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Die Republik Guatemala (Das Ausland, 1828)

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Textdaten
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Autor: North American Review, Boston / New York
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Titel: Die Republik Guatemala ((Das Ausland, 1828)
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr. 126-128; S. 501-502; 506-508; 511-512
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum: 1828
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Quelle: Scans bei Commons
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[501]

Die Republik Guatemala.

[1]

Das alte Königreich Guatemala, jetzt die Republik von Mittelamerika, unter allen den großen Fragmenten, in welche der Coloß der spanischen Macht im Westen zerfallen ist, das unbekannteste, ist keineswegs – wie man leicht verleitet werden könnte, anzunehmen – in gleichem Maße auch das unwichtigste unter denselben. Ohne bedeutende Handelsverbindungen mit den Vereinigten Staaten oder den europäischen Seemächten, und weniger reich an edlen Metallen, als die übrigen Theile des spanischen Amerika, blieb es bis zu der Periode seiner Unabhängigkeit beinahe in völliger Dunkelheit. Lange nachdem der Sturm der Revolution in Columbia, Buenos Ayres, Chile und Peru das Feuer bürgerlicher Unruhen geschürt und die Verheerungen feindlicher Invasionen herbeigeführt hatte, blieb Guatemala noch ruhig der Herrschaft des Mutterlandes unterworfen. Selbst die Bewegungen in dem benachbarten Mexico vermochten nicht, seine Ruhe zu stören, oder Aeußerungen eines revolutionären Geistes unter seinen Einwohnern hervorzurufen. Guatemala schien über dem alles in seinen Kreis ziehenden Interesse, welches sein mächtigerer Nachbar auf sich zog, ganz übersehen zu werden.

Dieß war die Lage von Mittelamerika, als der Congreß der Vereinigten Staaten die Unabhängigkeit der neuen Republiken anerkannte. Aber dieselben Umstände, welche einst den spanischen Rath von Indien veranlaßt hatten, Guatemala eine besondere Regierung zu geben, bestimmten auch die Einwohner in ihrer Wahl eines politischen Systemes, als das Joch der Colonialsclaverei endlich gebrochen war. Sie verlangten jene Unabhängigkeit jetzt als selbstständiger Staat, deren sie sich dem Wesen nach bereits als Provinz erfreut hatten. Glücklicher in dieser Rücksicht, als fast alle ihre Landsleute, hatten sie keine Armeen zu bekämpfen, um ihre Freiheit zu erringen; und obwohl die letzten, welche das Banner der Unabhängigkeit erhoben, waren sie doch unter den ersten, welche die Organisation ihrer republikanischen Regierungsformen vollendeten.

Nach seiner Ausdehnung vor der Revolution begriff Guatemala die Provinzen Chiapa, Guatemala, Vera Paz, Honduras, Nicaragua und Costa Rica, d. h. beinahe den ganzen Isthmus, welcher Nord- und Südamerika verbindet, indem es sich, den atlantischen Ocean auf der einen, das stille Meer auf der andern Seite, von Yucatan und Tabasco bis nach Veragua erstreckte. In diesem Umfange war die alte Statthalterschaft Capitania general Guatemala etwas größer als Spanien und etwas kleiner als Frankreich [2]. In Folge der Intriguen, welche die Anhänger des ephemeren Kaisers von Mexico, Iturbide, in Guatemala einleiteten, trat indessen die Provinz Chiapa (mit 500 bis 600 QM.), mit Ausnahme des Distriktes von Soconusco, zu dem mexicanischen Freistaate über, so daß die Republik Mittelamerica gegenwärtig nur die fünf Staaten: Guatemala mit Soconusco, San Salvador (die Provinz Vera Paz) Honduras, Nicaragua und Costa Rica begreift. –

Man darf nur einen Blick auf die Weltkarte werfen, um sich zu überzeugen, wie günstig dieses Land zur Unterhaltung von Handelsverbindungen mit allen andern Theilen von Amerika, wie mit den bedeutendsten Staaten von Asien und Europa gelegen ist. Obwohl die Seeküste an der atlantischen Seite, gleich der von Mexico, ungesund und zu gewissen Jahreszeiten heftigen Stürmen unterworfen ist, so ist sie doch durch zahlreiche Häfen zugänglich, und Flüsse, die von den Gebirgsketten des Innern herabströmen, durchschneiden das Land als eben so viele Handelswege in jeder Richtung. Aber so lange Guatemala in der Dunkelheit der spanischen Colonialadministration begraben lag, wurden diese Vortheile seiner Lage, so einleuchtend sie auch seyn mochten, so gut als gar nicht beachtet; seine Einkünfte waren kaum zureichend, die Kosten der Provincialverwaltung zu decken. Der spanische König, der weder wußte, wo Honduras lag, noch was daselbst seine Besitzungen waren, wußte wahrscheinlich noch weniger von Guatemala; und seine Nachfolger, in gleicher Imbecillität und Unwissenheit erzogen, würden schwerlich je etwas von der Existenz eines solchen Landes [502] gehört haben, wenn nicht aus dem vortrefflichen Cacao von Soconusco die Chocolade bereitet worden wäre, die zum besondern Gebrauch der königlichen Tafel bestimmt war. Und obwohl wir in Guatemala weniger Spuren jener furchtbaren Tyrannei finden, welche die Spanier in so vielen andern Theilen von Amerika übten; so spricht doch die einzelne Thatsache, daß die Hülfsquellen eines so schönen Landes bis auf die neueste Zeit völlig unbenutzt blieben, lauter als ganze Bände gegen die barbarischen Grundsätze der spanischen Herrschaft.

Guatemala ist, wie Mexico, ein Gebirgsland; doch sinkt die Andeskette, die gegen Mittelamerika hin stets den Küsten des stillen Meeres nahe bleibt, zwischen der Mündung des Atrato und dem Golf von Darien zu niederen, wenige hundert Fuß hohen Hügeln herab, erhebt sich in der Landenge von Panama wieder zu einer Höhe von 600 Fuß, und geht erst an der Grenze von Columbien in die erhabenen Cordilleren von Veragua und Salamanca über. Merkwürdiger indessen, als die Hauptgebirgskette selbst, ist die lange Reihe von Vulkanen, die sich meist als isolirt stehende Kegel in Mittelamerika zwischen den Urgebirgen von Veragua und Oaxaca erheben; am südlichsten der Vulkan von Barua (Br. 8° 50’); diesem folgt der Vulkan von Papagayo (Br. 10° 10’); und östlich von diesem liegen drei feuerspeiende Berge unfern dem südlichen Ufer des Sees von Nicaragua; weiter nördlich der Vulkan von Sapaloca auf der Insel Ometope; im See von Nicaragua der Vulkan Mombacho, S. D. von der Stadt Granada; der Vulkan von Masaya zwischen Granada und Leon, und der Vulkan Momotombo östlich von der Stadt Leon. Der thätigste in älterer Zeit und der berühmteste unter allen Feuerbergen von Guatemala war der von Masaya (im Staate Nicaragua), den die Spanier el infierno de Masaya nannten, und dessen Feuer man nach Juarros auf eine Entfernung von 25 Meilen sah. Dieser Vulkan gab im 16 Jahrhundert die Veranlassung zu einem sonderbaren Beweise mönchischen Golddurstes. Der Dominicaner Blas de Innena ließ sich an einer Kette von mehr als hundert Ellen (Brazas), mit einem eisernen Löffel bewaffnet, in den Krater hinab, um das geschmolzene Gold (die flüssige Lava!) daraus zu schöpfen. Der Löffel zerschmolz, und der Mönch entkam der Gefahr, in die er sich gestürzt hatte, mit Mühe. Die Nebenumstände, mit denen diese Geschichte erzählt wird, sind gewiß erdichtet, aber es ist mehr als wahrscheinlich, daß Innena sich in den Krater wagte, und daß seine Unternehmung es war, was den Dechant des Capitels von Leon verleitete, sich vom Könige die Erlaubniß ertheilen zu lassen, den Vulkan von Masaya zu öffnen und das Gold zu sammeln, welches dieser Berg in seinem Innern verberge. Weiter nördlich zwischen der Stadt Leon und dem Meerbusen Amapala folgen die vier Vulkane Felica, del Viejo, Giletepe und Guanacaure. Westlich von dem Meerbusen Amapala liegen noch zwanzig Vulkane, von denen der von Pacaya und der Vulkan del Fuego in der Nähe der Stadt Guatemala die bekanntesten sind. – Die Lage dieser Stadt mußte in Folge der vulkanischen Eruptionen und Erdbeben, die ihr mehr als einmal den Untergang drohten, zweimal verändert werden. Ursprünglich wurde sie an der Stelle, die jetzt Ciudad Vieja heißt, angelegt, und von dort im Jahre 1541 ungefähr eine Meile weit nach Altguatemala verlegt, bis im Jahre 1776 endlich die jetzige Hauptstadt Neuguatemala gebaut wurde. Ciudad Vieja stand am Fuße eines hohen Berges von kegelförmiger Gestalt, welcher der Volcan de Agua (Wasservulkan) genannt wird. Dieser Berg ist mit fruchtbarem Boden bedeckt und von blühenden Dörfern und Thälern umgeben. Wenn man auf seinem Gipfel steht, hat man die erhabenste und prächtigste Aussicht von der Welt. Gegenüber liegen die Vulkane von Pacaya und del Fuego, mitten unter reichen Landgütern und Dörfern, in der Nähe die Stadt Guatemala, das Dorf und der See von Amatitan. Weiterhin sieht man im Norden den atlantischen Ocean, das stille Meer im Süden, und dazwischen eine unermeßliche Landschaft von der Stadt San Salvador bis zu den Flächen von Chiapa. Alles, was die Natur Reizendes und Köstliches besitzt, ist verschwenderisch über dieses herrliche Land ausgebreitet; aber unter der Decke, welche sein Boden bildet, glüht das unterirdische Feuer, das jeden Augenblick in Erdbeben und furchtbaren Explosionen sich Luft zu machen droht.

Auf dem Gipfel des Volcan de Agua ist eine Art Krater, obwohl keine Nachricht davon vorhanden ist daß er jemals Feuer ausgeworfen habe. Am Morgen des 11 Sept. 1541 stürzte dagegen, nachdem lange anhaltende Regen und Eruptionen des Volcan del Fuego – von gewaltigen Erderschütterungen begleitet – vorausgegangen waren, ein unermeßlicher Wasserstrom aus dem Krater herab, der ungeheure Felsstücke vor sich herwälzte, die unglückliche Ciudad Vieja überschwemmte und eine große Anzahl ihrer Einwohner unter den Trümmern ihrer Häuser begrub. Ihre Entfernung nach Altguatemala gewährte ihnen nur kurze Zeit zur Erholung von ihrem Unglück. Außerdem, daß sie von Zeit zu Zeit von fürchterlichen Epidemien heimgesucht wurden, ward die Stadt mehr als einmal halb zerstört von den Erdbeben, welche die Ausbrüche der Vulkane del Fuego und Pacaya begleiteten, zwischen denen sie stand. Jeder dieser Berge ist auf seinem Gipfel in drei Spitzen getheilt, die mehrere Oeffnungen haben. Einmal kehrten länger als ein Jahr hindurch die Erdbeben wöchentlich wieder; ungeheure Wolken von Asche und Rauch verdunkelten die Sonne, so daß man in der Stadt des Mittags zu dem Gebrauche von künstlichem Licht seine Zuflucht nehmen mußte; ganze Monate hindurch flossen die Feuerströme. Im Jahr 1664 warf der Krater von Pacaya eine so unermeßliche Feuersäule aus, daß die Stadt in einer Entfernung von sieben Meilen des Nachts so hell erleuchtet war, als um Mittag. Eine dieser Convulsionen der Natur, die durch die letzte Hälfte des Jahres 1773 in kurzen Zwischenräumen wiederkehrten, war es, die endlich die Stadt Altguatemala völlig zerstörte und die Einwohner zwang, sich, um der Wiederholung einer so schrecklichen Katastrophe zu entgehen, eine neue Heimat zu suchen. [506] Vor der spanischen Eroberung war Guatemala von verschiedenen indianischen Stämmen bewohnt, deren Nachkommen noch immer den größten Theil der Bevölkerung bilden [3]. Nicht weniger als zwanzig verschiedene Sprachen [507] werden aufgezählt, die den in dem Gebiet von Guatemala wohnenden indianischen Stämmen eigenthümlich sind. Das herrschende Volk war ein Stamm derselben Toltecas, die auch Mexico unterjocht hatten, und ihre Eroberungen weit in Guatemala ausdehnten, wo sie die Tschitschimecas, die ursprünglichen Bewohner des Landes unterjochten. Nach den indianischen Sagen verließ, unter der Anführung von Nimakitsche, eine zahlreiche Schaar Totecas Tula in Mexico, um sich neue Wohnsitze in einem weniger dicht bevölkerten Lande zu suchen; und nach mannigfaltigen Wanderungen siedelten sie sich zuletzt an den Ufern des Sees von Atitan an. Auf Nimakitsche war indessen sein Sohn Aechopil gefolgt, der seinen Stamm zu Ehren seines verstorbenen Vaters den Namen Kitsche [4] annehmen ließ. Er theilte seine Eroberungen in drei Theile und nahm selbst seinen Sitz zu Utatlan, der Hauptstadt der Kitsches. Seinem ältesten Sohne Jiutemal gab er das Königreich der Katschikeles oder Guatemala, und seinem zweiten Akchikat verlieh er das der Zütugiles oder Atitan. Diese Theilung bestand unter mehreren mehr oder minder bedeutenden Uneinigkeiten bis zu der Eroberung von Mexico durch Cortez, zu dessen Zeit ein Fürst, Namens Tecum Ucum in Utatlan regierte. – Juarros, der diese Geschichten erzählt, gibt als seine Quelle handschriftliche Chroniken von den Kaziken der Kitsches, Katschikeles und anderer Indianer an, die, nachdem sie von den Spaniern unterjocht waren, gleich dem Sohne Montezumas in Mexico und dem Inca Garcilasso in Peru, die traurige Pflicht gegen ihre Voreltern erfüllten, die Sagen von ihrer Größe in der Sprache ihrer Ueberwinder aufzuzeichnen. –

Guatemala wurde von Petro de Alvarado, einem der Offiziere von Cortez unterworfen. Dieser verließ Mexico im J. 1523 an der Spitze von 300 Spaniern und einem zahlreichen Corps von mexicanischen Hülfstruppen, Tlascaltecas und Tscholutecas. Neben ihm führten zwei andere erprobte Offiziere, Pedro de Portocarrero und Hernan de Chares, das Commando. Sie konnten die Eroberung des Landes nicht ohne manche blutige Schlacht vollenden, wobei freilich der Verlust immer auf Seiten der Indianer war, doch auch die Spanier nicht ohne Schaden davon kamen. Den hartnäckigsten Widerstand leisteten die Kitsches in den Districten von Sutschiltepeka und Kezaltenango, wo die Indianer noch bis auf diesen Tag die lebendigste Erinnerung von dem Unglück ihrer Voreltern erhalten haben. Ein Fluß fließt durch diese beiden Provinzen in das stille Meer, der im Anfang seines Laufes den Namen Siguila, zu Ende desselben Zamalä trägt; in der Mitte dagegen heißt er Chikigel oder der Blutstrom, weil er von dem Blute der Indianer, die hier an seinen Ufern fielen, der Sage nach, ganz roth gefärbt worden war. Sie griffen die Spanier mit der Wuth der Verzweiflung an; eine große Menge von den Hülfstruppen derselben wurde erschlagen. Die castilischen Reiter wurden so dicht umdrängt, daß einige der tapfersten Indianer sie von ihren Pferden zu reißen versuchten. Aber die geharnischten Teules (Götter, wie die unglücklichen Indianer sie nannten) eröffneten ein Musketenfeuer auf die gedrängten Massen der halbnackten Kitsches, die sie umringten, und richteten ein unermeßliches Blutbad unter ihnen an. Eine Reihe ähnlicher Schlachten folgte, ehe Alvarado den entschlossenen Muth der Kitsches zu brechen und ihren Bund aufzulösen im Stande war. Als ihr König Tecum Ucum in der Schlacht erschlagen worden und die bravsten seiner Begleiter an seiner Seite gefallen waren, nahmen sie zu einer List ihre Zuflucht, die als ein Beispiel großartiger Aufopferung in der Geschichte der Völker ewig aufgeführt zu werden verdient. Sie lockten die Spanier, indem sie den Schein der Unterwerfung annahmen, nach Utatlan, der Residenz ihrer Fürsten, angefüllt mit prächtigen Gebäuden, die an Glanz – nach den einstimmigen Aussagen der Schriftsteller – kaum durch die Paläste von Mexico und Cusco übertroffen wurden und so volkreich waren, daß der Sache nach allein aus ihren Mauer siebenzigtausend Streiter den Spaniern entgegenzogen. Nur ein Thor führte in die Stadt und eine Pforte, von der man auf einer engen Treppe hinabstieg. Die Kitsches weihten ihre Hauptstadt den Flammen, um die Spanier zu vernichten, wenn sie in dieselbe eingezogen wären. Und wenn nicht die Verrätherei eines andern Stammes die Spanier gewarnt hätte, so wäre Alvarado mit seinen Begleitern unter den rauchenden Trümmern von Utatlan begraben worden.

Aber das Schicksal hatte es anders beschlossen, und Alvarado fügte Siege zu Siegen, bis er völlig Meister des Landes wurde. Da er bei den Katschikeles, nach der Unterjochung der Kitsches, keinen Widerstand fand; so machte er ihre Hauptstadt im J. 1524 zum Sitze seiner Regierung und nannte dieselbe Sant-Jago de los Caballeros de Guatemala. Von hieraus gingen seine Eroberungszüge gegen die Stämme, die ihre Unabhängigkeit noch bewahrt hatten, sich aber bald, einer nach dem andern, der Ueberlegenheit der spanischen Waffen unterwarfen.

Unter der Regierung der Conquistadores und ihrer Nachfolger verloren die Eingebornen mit ihrer Freiheit zugleich größtentheils die eigenthümliche Kraft ihres Charakters. Da Guatemala indessen ein Ackerbauland war und keine Bergwerke besaß, so waren die Indianer nicht den Unmenschlichkeiten jenes entsetzlichen Despotismus unterworfen, der die Herrschaft der Spanier in Peru und Neugranada entehrte. Die Unterdrückung nahm hier die mildere Form von Feldfrohnen an. So wie die Indianer von Guatemala weniger Ursache hatten sich über die Weißen zu beklagen, als die Stämme der Eingebornen in andern Theilen des spanischen Amerika; so litten auch die Creolen hier weniger durch die schlechte Regierung des Mutterlandes und ihre Folgen, als anderwärts. Das Gouvernement war dem von Mexico untergeordnet; doch erkannte der Generalkapitän von Guatemala die Abhängigkeit [508] von dem Vicekönig von Neuspanien nur dem Namen nach an. Diesen Umständen und der daraus hervorgehenden Stimmung des Volkes ist es beizumessen, wenn wir sehen, daß das Königreich Guatemala unter allen spanischen Colonien in Amerika die letzte war, welche sich für die Sache der Freiheit erklärte. Daß die Einwohner von Guatemala völlig theilnahmlos geblieben wären, während in den benachbaren Provinzen von Venezuela ein so verzweifelter Kampf für die Unabhängigkeit gekämpft wurde, ist indessen nicht vorauszusetzen. Im Stillen hatten bereits vor dem Jahre 1821 Männer von Einsicht und Einfluß die Gemüther ihrer Landsleute für eine künftige Trennung von Spanien vorbereitet; und im September des genannten Jahres, als die Revolution auch in Mexico ausbrach, erfolgte der entscheidende Schritt. Zum Unglück für Guatemala dehnte Iturbide seine ehrgeizigen Pläne auch über dieses friedliche Land aus und gewann durch List und Gewalt fast alle Städt desselben. Nur San Salvador und ein Theil von Nicaragua widerstanden von Anfang an; und als der Fall des Usurpators auch den übrigen Provinzen Freiheit zum Handeln gab, nahmen sie, mit der einzigen Ausnahme von Chiapa, das mit Mexico vereinigt blieb, ihren ursprünglichen Entschluß eine unabhängige Republik zu bilden, wieder auf. Es wurde sogleich zur Berufung einer constituirenden Versammlung geschritten, welche ihr Geschäft, die Verfassung der Bundesrepublik festzusetzen, am 22 November 1824 vollendete. Von den fünf Staaten, welche den Bund bildeten, hatte Salvador zuerst, im Juni 1824, seine Verfassung angenommen, Costa Rica folgte im Januar 1825, Guatemala im Oktober, Honduras im December desselben Jahres und zuletzt im April 1826 Nicaragua.

Allen diesen Constitutionen, so wie der Bundesverfassung selbst diente die der Vereinigten Staaten von Nordamerika zum Muster. Die Bundesakte beginnt indessen nicht, gleich der nordamerikanischen, mit der Erklärung allgemeiner Grundsätze, sondern mit der Definition der Nation, ihres Gebietes, ihrer Regierung, ihrer Religion und der Bedingungen des Bürgerrechtes. Die katholische Religion, mit Ausschließung des öffentlichen Cultus von jeder andern, ist die herrschende. Jeder Bewohner der Republick und wer immer den Schutz ihrer Gesetze anspricht, ist frey; und wer Sclavenhandel treibt, verliert sein Bürgerrecht. Jeder Bewohner der Republick, der sein achtzehntes Jahr überschritten oder sich verheurathet hat, so fern er ein nützliches Gewerbe treibt oder andere Subsistenzmittel besitzt, erhält dieses Recht, aber er verliert dasselbe für immer durch die Annahme erblicher Titel oder einer Pension vom Auslande, und sobald er eines ehrlosen Verbrechens überführt ist; auf unbestimmte Zeit – durch Suspension – so lange er sich in Untersuchung wegen eines solchen Verbrechens befindet, wenn er als betrügerischer Schuldner bekannt wird, oder sich öffentliche Ausschweifungen zu Schulden kommen läßt, so wie durch physische oder moralische Unfähigkeit oder durch Annahme einer gemeinen häuslichen Bedienstung. [511] Jeder Staat ist in eine gewisse Anzahl von Volksjunten, Districten und Departemens eingetheilt. Eine Volksjunta darf nicht weniger als 250, und nicht mehr als 2500 Bürger in sich schließen, und ernennt für jede 250 Bürger einen ersten Wähler. Die ersten Wähler von jeder Junta in einem District bilden zusammen die Districtjunta, und diese ernennt für je zehn erste Wähler einen Districtwähler. Die Districtwähler eines ganzen Departements vereinigt machen die Departementsjuntas aus und diese erwählen die Senatoren und Repräsentanten, so wie die höchsten Reichsbehörden und executiven Autoritäten der Republik.

Die gesetzgebende Gewalt beruht in einem Congreß, der aus den Repräsentanten zusammengesetzt ist, welche jährlich neu gewählt werden, in dem Verhältniß von Einem auf je zwölf Districtwähler, d. i. Einer auf je 30,000 Bürger. Diese Corporation versammelt sich jährlich am ersten März, und ihre Sitzungen dauern drei Monate. Das Recht, die Bestimmungen des Congresses zu genehmigen (sancionar) oder zu verwerfen gehört dem Senat, und die von diesem sanctionirten Verfügungen, sogleich bekannt zu machen und zu vollziehen, ist die Pflicht der executiven Gewalt. – Der Senat besteht aus zwei Mitgliedern und einem Ersatzmann von jedem Staate, und wird jährlich zu einem Dritttheil neu gewählt. Außer dem Rechte, die Verfügungen des Congresses zu sanctioniren oder zu verwerfen, hat er die Verpflichtung, über die Constitution der Republik zu wachen und der executiven Gewalt seinen Rath zu geben, so wie dem Präsidenten eine dreifache Liste zur Ernennung der ersten Civil- und Militärbehörden des Staates vorzulegen und, wenn Grund vorhanden ist, sie in Anklagezustand zu versetzen.

Der Präsident wird für die Periode von vier Jahren gewählt und übt die executive Gewalt der Republik in demselben Sinne aus, wie der Präsident der Vereinigten Staaten; nur ist er in einem noch bei weitem höheren Grade darauf beschränkt, die Verfügungen des Congresses zu vollziehen, und namentlich besitzt er das wichtige Recht des Veto gegen die Beschlüsse desselben nicht. – Der oberste Gerichtshof besteht aus fünf oder sieben Mitgliedern, die alle zwei Jahre neu gewählt werden, doch immer wieder erwählt werden können. Er erkennt über die Anklagen, welche auf Anzeige des Senates erhoben werden.

Die Bundesverfassung ist zugleich die Norm für alle die einzelnen Verfassungen der verschiedenen Staaten. So hat San Salvador einen gesetzgebenden Körper oder Congreß, der aus nicht weniger als neun und nicht mehr als 21 Deputirten besteht; die Bestimmungen desselben unterliegen der Revision eines repräsentativen Rathes, der für drei Jahre gewählt wird, und die ausübende Gewalt liegt in der Hand eines Gouverneurs, des Xefe supremo, der sein Amt vier Jahre bekleidet und die Intendanten ernennt, von denen die verschiedenen Departemens regiert werden. Die Constitution der übrigen Staaten ist im Wesentlichen dieselbe.

Die äußeren Verhältnisse von Guatemala bieten im gegenwärtigen Augenblicke nichts dar, was zu einer näheren Betrachtung auffordern könnte; im Innern widerspricht der zerrüttete Zustand des Landes den günstigen Vorzeichen, welche die blutlose Begründung seiner Unabhängigkeit darbot, und den Erwartungen, zu welchen das allgemeine [512] Vertrauen auf den Character des gegenwärtigen Präsidenten, Manuel Jose Arco, berechtigte.

Die Patrioten von Guatemala scheinen, gleich den meisten südamerikanischen Regierungen, bei der Anordnung ihrer finanziellen Angelegenheiten von völlig verkehrten Grundsätzen ausgegangen zu seyn. Um das Volk für die Sache der Freiheit zu gewinnen, wurde zu Anfange der Revolution ein großer Theil der einträglichsten Abgaben aufgehoben; und als die Einkünfte, auf den Ertrag der Zölle in den Seehäfen, des Tabaks- und Schießpulver-Monopols und der Post beschränkt, den Bedürfnissen der Verwaltung nicht entsprachen, nahm man, statt zu neuen Steuern zu einer Anleihe von sieben und einer halben Million Thaler (Dollars) seine Zuflucht, welche natürlich die financielle Verlegenheit bald nur noch höher steigern mußte. Dazu kam, daß die Last der Kosten für die Bundesregierung, bei der Armuth von Honduras und Nicaragua, ausschließlich auf die drei Staaten Costa Rica, Salvador und Guatemala fiel, und daher diesen, so öconomisch auch die Staatshaushaltung war, doppelt beschwerlich war.

Außerordentliche Vortheile erwartete man für Mittelamerika von der Erbauung eines Kanals, der den atlantischen Ocean und das stille Meer durch den See von Nicaragua verbinden sollte; doch scheint es, als wenn die Ausführung dieses vielbesprochenen Projectes wohl noch eine geraume Zeit anstehen würde. Durch einen Beschluß vom 25 Juni 1825 verfügte der Congreß, daß der Kanal den Schiffen aller befreundeten und neutralen Nationen geöffnet werden solle, und forderte zu Vorschlägen für diese große Unternehmung auf, um dieselben der executiven Gewalt vorzulegen. Es wurden Anerbietungen von den Häusern Barclay in London und Palmer in New-York gemacht, und mit dem letztern im Juni 1826 ein Contract geschlossen. Als derselbe im Congreß ratificirt werden sollte, wurde er jedoch mit so schweren Bedingungen belastet, daß die Erfüllung desselben dem amerikanischen Hause, welches auf die Unternehmung eingegangen war, unmöglich wurde; und seitdem ist – so viel wir wissen – das ganze Project in’s Stocken gerathen.

Die Ursache der bürgerlichen Unruhen, welche in der neuesten Zeit in Guatemala ausgebrochen sind, liegt indessen nicht sowohl in den financiellen Mißverhältnissen der Republik, wie man veranlaßt werden könnte, vorauszusetzen, als in der Eifersucht der Einwohner des Staates Salvador gegen den überwiegenden Einfluß einer centralistischen Partei, die in Guatemala, der Hauptstadt des mächtigsten der Bundesstaaten und zugleich der ganzen Republik, zu bestehen scheint. Sie beschuldigten den Präsidenten, daß er den Plan hege, die Förderativverfassung umzustürzen und die Regierung in Guatemala zu centralisiren; schon im März 1826, in der Sitzung des ersten Congresses, forderten sie daher, daß der Versammlungsort desselben und der Sitz der executiven Gewalt an einen Ort verlegt würde, der vierzig Meilen von Guatemala entfernt wäre. Die regelmäßige Sitzung des Congresses wurde im Juni geschlossen, und im August desselben Jahres machte der Senat Gebrauch von seinem in außerordentlichen Fällen ihm zustehenden Rechte, indem er auf den 1 October eine außerordentliche Sitzung berief, die zu Guatemala gehalten werden sollte, um über mehrere wichtige Vorschläge zu berathschlagen. Als die Sitzung eröffnet wurde, waren jedoch nur 16 Mitglieder erschienen; und diese mußten sich, da das Gesetz wenigstens die Zahl von 21 verlangte, um rechtskräftige Beschlüsse zu fassen, darauf beschränken, Maaßregeln zu ergreifen, um die abwesenden Mitglieder zu ihrer Pflicht zurückzuführen. Bald wurde es klar, daß die Abgeordneten von Salvador unter allen Umständen sich weigerten zu erscheinen; einer von ihnen, Marcellino Mendez, sandte eine Denkschrift ein, worin er erklärte, daß man ihre Gegenwart nicht erwarten dürfe, sofern der Congreß nicht statt zu Guatemala an einem andern Platze gehalten würde. Dieses Document wurde mit Recht als ein Zeichen unfreundlicher Gesinnung von Seiten des Volkes von San Salvador betrachtet; und die Legislatur des Staates Guatemala autorisirte daher die Aushebung eines Corps Milizen, unter dem Namen Vertheidiger der Constitution.

Inzwischen erließ der Präsident der Republik ein Decret, worin er die Zusammenberufung eines außerordentlichen Congresses, der aus zwei Abgeordneten von je 30,000 Einwohnern bestehen und mit unumschränkter Gewalt zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe bekleidet seyn sollte, nach Cojutepeque im Staate Salvador ausschrieb. Diese Maßregel, obgleich von dem obersten Gerichtshofe, wie von dem (unvollständigen) Congreß, für unconstitutionell und ungültig erklärt, wurde dennoch in dem Staate Guatemala vollzogen, indem man zur Wahl der Bevollmächtigten schritt. Umso heftiger widersetzte sich derselben dagegen Salvador; und nachdem mehrere zufällige Umstände die Gemüther noch mehr erbittert hatten, hob die Regierung dieses Staates im Anfang des v. J. Truppen aus und concentrirte dieselben an den Grenzen von Guatemala. Dieser Schritt war das Zeichen zu den Feinseligkeiten, deren Erfolg den Lesern dieser Blätter bereits durch die Zeitungen bekannt ist [5].
  1. North American Review, January 1828. Boston and New-York Vergl. Compendio de la historia de la ciudad de Guatemala, por Don Domingo Juarros. Guat. 1809 u. 1818, 2 B. 8.
    Constitucion de la Republica Federal de Centro-America. Guatemala, 1825.
    Constitucion del Estato del Salvador. San Salvador. 1824.
    Die Zeitungen, welche in Mittelamerika erscheinen: El Liberal, el Indicador, el Redactor General und El Centinela del Salvador.
  2. Nach Alex. Humboldt (Hertha, 1826. Augustheft, p. 134; nach dem Redactor General von 1825 p. 1 an 16740 QSeeM., über 9000 geogr. QM.
  3. Nach Humbold (a. a. O. S. 137) besteht die Bevölkerung von Guatemala, die er – wahrscheinlich zu niedrig – auf 1,800,000 bis 2,000,000 schätzt, zu drei Fünftheilen aus Indianern, zu zwei Fünftheilen aus Mestizen und zu einem Fünftheile aus Weißen (Kreolen und Europäern). Dennoch könnte Guatemala für die kupferfarbenen Eingebornen des nördlichen Amerika vielleicht einst dasselbe werden, was Paraguay für die des Südens zu werden scheint. Die Indianer sind hier arbeitsamer und gebildeter, als in irgend einem andern Theile des spanischen Amerika, und noch sind die zahlreichen Denkmäler ihrer frühern Cultur vorhanden. Die merkwürdigsten derselben sind die Ruinen der alten Stadt Culhuacan, unweit des Dorfes San Domingo Palenque (s. Description of the Ruins of an Ancient City, discovered near Palenque in the Kingdom of Guatemala, by Captain A. del Rio, with notes by Dr. P. F. Cabrera. Lond. 1822; die Abbildung eines Basreliefs in Humbolds Vues des Cordilleres T. I. p. 151 vgl. T. II. p. 392); die Ruinen eines mit Bildsäulen gezierten Tempels bei Copan, die mit Säulen gezierte Höhle von Tubulca im Staat Honduras, die Ruinen der Insel Peten in den Lagunen von Itza; die gigantischen Ruinen der Königsstadt Utatlan (z. B. von einem Palast von 728 Schuh Länge und 376 Schuh Breite), und endlich die Reste einer großen Anzahl von Festungen.
  4. Der Name Nimakitsche selbst ist indessen eigentlich nur eine Appellativum, und bedeutet: der große Kitsche. Wahrscheinlich ist daher die Sage von einem König Nimakitsche nur aus dem Stammnamen entstanden; auf ähnliche Weise wie die klassischen Mythen von Dorus und Hellen u. s. w.
  5. Vergl. Ausland, Nr. 37 S. 148.