespielin
Doch nicht seh ich wie sonst sie rings, mit zierlicher Ordnung,
Dir um die Scheitel gelegt! in tiefen Schwingungen sinken
Sie zur Schulter herab! Den losen Geflechten entschlüpfet
Lang die wallende Locke, da sonst nur zartes Gekräusel
Zwar nicht minder schön, doch ungemäß der Gewohnheit.
Wo denn säumet Likoris? und übt am festlichen Tag sie
Also läßig den Dienst? Doch halt! Es flammt wie ein Blitzstrahl
Ein Gedanke mir auf, den, ach! dein Schweigen bestätigt.
Nun im warnenden Traum den heiligen Boten der Götter?
Was entdecktest du? sprich! ist noch unkundig Diokles
Ihrer Neigung? belehrte nur dich vielleicht ein Geständniß,
Oder theilet er selbst der sträflichen Liebe Geheimniß?
Von der Fragenden jetzt mit ernstem Zürnen das Antlitz.
Welch unseliger Gabe, so sprach sie heftig, berühmst du,
Selbstgefällig, dich doch, entschleyert stets nur die Zukunft
Dann, die verhüllte, zu sehn, wenn Schmerz ihr und Trauer gesellt ist!
Wenn sich der Traum nur bewährt, der unheilbringende; dennoch
Löset noch diese Stunde den Knoten, wie es die Ahndung
Nie dir sagte, dann steht vielleicht erstaunt die Prophetin.
So die Jungfrau; doch schnell, durchdrungen von inniger Wehmuth,
Tief im Busen der Schmerz, vertilgend reißt er, gewaltsam,
Jenes sanftere Band der Lieb’ aus blutender Brust mir.
Auch der Freundschaft Hand berührt die verwundete schmerzlich.
Alles schwanket um mich, je näher mir der Entscheidung
Also sprach sie bewegt, ihr schluchzt an dem Busen die Freundin,
Und still weinend hielten sich lang’ umschlungen die Jungfraun.
Aber sie trennten sich nun, da im Feyergewande Diokles,
Von dem festlichen Zug umgeben, langsam herannaht.
Prangt ihm ein farbiger Kranz, er hebt die flammende Fackel
Wohlgefällig empor, ihn freut das Gepränge der Hochzeit.
Mit gesenketem Blick geht neben den Vater Likoris.
Aber als er um sich die Kinder im Kreise gesammelt,
Hymens heilige Fackel, die heiter lodernd den Zug führt,
Tief gerühret gedenkt er zugleich der verlohrenen Gattin,
Welcher dies Amt gebührt, und ruft mit herzlicher Trauer:
Nimmer hoffe der Mensch daß, je vollkommenen Glückes
Stets der süßeren Freude zugleich der herbere Schmerz bey.
Also mahnet die Feyer der froherwünschten Verbindung
Doppelt schmerzlich aufs neu an den vielbeweinten Verlust mich.
Hätten der liebenden Mutter die Götter des späteren Alters
Nun die Theure dies Amt, womit ich dich, o Likoris!
Als die liebende Schwester vor allen zu ehren gesinnt bin.
Also redet Filemos; er wähnte sie hoch zu erfreuen,
Da er unwissend ihr noch geschärftere Qualen bereitet.
Ach! gezwungen nun selbst, mit zögernden Schritten nur anführt.
Langsam wankte sie so der Halle zu, wo ein Altar
Lodernd harrte, indeß ringsher die heil’gen Geräthe
Dienende Knaben bereitet, es dampfte die Wolke des Weihrauchs.
Jetzt im Kreis um sich die Zeichen sah der Vermählung,
Sank aus zuckender Hand die lodernde Fackel, es sanken
Fackel und Mädchen zugleich, und wie, ersterbend, die Flamme
Auslöscht, also mit ihr das Auge in tödtlicher Ohnmacht.
Die mit staunendem Blick ihm weichen, warf an der Pforte
Auch Diokles sich hin, er faßte, mit mächtigen Armen,
Sie, so hielt er sie fest, nicht mehr die heimlich Geliebte.
Aengstliche Liebe verrieth das schreckentstellete Antlitz,
Da, mit unsicherer Hand, er des Lebens zögernde Pulse
Noch vergebens suchte, und so erstarret und leblos
Sah die zarte Gestalt, die hingestreckt auf den Marmor
Selbst ein Marmorbild erschien. So lieget am Altar
Purpurnes Leben verströmt, das warme; in starrer Ermattung
Ruhen die Glieder, es schließt, erlöschend, das Auge sich langsam;
Nur der schnellere Schlag des Herzens, er strebet noch krampfhaft
Das entfliehende Blut zurückzuziehn, doch vergebens,
Also lag Likoris, vom Arm umfangen des Jünglings,
Der bewußtlos noch dem lauten Schmerze sich hingab,
Als Simaitha bewegt zu ihr sich neigte, das Auge
Still erhob und sprach: Erweckt sie! verschmähet das Opfer,
Dunkle Gewalten laßt sie nicht unwillig hinabziehn.
Da, beym Klange der Stimme, der wohlbekannten, ermannt er
Schnell sich, aber zugleich kehrt des Vergangnen Bewußtseyn,
Ihn beschämend, zurück, er ruft mit gesenketem Blicke:
Zwischen Sterblichen hier, die blinde Leidenschaft hinreißt!
So auch neige dein Ohr der Stimme, welche vielleicht nicht
Mehr zum Herzen dir dringt, doch schuldbewußt zu verstummen
Heißt das meine mich nicht; ich darf es kühn dir enthüllen.
Frecher Verräther, es wiegte die Sinne gefälliger Irrthum,
Schmeichelnd, in täuschende Ruh, ja dir entdeckt dies Bekenntniß
Kein bekanntes Gefühl, dem lange der edlere Vorsatz
Streitend begegnet, wie dir gesteh ich unwillig mir’s selber
Ja, ich wähnte bis jetzt die schnell aufkeimende Neigung
Muthig bald zu besiegen und glaubte, deiner nicht unwerth,
Hier dir zur Seite zu gehn, die festen Bande zu knüpfen.
Doch ich fühl es, mir wand ein feindlich waltendes Schicksal
Strebt’ ich entgegen der Macht, die, unnatürlich, zur Qual, mir
Liebe im Herzen belebt, wo nie sie genähret die Hoffnung.
Alles weißt du nun, du Treffliche, die ich beleidigt,
Wie ich selbst mich betrog. Dich kränke nicht länger mein Anblick;
Lebe denn wohl! Es stützt zu sicher die Erde den Fuß mir,
Und das Meer gesellt, das wildbewegte, sich besser
Dem stets schwankenden Sinn, der wie die Woge den Winden
Jedem Drange sich neigt, verirrt auf empöreter Meerfluth.
Mit gebietendem Ernst sie fassend: ach! es verschlangen
Trauriger Opfer genug die gierigen Fluten, bewahre
Du für die Liebende dich, die neu dir ins Leben zurückkehrt.
Sie verhieß ich dir schon, da heute die ernstliche Bitte
So den Entschluß mir bestimmte, der schon in dem Busen mir aufstieg.
Ja, ich löse die Fessel und gönne willig der Schwester
Daß sie des Gatten sich freue, der doch sie vor allen erwählet,
Dem sie liebend sich gab, du bist es selber, o Jüngling!
Und zu dem Vater der stumm, ihm hielt Erstaunen und Unmuth
Noch die Zunge gefesselt, trat still gerühret Simaitha
Und umfaßte mit Bitten das silberlockige Haupt ihm.
Laß, o Vater! doch jetzt, durch ruhige Worte besänftigt,
Streng mißbilligend, nun der Liebe neueres Bündniß.
Zorn ergreife dir nicht den Busen, hier wo der Weihrauch
Gütigen Göttern dampft, die frohe Opfer herabziehn!
Fromm ja ehrst du sie stets; auch dies ist der Himmlischen Fügung.
Die Verwandten sich zu, daß froh gesellet den Pfad wir,
Den unebenen, wandeln des Lebens, in der Vereinung
Süßem Genuß, doch zerreißt allmächtig das waltende Schicksal
Jenen ersten Bund, strebt umsonst das Verwaiste von neuem
Höherer Mächte schon der andern Liebe bestimmt war.
Und mit dem bräutlichen Schleyer, der nur so kurz ihr die Stirne
Rosig umwallet, bedeckte die Jungfrau schweigend der Schwester
Haupt, die kniend noch lag, und, bleich gelehnt an den Jüngling,
Dann mit festerer Hand die verglimmende Fackel erhebend,
Sprach, zu den Liebenden sanft gewendet, also Simaitha:
Traurig bedeutend erlosch, in der Leidenschaft Hand, Hymenaios
Heitres Licht mir, euch Beiden entzünd’ es schöner die Freundschaft.
Und umschlang den Altar, in dessen lodernde Flammen
Sie die Myrthe versenkte, den Schmuck der Locken. Verkläret
Strahlt, in der Ruhe milderndem Glanz nun der Herrlichen Antlitz,
Da mit aufstrebendem Blick sie rief: O! Estia, höre!
Weih’ ich freudig dies Haupt, das zweymal freundlich der Liebe
Blüthen umflochten, und jetzt, des Schmuckes mit Willen beraubet,
Ganz dein eigen wird! Schon steigt aus dem bräutlichen Kranze
Höher empor die Flamme zu dir, so tilge mir huldreich.
Mir die erheiterte Stirn mit der Priesterin heiliger Binde.