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Die Schmorsdorfer Linde

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Textdaten
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Autor: Unbekannt
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Titel: Die Schmorsdorfer Linde
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 20, S. 640, 643
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[640]

Deutschlands merkwürdige Bäume: Die Schmorsdorfer Linde.
Nach einer Photographie von Th. Kirsten in Dresden.

[643] Deutschlands merkwürdige Bäume: Die Schmorsdorfer Linde. (Mit Abbildung S. 640.) Es ist ein Gefühl halb der Ehrfurcht, halb der Wehmuth, das uns beim Anblick dessen bewegt, was ungebrochen die Jahrhunderte überdauert hat. Was einst von fleißigen Händen gebaut und gepflanzt wurde, Haus und Baum und Wald, es steht wohl noch immer, indes von jenen, die es angelegt haben, längst die letzte Spur verweht ist. Und wir, die wir den ehrenfesten Bau eines alten Bürgerhauses, den stolzen Wuchs sagenumsponnener Eichen und Linden betrachten, schauen zurück auf die Zeiten, welche an ihnen vorübergerauscht sind, auf den milden Schein des Friedens und die düstere Fackel des Kriegs, die segenspendend oder Vernichtung drohend darüber geleuchtet haben; und wie wir dabei die Reihe der Geschlechter überdenken, die vor uns in Freud und Leid das alles pflegten und hüteten und flüchtig dahinsanken, mag uns das wehmüthige Wort Goethes durch den Sinn gehen:

„Uns hebt die Welle,
Verschlingt die Welle,
Und wir versinken.“

Eine altersgraue Linde ist es, welche diesmal unser Bild aus der Reihe von Deutschlands merkwürdigen Bäumen heraushebt. – Südlich vom Elbthal, zwischen Dresden und der Sächsischen Schweiz, liegen an der Grenze des Erzgebirges die Dörfer Schmorsdorf und Maxen, bekannt durch ein Gefecht im Siebenjährigen Krieg, in welchem der Oesterreicher Daun am 21. November 1759 den preußischen General Fink gefangen nahm. Eine Anhöhe zwischen beiden Dörfern heißt noch heute der „Finkenfang“. Es ist überhaupt ein geschichtlich denkwürdiger Boden, den wir da vor uns haben; er hat bis heute noch Reste der einstigen wendischen Besiedelung durch die „Sorbenwenden“ aufzuweisen. Den Namen Schmorsdorf selbst leiten manche Sprachforscher ab von dem wendischen Wort „smorden“ in der Bedeutung „Dreschfröner“. Bei Schmorsdorf also steht die Linde, die durch ihre eigenartige Form auffällt. Ihr Alter läßt sich nicht genau bestimmen, es reicht jedenfalls in wendische Zeit hinauf.

Ihr Wuchs ist gewaltig, der Hauptstamm, an der schwächsten Stelle 9 Meter im Umfang messend, erhebt sich 5 Meter über die Erde und theilt sich dann in eine Reihe von Aesten, welche bis zu einer Höhe von 40 Metern in die Lüfte ragen. Im hohlen Innenraum des Stammes haben 12 bis 15 Personen Platz, und nach der Ueberlieferung sollen früher die Versammlungen des Gemeindegerichts darin stattgefunden haben. Leider hat die Linde im Jahre 1884 unter einem Schadenfeuer gelitten, welches das halbe Dorf zerstörte; und darauf hat ein Sturmwind von den sieben Kielen die drei am schwersten mitgenommenen abgerissen. Jedoch verjüngt sich der Baum durch Nachwuchs, der hoffentlich diesen Riesen aus vergangenen Jahrhunderten für die Bewunderung auch späterer Geschlechter aufrecht hält.