Die Sachsen und die Thüringer
Die Sachsen und die Thüringer.
Witechindus corb. gleich anfangs. Vergl. Cod. pal. 361. fol. 2d. |
Die Sachsen zogen aus und kamen mit ihren
Schiffen an den Ort, der Hadolava heißt, da waren
ihnen die Landeseinwohner, die Thüringer, zuwider
und stritten heftig. Allein die Sachsen behaupteten
den Hafen, und es wurde ein Bund geschlossen: die
Sachsen sollten kaufen und verkaufen können, was sie
beliebten, aber abstehen vom Menschenmord und Länderraub.
Dieser Friede wurde nun auch viele Tage
gehalten. Als aber den Sachsen Geld fehlte, dachten
sie, das Bündniß wäre unnütz. Da geschah, daß
einer ihrer Jünglinge aus den Schiffen ans Land
trat, mit vielem Gold beladen, mit güldenen Ketten
und güldenen Spangen. Ein Thüringer begegnete
diesem und sprach: „was trägst du so viel Gold an
deinem ausgehungerten Halse?“ – „Ich suche Käufer,
antwortete der Sachse, und trage dies Gold bloß
des Hungers halben, den ich leide; wie sollte ich mich
an Gold vergnügen?“ Der Thüringer fragte: „was
es gelten solle?“ hierauf sagte der andere: „mir
liegt nichts daran, du sollst mir geben was du selber
magst.“ Lächelnd erwiederte jener: „so will ich dir dafür
deinen Rock mit Erde füllen;“ denn es lag an
dem Ort gerade viel Erde angehäuft. Der Sachse hielt
also seinen Rock auf, empfing die Erde und gab
[66] das Gold hin; sie gingen von einander, ihres Handels
beide froh. Die Thüringer lobten den ihrigen,
daß er um so schlechten Preis so vieles Gold erlangt;
der Sachse aber kam mit der Erde zu den Schiffen, und
rief, da ihn etliche thöricht schalten, die Sachsen ihm
zu folgen auf; bald würden sie seine Thorheit gut
heißen. Wie sie ihm nun nachfolgten, nahm er Erde,
streute sie fein dünne auf die Felder aus, und bedeckte
einen großen Raum. Die Thüringer aber, welche
das sahen, schickten Gesandte, und klagten über Friedensbruch.
Die Sachsen ließen sagen: „den Bund
haben wir jederzeit und heilig gehalten, das Land,
das wir mit unserm Gold erworben, wollen wir ruhig
behalten, oder es mit den Waffen vertheidigen.“
Hierauf verwünschten die Einwohner das Gold, und
den sie kürzlich gepriesen hatten, hielten sie für ihres
Unheiles Ursächer. Die Thüringer rennten nun zornig
auf die Sachsen ein, die Sachsen aber behaupteten
durch das Recht des Krieges das umliegende
Land. Nachdem von beiden Theilen lange und heftig
gestritten war, und die Thüringer unterlagen, so kamen
sie überein: an einem bestimmten Ort, jedoch
ohne Waffen, des neuen Friedens wegen zusammen
zu gehen. Bei den Sachsen nun war es hergebrachte
Sitte, große Messer zu tragen, wie die Angeln noch
thun, und diese nahmen sie unter ihren Kleidern auch
mit in die Versammlung. Als die Sachsen ihre
Feinde so wehrlos, und ihre Fürsten alle gegenwärtig
sahen, achteten sie die Gelegenheit für gut, um sich
[67] des ganzen Landes zu bemächtigen, überfielen die Thüringer unversehens mit ihren Messern, und erlegten sie alle, daß auch nicht einer überblieb. Dadurch erlangten die Sachsen großen Ruf, und die benachbarten Völker huben sie zu fürchten an. Und verschiedene leiten den Namen von der That ab, weil solche Messer in ihrer Sprache Sachse hießen.